Von: luk
Bozen – Nach dem von Polizeigewalt überschatteten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien haben die Südtiroler Oppositionsparteien Süd-Tiroler Freiheit, Freiheitliche und Grüne auf den Ausgang der Volksabstimmung reagiert.
Für die Süd-Tiroler Freiheit ist nach dem Referendum in Katalonien klar, dass sich die Region freigewählt hat.
„Mit stoischer Ruhe und beeindruckender Friedfertigkeit haben die Katalanen am Sonntag die rohe Gewalt des spanischen Staates erduldet und sich nicht von ihrem Recht auf Selbstbestimmung abbringen lassen. Spanien hat unschuldige Menschen niedergeprügelt, um sie von einer demokratischen Wahl abzuhalten und damit selbst den Beweis für die Notwendigkeit des Selbstbestimmungs-Referendums in Katalonien erbracht. Das deutliche Ergebnis von 90 Prozent ist ein Sieg für die Freiheit, der nun den Weg zur Unabhängigkeit ebnet“, so die Mitglieder der Bewegung im Landtag.
„Die Süd-Tiroler Freiheit gratuliert ihren katalanischen Freunden zu diesem historischen Wahlergebnis. Der katalanische Präsident Puigdemont hat bereits in der Nacht angekündigt, dass das katalanische Parlament nun die Unabhängigkeit von Spanien ausrufen wird. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde damit auf eine neue Ebene gehoben und ein Präzedenzfall für andere Völker geschaffen, die ebenfalls die Freiheit anstreben. Es ist dies eine Sternstunde der Demokratie“, so die Süd-Tiroler Freiheit.
„Die EU kann Katalonien nun nicht länger ignorieren und sollte als Vermittler auftreten, um die Unabhängigkeit von Spanien sowie die Gründung des neuen Staates geordnet und friedlich zu gestalten. Die Katalanen haben mit ihrer Wahl deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Spanier sind und nicht mehr zu Spanien gehören wollen. Keine Verfassung darf ein Volk in einem fremdnationalen Staat einsperren“, heißt es weiter.
„Europa wird sich nun mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, das die Katalanen so beeindruckend für sich in Anspruch genommen haben, auseinandersetzen müssen. Auch Südtirol steht das Recht auf Selbstbestimmung zu. Südtirol sollte die politischen Entwicklungen der nächsten Wochen daher nützen, um ebenfalls die Unabhängigkeit von Italien einzufordern“, findet die Süd-Tiroler Freiheit.
Kollmann: „Katalonien hat gesiegt! Spanien hat sich disqualifiziert!“
„Rajoys antidemokratisches und diktatorisches Gehabe ist endgültig entlarvt und hat auch vielen bisherigen Zweifeln über die Unabhängigkeit die Augen geöffnet. Katalonien hat das Recht auf Eigenstaatlichkeit erworben. Spanien hat jede Legitimität über Katalonien verloren“, so Cristian Kollmann.
Cristian Kollmann, Mitglied der STF-Landesleitung fügt hinzu: „Wer jetzt das Referendum mit Verweis auf die 40-Prozent-Wahlbeteiligung kleinreden will, sei daran erinnert, dass die Beteiligung bei der Wahl zum EU-Beitritt Spaniens ebenfalls nur bei 40 Prozent lag und es im Gegensatz zum Unabhängigkeitsreferenum keine Diktatur in Madrid gab, die alles unternahm, um die Abstimmung zu boykottieren.“
Grüne: “Nach der scheinbar klaren Entscheidung droht neue Konfrontation, mit der EU als großer Abwesender”
Über zwei Millionen Ja-Stimmen für die Unabhängigkeit Kataloniens sind ein beeindruckendes Ergebnis, finden die Grünen in Südtirol. “Die rechtliche Legitimation ist brüchig, die demokratische Willensäußerung ist ernst zu nehmen. Mit ihrem Mangel an Verhandlungsbereitschaft und Entgegenkommen und mit dem harten Polizeieinsatz hat die spanische Zentralregierung wohl wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen. Niemand ist in dieser eskalierten Konfrontation mit zahlreichen verletzten Bürgerinnen und Bürgern siegreich”, so die Grünen.
“Im Gegenteil, heute gibt es drei Verliererinnen:
· Die spanische Regierung und vorab Premier Rajoy, dessen Härte, Arroganz und demokratische Kurzsichtigkeit sich nicht nur in Katalonien, sondern auch in Spanien innenpolitisch bitter rächen wird.
· Die katalanische Regionalregierung – sie hat die Abstimmung zwar gegen das Verfassungsgebot und die Polizeigewalt durchgezogen. Es fehlt ihr aber neben der verfassungsrechtlichen Grundlage auch jener wirklich umfassende Konsens und die notwendigen Abwicklungsgarantien, derer eine so grundlegende Entscheidung bedürfte. Das ist inakzeptabel: Denn es handelt sich schließlich nicht um eine Abstimmung über den Flughafen oder Barcelonas Olympiateilnahme, sondern um die historische Zukunft einer Region.
· Die EU hat sich allzu vornehm, ja fast schon feige zurück gehalten, anstatt zumindest ihre Vermittlung anzubieten. Die Kommission und das Parlament hätten sich mit großer Entschiedenheit einschalten müssen, auch vom Ausschuss der Regionen hätte man ein Lebenszeichen erwarten dürfen.”
“So weisen die Zeichen auch weiter auf Konfrontation, die nicht nur die kommenden Tage und Wochen, sondern auf unabsehbare Zeit hin das Klima vergiften wird.” Die Grünen Südtirols wiederholen ihre Position: “Wir stehen den Unabhängigkeitswünschen in Katalonien zwar mit Verständnis für die Begründungen, aber insgesamt skeptisch gegenüber. Sie wäre ein „Sprung ins Dunkle“, der zwar die Eigenstaatlichkeit von Catalunya im Blick hätte, aber von schweren Hypotheken belastet bliebe – und schließlich auch das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht Spaniens völlig verändern würde, wahrscheinlich nicht zum Positiven hin.”
“Für Südtirol bietet der Fall Katalonien eine eindeutige Lektion: Das Drängen auf Selbstbestimmung bedeutet auch in einer dafür aufgeschlossenen, weltoffenen Region wie Katalonien eine unheilvolle Spaltung mit unabsehbaren Folgen. Ihre Anrufung klingt zwar nach sakrosanktem Völkerrecht, die Umsetzung der Selbstbestimmung ist jedoch politisch, gesellschaftlich und vor allem im Zusammenleben der Menschen ohne grundlegenden Konsens auf allen Ebenen denkbar nachteilig. Wir stehen für Autonomie und Solidarität”, so die Grünen.
Leiter Reber: “Totalversagen der EU in Katalonien”
Der freiheitliche Parteiobmann Andreas Leiter Reber zeigt sich enttäuscht über die Reaktionen von EU-Vertretern zum Referendum in Katalonien. “Der EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sollte gemäß seiner Funktion unsere europäischen Werte verteidigen, aber das darf man von einem Vertreter der Berlusconi-Partei “Forza Italia” anscheinend nicht erwarten. Dennoch: angesichts des brutalen Vorgehens der spanischen Polizei, die an die Methoden von Staatsfaschisten erinnert, ist es ein neuer Tiefpunkt, wenn der ranghöchste Eurokrat Tajani wieder einmal die Arroganz und Bürgerferne zur Schau trägt, die die EU in die Krise getrieben hat. Das Referendum sei illegal, Madrid habe das Recht, die Ausübung demokratischer Rechte mit Polizeiterror zu verhindern, so Tajani. So also sieht er also aus, der Hüter “europäischer Werte”. Man mag sich nicht ausmalen, wie tapfer ein solcher Bonze für Südtirol streiten würde, wenn uns Rom einmal so behandeln möchte wie Madrid die Katalanen. Den nichts anderes ist diese Äußerung Tajanis: eine Aufforderung an andere Staaten, mit unbotmäßigen Minderheiten, die ihr demokratisches Recht auf Selbstbestimmung einfordern, einfach genauso zu verfahren! Ein Freibrief für Staatsfaschismus nach dem Vorbild von Mariano Rajoy & Co.”, so der Freiheitliche Parteiobmann.
“Eine besondere Scheinheiligkeit legt hier wieder einmal die Südtiroler Volkspartei (SVP) an den Tag. EU-Parlamentarier Dorfmann ringt sich gerade mal dazu durch, den brutalen Polizeiterror des spanischen Staates als “politisch unklug” zu bezeichnen. Herr Dorfmann, darf es denn ein wenig mehr sein? War denn die EU nicht der Garant für “ewigen” Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Und nun bricht ein EU-Staat wie Spanien sämtliche demokratischen Werte und dem EU-Parlamentarier Dorfmann missfallen bestenfalls ein wenig die angewandten Methoden? Vielleicht nicht überraschend: es geht in Katalonien ja nur um Menschenrechte und nicht um die Interessen der Großkonzerne, die Herr Dorfmann ja ansonsten mit seiner Parteinahme für TTIP so engagiert zu vertreten weiß. Die Krone wird dem Ganzen aber dann aufgesetzt, wenn man sich auf einen jüngsten Ausspruch Dorfmanns erinnert: nämlich, dass Antonio Tajani ein “Freund Südtirols” sei. Genau der Tajani, dem das brutale Vorgehen Spaniens gegen friedliche katalanische Demonstranten so gut gefällt. Somit wird die Liste jener, die unsere Volkspartei als „Freunde Südtirols“ bezeichnen um einen weiteren Exponenten erweitert, der sich gegen Minderheiten, gegen die Selbstbestimmung und gegen ein Europa der Völker und Regionen stellt. Es gilt anscheinend einmal mehr: Feind, Erzfeind, Südtirol-Freund.“ so der freiheitliche Parteiobmann abschließend.
Schützen erfreut über Wahlausgang – “Eigenstaatlichkeit folgt”
Mit großer Freude nimmt der Südtiroler Schützenbund das Ergebnis des Referendums in Katalonien vom 1. Oktober zur Kenntnis. Laut offiziellen Zahlen der katalanischen Regierung lag die Wahlbeteiligung bei 42 Prozent, was rund 2,2 Millionen abgegebenen Stimmen entspricht. Eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent sprach sich für die Gründung einer katalanischen Republik aus.
„Diese Zahlen sind angesichts der massiven Polizeigewalt umso gewichtiger“, kommentiert Paul Decarli, der in Vertretung der Arbeitsgruppe „iatz“ des Südtiroler Schützenbundes als internationaler Wahlbeobachter hautnah bei der Abstimmung in Barcelona dabei war.
Massive Kritik gilt dem Vorgehen der spanischen Polizeikräfte, insbesondere der Guardia Civil. Diese habe auf den passiven Widerstand der Zivilbevölkerung übertrieben hart reagiert. Laut offiziellen Zahlen des katalanischen Gesundheitsministeriums gab es 844 Verletzte, einige davon schwer.
„Die Meinungsfreiheit wurde buchstäblich mit Füßen getreten“, erklärt Decarli. Der Einsatz von Schlagstöcken, Gummigeschossen und Tränengas gegen friedliche Wähler, welche ihr demokratisches Recht auf Stimmabgabe wahrnehmen wollten, sei eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union nicht würdig und müsse juristische Konsequenzen nach sich ziehen.
BürgerUnion: “Sieg des Freiheitswillens”
Als Sieg der Freiheit und Demokratie wertet die BürgerUnion den Ausgang des Referendums in Katalonien. “Über neunzig Prozent der Wähler haben sich für die Unabhängigkeit, für die Freiheit ausgesprochen. “Ein Sieg für Katalonien und ein Ansporn für all jene, die wie wir davon überzeugt sind, dass das Selbstbestimmungsrecht keinem Volk vorenthalten werden darf, auch nicht dem Südtiroler Volk”, schreibt der Sprecher Europaregion Tirol, Dietmar Zwerger in einer Aussendung der BürgerUnion.
Besonderes Gewicht bekommt das Wahlergebnis laut BürgerUnion auch durch das harte Vorgehen der eigens aus Madrid eingeflogenen “Prügel-Polizei”. “Wenn man gesehen hat, mit welchen Repressalien und mit welcher Gewalt die Staatsmacht gegen das katalanische Volk und dessen Freiheitswillen vorgegangen sind, bekommt die Wahlbeteiligung und das klare Wahlergebnis zusätzliches Gewicht. Spanien, die Schande Europas, muss den Wahlsieg der Unabhängigkeitsbewegung und den Willen Kataloniens nach Freiheit anerkennen”, so Zwerger weiter.
“Die BürgerUnion wird die weitere Entwicklung Kataloniens und dessen mit Sicherheit schweren Gang in die Freiheit wohlwollend beobachten. Nun muss und wird das katalonische Parlament den Willen der Bevölkerung gegen das nationalistische Spanien umsetzen. Dies wird ein steiniger Weg, denn Spanien hat der Weltöffentlichkeit bereits am Tag der Wahl demonstriert, was es von der Freiheit Kataloniens und der Demokratie hält. Doch Spanien wird Katalonien nicht für immer an sich binden könne, so wie Italien Südtirol nicht für immer in Anspruch nehmen kann”, heißt es in der Aussendung weiter.