Reorganisation der Landtagsverwaltung vertagt

Landtag befasst sich mit Kriminalitätsbekämpfung

Mittwoch, 08. März 2017 | 12:41 Uhr

Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussvorschlag „Reorganisation der Dienste und der Funktionsweise des Landtages“ befasst. Der Beschluss fasst eine Reihe von Vorschlägen zusammen, die auch von den Fraktionen vorgebracht wurden, wie Präsident Roberto Bizzo gestern bei der Vorstellung betonte. Er sieht technische Verbesserung vor, in Richtung eines digitalen Landtags, eine Zusammenlegung der Dienste, die mit dem Auftritt des Landtags nach außen befasst sind (Kommunikation, Presse, Besucherprogramme u.a.), eine Rechtsberatung für die Abgeordneten und eine neue Zuteilung von Mitarbeitern für die Abgeordneten gemäß den Vorgaben der Staat-Regionen-Konferenz.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) beantragte die Streichung des Bezuges auf den (angenommenen) Beschlussantrag der Grünen, mit dem sich der Landtag für eine Verbesserung der Kommunikation nach außen ausgesprochen hatte. Der heute vorliegende Vorschlag entspreche nicht mehr dem ursprünglichen Auftrag. Vizepräsident Thomas Widmann schlug eine Vertagung auf morgen vor, da der Erstunterzeichner des Antrags, Präsident Bizzo, zusammen mit dem Abg. Steger heute an der Sitzung der Sechserkommission in Rom teilnimmt und daher an der Debatte nicht teilnehmen und zu den vorgebrachten Änderungsanträgen nicht Stellung nehmen kann.

Begehrensantrag Nr. 38/15: Einheitliche EU-Straßenverkehrsordnung (StVO) (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Knoll und Atz Tammerle am 15.5.2015). Der Landtag möge das römische Parlament, die Regierung in Rom und die EU-Parlamentarier auffordern, auf die EU-Kommission dahingehend Einfluss zu nehmen, dass: 1. eine Untersuchung auf Sinnhaftigkeit der noch bestehenden Unterschiede in der StVO pro EU-Land durchgeführt wird; 2. eine EU-weit einheitliche Straßenverkehrsordnung mit möglichst vielen, gemeinsamen Regelungen einzuführen, die den EU-Bürgern die Nutzung des europäischen Straßennetzes erleichtert.

“Die EU verfügt bis dato über keine einheitliche Straßenverkehrsordnung”, bemerkte Bernhard Zimmerhofer (Süd- Tiroler Freiheit). “Es gibt unterschiedliche Regelungen bezüglich Geschwindigkeitsbeschränkungen, Mautgebühren, Verstöße und Sanktionen sowie Straßenschilder usw. Eine gemeinsame, vereinheitlichte europäische Straßenverkehrsordnung würde nicht nur dem Bürger das Reisen erleichtern, sondern den Polizeikräften auch die Kontrollen vereinfachen. Außerdem würde sich dadurch die Anzahl der Verkehrsunfälle verringern. Wenn es schon möglich war, eine Währungsunion in der EU umzusetzen, dann muss es auch möglich sein, eine gemeinsame StVO zu realisieren.”

Pius Leitner (Freiheitliche) sprach sich für den Antrag aus. Es sollten aber nicht möglichst viele Regelungen werden, sondern möglichst wenige. Auch Hans Heiss (Grüne) sprach sich dafür aus, auch wenn es dringendere Verkehrsregelungen bräuchte, etwa beim Schienenverkehr. Die EU-Regelungen hätten zu einer Abnahme der tödlichen Unfälle geführt, aber eine Vereinfachung sei durchaus sinnvoll.

Die unterschiedlichen Regelungen würden auch bei der Autobahnmaut zu Problemen führen, etwa zu Staus, bemerkte Walter Blaas (F). Auch unterschiedliche Verfallsdaten beim Führerschein seien nicht nachvollziehbar, hier öffne man Schlupflöcher, um auf andere Länder auszuweichen. Auch Andreas Pöder (BürgerUnion) wies auf die “Exilführerscheine” hin. Vieles im Straßenverkehrsbereich sei noch zu harmonisieren, auch bei anstehenden Entwicklungen wie dem selbstfahrenden Auto. Bei anderen Dingen, wie etwa den Winterreifen, sei eine Harmonisierung nicht möglich.

Myriam Atz Tammerle (STF) wies auf die Beschwerden wegen der Speed-Check-Boxen hin. Vor allem Touristen würden die extrem hohen Strafen in Italien nicht verstehen. Eine Harmonisierung sei auch für die LKW-Fahrer wichtig, die viele Länder überquerten und dabei unterschiedlichste Vorschriften einzuhalten hätten. Viele Unterschiede bei den Regeln würden gar keinen Sinn machen, meinte Sven Knoll (STF). So sei es sinnlos, nach dem “Lufthunderter” in Nordtirol hier eine Beschränkung von 90 km/h einzuführen. Andererseits sei eine staatsweite Winterreifenpflicht nicht sinnvoll, Südtirol habe ein anderes Klima als Sizilien. Knoll richtete die Bitte an die Landesregierung, etwa auf der Autobahn möglichst einheitliche Regelungen zusammen mit dem Bundesland Tirol zu schaffen.

Oswald Schiefer (SVP) bezeichnete eine einheitliche Regelung für alle 28 Staaten für sinnvoll und unterstützte den Antrag. Er warnte aber davor, dass dadurch auch Verschlimmerungen für Südtirol kommen könnten, etwa eine unflexible Geschwindigkeitsbeschränkung wie auf der Inntalautobahn. Sigmar Stocker (F) sah in einer Harmonisierung nur Vorteile, vor allem bei den Strafen. Diese seien in Italien so hoch, dass sie Familien in finanzielle Schwierigkeiten bringen würden. Italien habe überall strenge Gesetze, aber nur im Norden werde streng auf die Einhaltung gepocht. In anderen Staaten würden die Strafen dem jeweiligen Einkommen angepasst.

Brigitte Foppa (Grüne) wandte sich gegen die Bedenken Schiefers. Die Luftwerte längs der Autobahn seien auch in Südtirol schlecht. In Nordtirol gebe es einen Konsens dafür, langsamer zu fahren, um die Umwelt weniger zu verschmutzen. Ulli Mair (F) wies auf die Unterschiedliche Handhabung der Vorschriften in Nord- und Süditalien hin. Sie frage sich, ob sich Italien an einheitliche europäische Regeln halten würde.

LR Florian Mussner erinnerte an eine EU-Richtlinie von 2011, die eine EU-weite Verfolgung von Verkehrssünden vorsieht, die bis jetzt aber nur ansatzweise umgesetzt wurde – Mussner berichtete über die einzelnen Fort- und Rückschritte. Auch in der Euregio bemühe man sich um Vereinheitlichung. Übrigens habe es Amerika in 250 Jahren nicht zu einer einheitlichen Verkehrsregelung geschafft. Mussner sprach sich schließlich für den Antrag aus. Der Antrag wurde mit 28 Ja bei einer Enthaltung genehmigt.

Beschlussantrag Nr. 391/15: Sicherheit: dringende Vorbeugungsmaßnahmen gegen Kriminalität (eingebracht vom Abg. Urzì am 12.6.2015). Die Landesregierung möge verpflichtet werden, den Gemeinden (im Einvernehmen mit denselben) zu diesem Zweck ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, damit sie innerhalb ihrer Gebiete alles Nötige veranlassen, um gegen jegliche Gefährdung der Bürger/-innen vorzubeugen.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) bezog sich in seiner Erläuterung des Antrags auch auf jüngere Vorfälle im Lande. Die sog. Kleinkriminalität bedeute oft dramatische Eingriffe in die persönliche Sphäre, immer öfter würden Einbrüche und Gewaltübergriffe gemeldet. Der Polizei seien durch die Gesetzgebung oft die Hände gebunden. Die Gemeinden sollten in die Lage versetzt werden, ihren Bürgern mehr Sicherheit zu bieten. Szenen wie die Messerattacke im Zentrum Bozens am helllichten Tag seien Hinweis, dass die Gefahr extrem gestiegen sei – der normale Alltag sei nicht mehr sicher. Die Bürgermeister hätten soeben mehr Vollmachten zur Bekämpfung der Kriminalität bekommen, dafür bräuchten sie auch die nötigen Mittel. Auch wegen der ungerechten Aufteilung der Flüchtlinge seien manche Gemeinden stärker von dem Phänomen betroffen.

Sinnvoller wäre ein Begehrensantrag an das Parlament gewesen, mit dem man eine Anpassung des Strafrechts fordere, meinte Walter Blaas (F), denn da liege das Hauptproblem. Auf Gemeindeebene müsse man auf die geeignete Positionierung der Videoüberwachung achten, auf mehr Beleuchtung an empfindlichen Stellen usw. Urzì sei es gelungen, um den Brei herumzureden, ohne das Problem zu nennen, die Einwanderung, meinte Pius Leitner (F). Der Afghane, der gestern einen Landsmann mit dem Messer verletzt habe, werde in vier Tagen wieder auf freiem Fuß sein. Die Polizei sei machtlos, der Rechtsstaat habe versagt.

Andreas Pöder (BU) sah Sicherheit und Rechtsstaat vor allem durch die Linksregierungen bedroht. Die Überwachungskameras seien kein Allheilmittel, sie könnten leicht umgangen werden. Er sei dafür, die Mittel für die Sicherheitspolitik der Gemeinden aufzustocken, die geeigneten Lösungen seien aber zusammen mit Sicherheitsexperten zu eruieren.

Der Antrag sei von 2015, aber seither habe sich die Situation verschlimmert, stellte Sven Knoll (STF) fest. Der vorliegende Antrag würde gar nichts ändern, mehr Überwachung sei der falsche Ansatz, auch gegenüber den unbescholtenen Bürgern. Die Politik müsste dafür sorgen, dass eine solche Überwachung nicht nötig wird. Die Situation im Bozner Bahnhofspark sei nicht haltbar, ebensowenig  die organisierten Bettlerbanden, die jeden Morgen mit dem Zug kämen.

Oswald Schiefer (SVP) gab Knoll recht. In der Früh würden im Zug auch sehr fragliche Individuen mitfahren. Auch die Busfahrer würden Probleme melden und sich lieber auf Nebenlinien versetzen lassen. Viele Gemeinden würden nun auch am Rand ihres Gebietes Kameras aufstellen, auch die Polizeikräfte seien dafür. Die Kameras wären aber nicht nötig, wenn die Polizei präsenter wäre.

Die Sicherheitsproblematik habe in den vergangenen Jahren gefühlt und real zugenommen, erklärte Hans Heiss (Grüne), und bestimmte Zonen wie der Bahnhofspark seien besonders betroffen. Die Kameras würden nicht viel bringen. Es sei wahr, dass mit den Flüchtlingen die Probleme zugenommen hätten, aber daraus dürfe man nicht die falschen Schlüsse ziehen. Wer zwei Jahre ohne Unterkunft sei, werde leichter aggressiv. Auch die starke Konzentration erhöhe das Problem. Mit Repression allein sei aber nichts getan. Es gebe auch eine Zunahme der Kriminalität auf der anderen Seite, etwa die Anschläge auf Flüchtlingszentren in Italien und Deutschland.

LR Richard Theiner sprach sich gegen den Antrag aus. Dieser suggeriere, dass man das Problem mit mehr Mitteln für die Gemeinden lösen könne. Das Problem sei real, könne aber nicht allein auf die Flüchtlinge abwälzen. Es gebe organisierte Banden, vor allem aus Osteuropa, die auch in Südtirol tätig seien. Theiner warnte vor einem flächendeckenden Überwachungssystem. Er persönlich fühle sich durch die Kameras belästigt, auch wenn sie an neuralgischen Punkten notwendig seien. Man dürfe den Bürgern nicht den Eindruck hinterlassen, dass man nichts tun wolle, warnte Urzì. Für die unbescholtenen Bürger seien die Kameras keine Gefahr, sondern eine Sicherheit. Auch Caramaschi sehe das so. Der Antrag wurde mit zwei Ja, 25 Nein und einer Enthaltung abgelehnt.

Von: mk

Bezirk: Bozen