Von: luk
Bozen – Die Themen digitale Transformation, Impfregister, CME-Abgabe und Gendersprache standen heute ebenfalls auf der Tagesordnung des Südtiroler Landtags.
Beschlussantrag Nr. 437/21: Hearing: Digitale Transformation, Blockchain, Künstliche Intelligenz, big data: Wohin geht die Reise? Welche Zukunft erwartet Menschen und Betriebe? Die Politik muss ihre Digitalkompetenz aufrüsten (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Rieder, Ploner F., Ploner A. und Faistnauer am 20.04.2021). Dazu wurde heute eine neue Fassung vorgelegt, die von Rita Mattei und Gerhard Lanz mitunterschrieben wurde: Der Landtag möge den III. Gesetzgebungsausschuss beauftragen, als für wissenschaftliche und technologische Forschung zuständigen Ausschuss, ein Hearing des Landtags mit Experten aus der Zukunftsforschung zu organisieren, mit besonderem Fokus auf die neuen Technologien und die digitale Transformation.
“Die Schlagworte sind in aller Munde: Digitale Transformation, Blockchain-Technologie, digitale Währungen, cognitive computing, self learning machines”, erklärte Paul Köllensperger (Team K). “Diese Technologien werden nicht nur unsere Arbeitswelt, in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Sektor, in einigen Bereichen revolutionieren. Nein, sie werden auch unser Leben, das soziale Gefüge und die soziale Marktwirtschaft, so wie wir sie heute kennen als Paradigma der westlichen Welfare-Staaten, nachhaltig verändern. Wie jede Veränderung birgt auch dieser Prozess Chancen und Risiken. Und weil diese Veränderung disruptiv sein wird, erfordert sie, heute schon die Weichen für morgen zu stellen. Umso mehr verwundert es, wie wenig davon in der politischen Diskussion zu vernehmen ist, aber auch wie wenig die Südtiroler Gesellschaft und Betriebe offenbar davon wahrnehmen zu scheinen.” Die Revolution werde an Südtirol nicht vorbeigehen, daher müsse man die Betriebe und die Bürger darauf vorbereiten. Viele Arbeitsplätze würden durch intelligente Technologien ersetzt werden. Die Politik müsse sich klar werden, wohin die Reise gehe, was man erreichen wolle. Ein Hearing mit Experten im Landtag wäre ein erster Schritt.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) dankte Köllensperger für den Antrag. Europa laufe Gefahr, abgehängt zu werden. Gerade eine kleine Region wie Südtirol, die nicht auf Bodenschätze zurückgreifen könne, komme nicht daran herum, nachzurüsten. Die Gesetzgebungsausschüsse seien frei, Hearings abzuhalten, daher wundere er sich, dass es einen Anstoß aus dem Plenum brauche.
Das Thema werde uns Zeit unseres Lebens begleiten und herausfordern Hanspeter Staffler (Grüne). Auch keiner Ebene sei das Primat der Politik so verlorengegangen wie auf der digitalen. Wenn man hier nicht aufrüste, würden einem die Big Player auf der Nase herumtanzen. Man wisse noch nicht, was die neue Technologie mit der Arbeitswelt und mit dem Privatleben machen werde, daher sei es gut, sich darüber zu informieren.
Es sei ein wichtiges Thema, das heute in allen Bereichen mitgedacht werde, erklärte Helmut Tauber (SVP). Die digitale Transformation habe in den letzten Jahren große Schritte gemacht, auch in den Betrieben. Es sei richtig, dass man sich auf allen Ebenen darüber Gedanken mache. Ein Thema dabei sei auch der Onlinehandel, der kaum besteuert werde, ebenso die Booking-Angebote, die sich nicht an die nationalen Regeln hielten. Es gebe im Lande viele Profis, die sich mit der Materie auskennten, etwa Kurt Matzler, der bei seinen Betrachtungen weit in die Zukunft schaue.
LH Arno Kompatscher kündigte die Zustimmung der Landesregierung an. Das Thema selbst sei für sie Tagesgeschäft, es sei aber wichtig, über den Tag hinauszuschauen.
Helmuth Renzler (SVP), Vorsitzender des III. Gesetzgebungsausschusses, freute sich über den Auftrag. Es sei bereits fünf vor zwölf. Die Politik brauche Inputs über die Situation und die neuen Entwicklungen. Die Digitalisierung habe große Auswirkungen auf die Arbeitswelt und auf die Bildung, und man müsse darauf achten, dass nicht Bevölkerungsgruppen von der Arbeitswelt ausgeschlossen würden.
Die Covid-Krise habe gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung sei, erklärte Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Sie bestätigte, dass der III. Gesetzgebungsausschuss von selbst aktiv werden könne.
Die Amerikaner sähen die digitale Transformation als Chance, die Europäer eher als Risiko, erklärte Paul Köllensperger (Team K). Beides sei richtig. Auf jeden Fall müsse man die Entwicklung im Auge behalten, um darauf reagieren zu können.
Der Antrag wurde mit 34 Ja einstimmig angenommen.
Beschlussantrag Nr. 446/21: Zugriff auf das nationale Impfregister und auf ärztliche Befunde für Allgemeinmediziner und Kinderärzte freier Wahl (eingebracht vom Abg. Repetto am 07.05.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. dafür zu sorgen, dass alle Allgemeinmediziner und Kinderärzte freier Wahl so schnell wie möglich und innerhalb einer bestimmten Frist Zugriff auf das nationale Impfregister erhalten; dabei sollte ermittelt und dargelegt werden, aus welchen Gründen diese Möglichkeit in Südtirol bisher noch nicht umgesetzt wurde; 2. Maßnahmen zu treffen, damit alle Ärzte – wie für die Allgemeinmediziner der Gesundheitssprengel von Bruneck und Brixen bereits möglich – innerhalb einer kurzen und genau festgelegten Frist digital auf die Patientenakten, und genauso auf die Gesundheitsdaten, die ein modernes Informationssystem als Mindeststandard zu gewährleisten hat, zugreifen können; 3. alle erforderlichen Initiativen zu ergreifen, damit das Landesinformationssystem des Gesundheitswesens verbessert wird, zumal sich Südtirol, trotz der hohen Investitionen der Landesregierung in diesem Bereich, in der nationalen Sonderrangordnung über die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf den letzten Plätzen befindet.
Seit Jahren verlangen Allgemeinmediziner und Kinderärzte freier Wahl für die eigenen Patienten auf die Daten des nationalen Impfregisters zugreifen zu dürfen, berichtete Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). In manchen Bezirken könnten die Ärzte auf das IT-System des Krankenhauses zugreifen, in anderen nicht.
Franz Ploner (Team K) bestätigte das Problem, das auch durch die unterschiedlichen IT-Systeme in den Bezirken verursacht werde. Das digitale System sei nur nützlich, wenn es funktioniere, und das sei derzeit nicht der Fall.
Die Digitalisierung sei 2003 beschlossen worden, aber bis heute leider nicht gelungen, erklärte LR Thomas Widmann. Es habe einige Verbesserungen gegeben. Covid habe den Zeitplan durcheinandergebracht, man sei aber auf gutem Wege. Er rechne damit, dass es Ende der Legislatur so weit sein werde. Der Zugriff auf das staatliche Gesundheitsregister sei vom Gesetz nicht vorgesehen, der Zugriff auf das Landesimpfregister sei derzeit in Arbeit. Die digitale Gesundheitsakte gebe es, aber nur wenige Bürger hätten sie aktiviert. Eine breite Aktivierung wäre aber die Voraussetzung für das Funktionieren des Systems.
Sandro Repetto dankte dem Landesrat für seine realistische Darstellung des Sachverhalts. Der Antrag wurde in Teilabstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 456/21: Vereine und CME-Abgabe (eingebracht vom Abg. Unterholzner am 11.06.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, von der Zahlung der 800 Euro abzusehen, wenn keine Veranstaltungen getätigt wurden, da diese „provider“ dem Sanitätsbetrieb Arbeit abnehmen.
“Vereine, die als sogenannte „provider“ für die Vergabe von CME-Credits, also Fortbildungspunkte für bestimmte Berufsgruppen insbesondere im Bereich der Gesundheitsberufe akkreditiert sind, müssen pro Jahr 2.500 Euro bezahlen”, bemerkte Josef Unterholzner (Enzian). “Bei weniger als 6 Veranstaltungen reduziert sich der Obolus auf 800€/a. Allein, wenn man bedenkt, dass diese Vereine dem Sanitätsbetrieb und den Ämtern für Gesundheit Arbeit abnehmen und trotzdem dafür bezahlen müssen, wirkt der Obolus eigenartig. Noch viel skurriler ist es aber, dass diese Vereine auch in Zeiten des Covid, also bei Veranstaltungsverbot und damit Null Veranstaltungen, dazu aufgefordert werden 800€ zu bezahlen. Im Frühjahr eines jeden Jahres sind die 800€ als Anzahlung fällig und im November erfolgt die Endabrechnung. Im Jahr 2021 wurde aufgrund der Pandemie die Zahlung der 800 Euro auf November verschoben.”
Hanspeter Staffler (Grüne) bat Unterholzner um mehr Details, da aus dem kurzen Text nicht ersichtlich werde, worum es eigentlich gehe. Man müsse auch erklären, warum die Abgabe eingehoben werde.
LR Thomas Widmann berichtete, dass die 800 Euro wegen Covid gestundet worden seien. Er erklärte sich bereit, sich mit den Betroffenen noch einmal zu treffen, wies aber darauf hin, dass die 2.500 Euro der Höchstbetrag seien, die nur von wenigen geschuldet seien.
Wer die Betroffenen seien, wisse der Landesrat, erklärte Josef Unterholzner. Diese hätten den Antrag auch formuliert. Mit einer Stundung werde das Problem nur aufgeschoben, nicht gelöst.
Der Antrag wurde mit elf Ja, 19 Nein und drei Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 457/21: Generisches Maskulinum als Richtschnur für die öffentliche Verwaltung (eingebracht von den Abg. Mair und Leiter Reber am 11.06.2021). Zum ursprünglichen Text wurde gestern ein Ersetzungsantrag vorgelegt: 1. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, sämtliche verwaltungstechnische Schritte in die Wege zu leiten, damit in den Texten und der Kommunikation der öffentlichen Verwaltung Südtirols weiterhin das generische Maskulinum als Richtschnur gilt und sämtliche Genderzeichen (Genderstern, Binnen-I, Gender-Unterstrich, Gender-Schrägstrich, Gender-Doppel-punkt usw.) untersagt werden; 2. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, zum Schutz der deutschen Sprache in Südtirol und den damit verbundenen Minderheitenrechten den anderen öffentlichen Körperschaften und Gesellschaften die Verwendung des generischen Maskulinums nahezulegen und auf Genderzeichen zu verzichten; 3. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, den Artikel 8, Absatz 1 des am 8. März 2010 genehmigten „Gleichstellungs- und Frauenförderungsgesetz des Landes Südtirol und Änderungen zu bestehenden Bestimmungen” und die daraus hervorgehenden „Richtlinien für eine geschlechtergerechte Sprache in der Südtiroler Landesverwaltung” aufzuheben; 4. der Südtiroler Landtag fordert den Widerruf des genehmigten Beschlussantrages vom 15.09.2016, Nr. 637/16 mit dem Titel „Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache”. 5. der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, den in den Rahmenrichtlinien des Landes für Kindergärten und Schulen vorgegebenen Bildungs- und Kompetenzrahmen frei von mit der Gender-Ideologie in Verbindung stehenden Inhalten zu gestalten und die Verwendung von mit Genderzeichen (Genderstern, Binnen-I, Gender-Unterstrich, Gender-Schrägstrich, Gender-Doppelpunkt usw.) verfassten Schulbüchern sowie Lernmaterialien zu untersagen.
Die Texte würden durch die gendergerechte Sprache umständlicher und unverständlicher, meinte Ulli Mair (Freiheitliche). Sie führe dazu, dass Unterschiede zwischen Mann und Frau verstärkt hervorgehoben würden. Menschen mit Sprachschwierigkeiten täten sich schwer damit. Die Gendersprache bringe den Frauen nichts und bedeute einen Rückschritt hinter Humanismus und Aufklärung – das Geschlecht zähle mehr als die Leistung. Die Gendersprache spalte die Gesellschaft, viele getrauten sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) regte an, den Antrag auf die italienische Sprache auszudehnen, eventuell auch auf die ladinische. Ulli Mair zeigte sich damit einverstanden und kündigte einen entsprechenden Antrag an.
Brigitte Foppa (Grüne) wollte nicht die Argumente von ihrer Seite zur Sache wiederholen, sie seien längst bekannt. Die Richtlinien, die man abschaffen wolle, seien sehr pragmatisch und würden keinen Text behindern. Es sei schade, dass man jetzt einen Rückschritt wolle. Die Banalisierung des Themas sei nicht in Ordnung. Es gebe zum Beispiel Menschen, die intersexuell geboren seien, mit beiderlei Geschlechtsteilen – es sei verächtlich, wenn man eine gendergerechte Sprache als Ideologie hinstelle. Bei den vielen Überflüssigkeiten, die man täglich loswerde, seien ein paar Sekunden für die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen nicht zu viel.
Über Sprache werde Wirklichkeit geschaffen, meinte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Daher müsse jeder und jede eine Entscheidung in der Wortwahl treffen. Das Thema werde auch in der Linguistik kontrovers diskutiert. Für sie sei das Thema immer wichtig gewesen, sie möchte angesprochen und nicht mitgemeint werden. Sprache habe auch einen Effekt, so habe eine Studie ergeben, dass sich Mädchen und Jungen je nach Vorhandensein einer männlichen bzw. weiblichen Berufsbezeichnung für einen Beruf interessierten. In Deutschland fragten die Kinder ob auch ein Mann Kanzler werden könne. Die Sprache schaffe noch keine gerechtere Welt, aber eine gerechte Sprache zeige, dass man eine gerechtere Welt wolle.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sprach die Einleitung seiner Stellungnahme nach den Regeln der gendergerechten Sprache aus, z.B. “Abgeordnetens” statt “Abgeordneter” oder “Abgeordnete”. Viele Menschen mit anderer sexueller Orientierung seien gegen diese Sprache, weil sie keine Sonderbehandlung wollten. Die Regelung sei eine Art sprachlicher Imperialismus gegenüber einer Sprache, die sich über Jahrhunderte entwickelt habe.