Freie Liste erfreut

“Kastelruth kassiert endlich mehr Ortstaxe”

Montag, 11. August 2025 | 10:56 Uhr

Von: mk

Kastelruth – Ab 2026 wird die Gemeindeaufenthaltsabgabe in Südtirols tourismusstärkster Gemeinde neu verteilt (die Tourismusvereine kriegen weniger) und erhöht (aber nicht überall). Der notwendige Schritt geht in die richtige Richtung, kommt aber spät: Freie Liste hatte den Vorschlag schon 2024 gemacht.

Kastelruth – Der Gemeinderat von Kastelruth hat Ende Juli eine Erhöhung und Neuverteilung der Ortstaxe beschlossen. Damit fließt künftig rund eine halbe Million Euro in die Gemeindekassen. Die Freie Liste hatte das bereits 2024 vorgeschlagen. Damals sei die Mehrheit dagegen gewesen, erklärt die Liste in einer Presseaussendung.

„Wir begrüßen den Schritt jetzt, auch wenn er spät kommt. Der Tourismus erwirtschaftet enorm viel Geld. Weil der Sektor so groß und einflussreich ist, muss er Verantwortung übernehmen und dazu beitragen, dass diese wirtschaftlichen Vorteile fair verteilt werden – nicht nur innerhalb der Branche, sondern auch zugunsten der Allgemeinheit, die ja auch die Nachteile abkriegt. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass die zusätzlichen Gelder sichtbar der gesamten Bevölkerung zugutekommen, nicht nur dem Tourismus“, schreiben die vier Gemeinderäte von Freie Liste in einer Stellungnahme.

Zehn Prozent bleiben der Gemeinde

Mit 502 Beherbergungsbetrieben, 9.687 Gästebetten und über 231.000 Nächtigungen allein im heurigen Juli laut Astat führt Kastelruth die Südtiroler Tourismusstatistik an. Auch bei der Ortstaxe war Kastelruth 2024 mit 5,1 Millionen Euro Spitzenreiter unter Italiens Berggemeinden. Bisher blieb jedoch nur ein Bruchteil davon bei der Gemeinde: 20 Cent pro Übernachtung, gerade genug für die Verwaltungskosten.

Ende 2024 hatte Freie Liste im Gemeinderat vorgeschlagen, jeweils zehn Prozent der Grundtaxe und der Erhöhung einzubehalten – um damit Maßnahmen zu finanzieren, von denen alle Bürgerinnen und Bürger etwas haben und für die oft Geld zu fehlen scheint. Laut einer aktuellen Studie trägt der Tourismus in Kastelruth knapp 410 Millionen Euro zur Wertschöpfung bei.

„Ein so starker Wirtschaftszweig muss auch seinen gerechten Anteil zugunsten der Allgemeinheit beitragen. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Begründung der SVP-Mehrheit damals: Man wolle das gute Verhältnis zu den Tourismusvereinen, die der Gemeindeverwaltung diverse Dienstleistungen abnehmen und in der Regel flexibler agieren (können), nicht zu sehr strapazieren. Kurios, dass die SVP jetzt doch ‚nachgezogen‘ hat“, erklären die Vertreter der Freien Liste.

Ortstaxe steigt nur auf Grödner Seite und Wunsch der Tourismusvereine

Man sorge sich um die Akzeptanz für den Tourismus, hatte Bürgermeisterin Cristina Pallanch bei der Präsentation ihres Fünfjahresprogramms am 2. Juli im Gemeinderat gesagt. Deshalb wolle man rasch Hand an die Ortstaxe legen – was bei der Sitzung am 30. Juli auch geschehen ist. Ab 2026 steigt die Ortstaxe und die Gemeinde behält zehn Prozent der Grundtaxe und zehn Prozent der Erhöhung ein – so wie Freie Liste schon 2024 vorgeschlagen hatte. Laut Tourismusreferent Adolf Hofer bleiben damit 205.000 Euro mehr als bisher in den Gemeindekassen – insgesamt rund eine halbe Million Euro.

„Ein begrüßenswerter und längst überfälliger Zug, der aber Fragen offen lässt: Warum erst jetzt? Und warum steigt die Ortstaxe nicht auf dem gesamten Gemeindegebiet, sondern nur in den Betrieben in den ladinischen Fraktionen, die Mitglieder beim Tourismusverein St. Ulrich oder St. Christina sind? Die Antwort darauf ist dieselbe – und lässt an der Sorge der Bürgermeisterin zweifeln. Denn während der Antrag von Freie Liste Ende 2024 keine Mehrheit fand, haben jetzt die beiden Grödner Tourismusvereine auf die Erhöhung der Ortstaxe gedrängt. Und auch gleich den Betrag festgelegt. Die Vereine wollen sich für die Ski-WM 2031 ein finanzielles Polster anlegen, unter anderem für Ausgleichszahlungen, die die Vereine laut Referent Hofer an ihre Mitgliedsbetriebe werden leisten müssen. In Kastelruth, Seis und auf der Seiser Alm sahen die Tourismusvereine keinen Bedarf für eine höhere Ortstaxe, deshalb bleibt sie dort gleich. Vorerst zumindest, denn laut Auskunft des Ausschusses soll sie ab 2027 auch dort steigen“, erklärt die Freie Liste.

Politik für Tourismusvereine, nicht für Bevölkerung?

Ursprünglich sei die Gemeindeaufenthaltsabgabe eingeführt worden, um die Tourismusfinanzierung unabhängiger von öffentlichen Geldern zu machen. Mittlerweile werde sie verstärkt auch als Hebel wahrgenommen und eingesetzt, um die negativen Begleiterscheinungen des Tourismus zu kompensieren – sodass tatsächlich alle vom Tourismus profitieren.

Die Gemeindemittel aus der Ortstaxe sind für tourismusrelevante Projekte und Infrastrukturen zweckgebunden. Aber der Spielraum ist groß: In einer Kastelruther Nachbargemeinde werden die Einnahmen unter anderem für die Sanierung der Trinkwasserleitungen verwendet, die wegen des Tourismus stärker beansprucht werden.

Auf Nachfrage bei der Sitzung am 30. Juli konnte der Ausschuss nicht erklären, was in Kastelruth mit den zusätzlichen Einnahmen passieren soll. „Die Tourismusvereine hätten bereits eine Art Wunschliste deponiert und würden der Gemeindeverwaltung bei der Verwendung der einbehaltenen Mittel ‚genau auf die Finger schauen‘, hieß es vom Ausschuss. Eine Bemerkung, die aufhorchen lässt: In Kastelruth scheint das gute Verhältnis zu den Tourismusvereinen immer noch wichtiger zu sein als das zu den Bürgerinnen und Bürgern. Denn die Gesetzesbestimmung ist genau andersrum formuliert: Die Gemeindeverwaltung muss eine Qualitätskontrolle über die Verwendung der Mittel durch die Tourismusvereine ausüben. Ob diese Kontrolle je ausgeführt wurde und mit welchem Ergebnis, entzieht sich unserer Kenntnis. Wichtig ist jetzt, dass die zusätzlichen Gelder sichtbar der gesamten Bevölkerung zugutekommen, nicht nur dem Tourismus“, so die Freie Liste.

Zur Erinnerung

Die Gemeindeaufenthaltsabgabe – auch als Ortstaxe oder Kurtaxe bekannt – zahlen Gäste in Südtirol pro Übernachtung. Der Grundbetrag ist vom Land vorgeschrieben und liegt, je nach Beherbergungskategorie, bei 1,50, zwei oder 2,50 Euro. Die Gemeinde kann die Abgabe auf bis zu fünf Euro erhöhen.

Die Gemeinde hebt die Taxe auch ein und verteilt sie:
• Vom Grundbetrag gehen 30 Prozent an den Tourismusdienstleister IDM, 60 Prozent an die Tourismusvereine auf dem Gemeindegebiet, zehn Prozent bleiben der Gemeinde.
• Von der Erhöhung gehen 90 Prozent an die Tourismusvereine und zehn Prozent an die Gemeinde – außer es gibt ein Einvernehmen mit den Tourismusvereinen. Dann gehen 30 Prozent des Grundbetrags an die IDM und 70 Prozent an die Tourismusvereine, die Erhöhung teilen sich Tourismusvereine und Gemeinde im vereinbarten Ausmaß untereinander auf. So war das bisher in Kastelruth: Die Gemeinde behielt lediglich 20 Cent pro Nächtigung ein.

Bezirk: Salten/Schlern

Kommentare

Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen