Von: mk
Bozen/Trient – Umweltschützer sagen dem Lärm in Südtirols Bergen den Kampf an. Weil politischer Druck bislang nichts gebracht hat, greift man nach einem Rekordsommer mit 38 organisierten Motorrad- und Auto-Treffen nun auf juristische Mittel zurück: Der Verband Transdolomites hat formell Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Trient erstattet.
Präsident Massimo Girardi begründet den Schritt damit, dass die Situation nicht länger tragbar sei. Als positives Beispiel nennt Girardi das Cembra-Tal im Trentino, wo verstärkte Kontrollen bereits zu einer Besserung der Lage geführt hätten. Einen ähnlichen Effekt erhofft man sich für Südtirol. „Das Problem ist nicht der Tourismus an sich, sondern es sind Einzelne, die sich nicht an die Regeln halten und keinen Respekt vor der Natur zeigen“, erklärt Girardi laut einem Bericht des Corriere.
Demnach zielt die Initiative darauf ab, endlich flächendeckende Kontrollen zu erzwingen und eine in den Augen von Umweltschützern längst überfällige Kurskorrektur einzuleiten. „Motorsport-Events und Rennen sind nicht mehr eine Art, sich von anderen zu unterscheiden, sondern sie sind zum Problem geworden“, betont Girardi. Man arbeite mit den Gemeinden zusammen, doch auch der Einsatz des Landes sei nötig.
Beispiel Schweiz
Auch der Präsident des italienischen Alpenvereins CAI in Südtirol, Carlo Zanella, findet, dass der Zeitpunkt zum Handeln gekommen ist. Er hofft auf entsprechenden Maßnahmen noch vor dem nächsten Frühling und verweist auf die Schweiz, wo Motorradtreffen seit Jahren verboten seien: „Wer dort nicht mehr hinfahren kann, kommt jetzt zu uns, da wir in der fast völligen Abwesenheit von Kontrollen alles erlauben.“ Die Region sei zu einem Treffpunkt für Oldtimer, Sportwagen und Motorräder verkommen. „Doch diese Art von Tourismus nützt uns nichts“, sagt Zanella.
Dabei wirft er nicht alle in einem Topf. So gebe es auch Gruppen von Auto- und Motorradfahrern, die sich strengen Regeln unterwerfen und etwa Teilnehmer melden, die sich nicht ans Tempolimit halten. Trotzdem kritisiert Zanella, dass strenge, flächendeckende Kontrollen fehlen. Er vermutet, dass dahinter der Einfluss mächtiger lokaler Lobbys steckt. „Aber ‚Hit-and-Run-Touristen‘, die nur für ein Selfie auftauchen, bringen niemanden Vorteile“, betont der CAI-Präsident.
UNESCO als letzter Ausweg
Lösungsvorschläge liegen mehrere auf den Tisch: Neben einer zeitweisen Sperre der meistbefahrenen Dolomiten-Pässe, arbeitet Transdolomites an einem einheitlichen Mobilitätspaket als nachhaltige Alternative: Ziel ist ein vereinfachtes Ticket-System, das es Touristen ermöglicht, ihr Auto stehen zu lassen und auf umweltfreundliche Weise die Dolomiten zu erkunden.
Als drastischere Maßnahme schlägt Zanella vor, die UNESCO ins Spiel zu bringen. Er erinnert an die Kreuzfahrtschiffe in Venedig. Wegen touristischer Übernutzung drohte der Stadt der Verlust ihrer Anerkennung als Weltkulturerbe und man griff schließlich ein. Der Anlegehafen wurde daraufhin nach Marghera verlegt. „Wir möchten darauf aufmerksam machen, was mit den Dolomiten durch den Overtourism passiert ist, nachdem sie zum Weltnaturerbe ernannt wurden“, so Zanella. Hoffnung sei es, dadurch eine Wende in der regionalen Tourismuspolitik zu herbeizuführen.




Aktuell sind 16 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen