Roland Turk stellt Eckpunkte der Tätigkeit 2020 vor

Landtag: Bericht des Landesbeirats für Kommunikationswesen

Mittwoch, 09. Juni 2021 | 11:30 Uhr

Bozen – Roland Turk, Präsident des Landesbeirats für Kommunikationswesen gab heute den Abgeordneten einen Überblick über die Tätigkeit im vergangenen Jahr und ging auch auf die neuesten Entwicklungen in diesem Jahr ein. Der LBK (oder. Kom.rat) hat 6 Mitglieder. Neu ist, dass sie in Zukunft alle vom Landtag gewählt werden. Der Präsident/die Präsidentin und der Vizepräsident wurden bisher von der Landesregierung ernannt. Der LBK ist das Regulierungs- und Kontrollorgan des Kommunikationswesens im lokalen Bereich.

Einer der Aufgabenbereiche ist die Überwachung der “Par Condicio”, wobei der Beirat überwacht, aber die Entscheidung bei der zentralen Behörde AGCOM liegt, erklärte Turk und wies darauf hin, dass etwa die Rai im Trentino bei Wahlen strenger sei als in Bozen.

Internet

Was am Medien- und Kommunikationsmarkt in diesen Pandemiezeiten auffällt: Zunächst, dass der Datenverkehr im Internet inklusive Video-Streaming und online-Spiele, derzeit auf Höchstniveau steht. Die hier gezeigten Daten der Mutterbehörde AGCOM gehen bis inklusive März 2021. Etwa um 50 Prozent in einem Jahr hat der Datenverkehr zugenommen. Nicht einmal im März/April 2020, also in der ersten Pandemiewelle, war der Verkehr so intensiv wie derzeit.

Mobilfunk

Sogar gleichmäßig bergauf geht der Traffic im Mobilfunk. Hier ist inzwischen der Wert vom März 2021 sicherlich bereits getoppt. Verblüffend ist dabei, dass die Einnahmen der Kommunikationsanbieter aus den Handy-Verträgen etwas gesunken sind. Das könnte bedeuten, dass ihre Gewinnmargen geschrumpft sind, also günstigere Handyverträge angeboten werden, oder dass die Konzerne weniger effizient wirtschaften.

Tageszeitungen und TV

Unaufhaltsam scheint hingegen der Niedergang der Verkaufszahlen bei den Zeitungen, sogar wenn man gedruckte und digitale Ausgaben zusammen berücksichtigt. Die Lokalblätter verlieren etwas weniger stark an Käufern als die überregionalen. Das Fernsehen ist im Jahr 2020 hingegen eine ganze Stufe höher in der Sehergunst gestiegen, vor allem die lokale Information.

E-Commerce

Der E-Commerce geht seit November stetig zurück. Trotzdem bleibt der elektronische Handel in seiner Gesamtheit derzeit an einem historischen Hoch. Und das seit Juli vergangenen Jahres.

Soziale Netzwerke

In beeindruckender Weise nimmt die Nutzung von Social media zu. Das würde auch erklären, warum Fake News so ungehindert die Runde machen. Denn Fake News zirkulieren vor allem in den Social Media. Facebook ist mit Youtube in Italien am weitesten verbreitet.

Immer mehr Menschen sind also im Internet unterwegs, Es wird immer mehr gemailt, smart gearbeitet oder studiert, gechattet. Und was hat das zur Folge? Dass es auch oft Ärger mit den Internet-Diensten gibt. Mit dem Handyvertrag. Streit zwischen den Telekom-Anbietern wie TIM, Wind, Vodafone etc, und ihren Kunden gibt es nach wie vor zuhauf, und der Kom.rat bzw. das Team des Komrats muss ihn schlichten. Tim hält den traurigen Rekord vor Vodafone und Wind, wobei man wissen muss, dass Tim immer noch ca 45 % Marktanteil in der Festnetztelefonie hält. Wir müssen leider, leider feststellen, dass die Geschäftspraktiken der Anbieter häufig, zu häufig zu wünschen übrig lassen. Streitpunkte sind vor allem die Telefonrechnungen, dann folgen unerwünschte Dienste, also kostenpflichtige Dienste, die man nie bestellt hat, weiters Ausfälle oder Unterbrechungen des Dienstes, Probleme beim Wechsel des Anbieters und mangelhafter Dienst im Allgemeinen. Zum Abschluss dieses Kapitels sei mit Genugtuung erwähnt, dass der LBK jährlich in etwa 80 bis 85 Fällen im Dringlichkeitswege einschreitet. Und zwar immer dann, wenn Anbieter ihren Kunden plötzlich den Dienst unterbrechen oder aussetzen. Es gelingt uns meistens, die Dienste zunächst einmal sofort wiederherstellen zu lassen, bis geklärt ist, ob die Unterbrechung rechtens war.

Besondere Intitiativen des Beirats

Zwei Studien hat der Beirat veranlasst zur Präsenz von Frauen im Fernsehen. Daraus ließ sich der Trend ablesen, dass in Südtirol vor allem im deutschsprachigen Fernsehen öfter Frauen im Mittelpunkt stehen als etwa im italienischen und auch im weltweiten Vergleich. Der Beirat beteiligt sich nämlich schon zum zweiten Mal an einer großangelegten internationalen Studie zu den Frauen in den Medien. Die endgültigen Resultate der jüngsten Erhebung erscheinen Covid-bedingt erst in den kommenden Monaten. Auf alle Fälle hat der Kom.rat letzthin mit einer ganzen Serie von Inseraten und Bannern zu vermitteln versucht, dass Frauen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien den Männern durchaus ebenbürtig sind. Die Kampagne lief in den drei Landessprachen. Auf deutsch lautete der Slogan zu diesen Bildern: Auf Augenhöhe.

Fake News und Hate Speech

Das Thema Covid hat das Problem der Fehl-Informationen verschärft, und sich als gefährlich erwiesen. Denn wo es um die Gesundheit geht, sind Nachrichten mit besonderer Sorgfalt zu überprüfen. Hand in Hand mit Fake news zu Covid gehen die verbalen Angriffe und Drohungen im Internet, weil die Fronten zwischen den verschiedenen Meinungen zur Pandemie so verhärtet sind.

Der Beirat hat schon vor fünf Jahren begonnen, mit Inseraten und Plakaten an Bussen und Haltestellen gegen Hate Speeches und Mobbing zu sensibilisieren, etwa mit Slogans wie Ogni scherno vale, oder Manieren im Internet. Auch mit der Aufklärung über Fake news hat der Kom.rat schon vor Jahren begonnen. Etwa mit einer To-Do-Liste zum Erkennen von Fake News.

Die meisten Fake News werden – wie erwähnt – über die Sozialen Netzwerke verbreitet. Und wie wir vorher gesehen haben, nimmt die Verbreitung von Sozialen Netzwerken stetig zu. Deshalb sollte sich auch der Gesetzgeber in Südtirol nicht scheuen, Exzessen Einhalt zu gebieten. Wenn ein Landesgesetz in Zukunft etwa die lokalen Onlinemedien verpflichtet, die Kommentare ihrer Leser zu moderieren, so sollen die Onlineredaktionen nach Meinung des gesamten Beirates auch verpflichtet werden, die Social-Auftritte ihres Mediums im Auge zu behalten.

Jugendmedienschutz

Zu den jüngsten Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen des Beirats zählt neben der Frauen-Kampagne auch die Aufforderung an Eltern und Erzieher, Kinder im Internet nicht allein zu lassen. Zunächst planten wir sogar, einen technischen Hilfsdienst für die Einrichtung von Kinderschutzfiltern auf internetfähigen Geräten einzurichten, doch mitten in der Diskussion über dieses Projekt kam eine neue ital. Gesetzesbestimmung, welche die Telekomanbieter verpflichtet, bei neuen Handyverträgen vorinstallierte Filter vorzusehen.

Hör- und Sehgewohnheiten

Das Statistikinstitut des Landes ASTAT hat erst vor kurzem, gegen Ende Mai veröffentlicht: Die neuen Hörer- und Seherzahlen der lokalen Radio- und Fernsehanstalten, bei deren Erhebung der Kom.rat mit eingebunden ist. Die Überraschung ist, dass nicht wenige Radios und TV-sender deutliche Zuwächse bei den Hörerzahlen erzielt haben. In einzelnen Fällen auch bis zu 40 Prozent im Vergleich zur letzten ASTAT-Erhebung aus dem Jahr 2017. Diese Zuwächse bestätigen, dass der Medienkonsum ab 2020 deutlich um eine Stufe höher gestiegen ist. Ganz speziell eben die lokale Information. Was die ASTAT-Erhebung gestört hat ist der Umstand, dass einige Radiosender versucht haben, kurz vor der Erhebung durch verlockende Gewinnspiele die Hörerzahlen positiv zu beeinflussen. Es war nämlich nicht gelungen, den Erhebungszeitraum geheim zu halten, weil das Landesgesetz zu den Medien vorsieht, dass die repräsentativste Vereinigung der Sender vor der Hörerzählung angehört wird.

Medienförderung

In den nächsten Wochen und Monaten wird das Landesgesetz zur Medienförderung in einigen Teilbereichen überarbeitet werden. Dabei sind meiner Meinung nach alle politischen Kräfte im Landtag gefordert, mit zu überlegen, wie eine Medienförderung die Qualität des Medienangebotes steigern und einen Pluralismus der Inhalte incentivieren könnte.

Der Staat leistet übrigens auch Seiniges: Er fördert seit jeher die lokalen kommerziellen und nicht kommerziellen Rundfunkmedien. Neuerdings geht auch ein Teil der Einnahmen aus den Teilnehmergebühren der Rai an die privaten Rundfunkmedien. Und dieses Jahr sind für die privaten Sender 50 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen, und zwar für die Verbreitung von nützlichen Informationen über das Virus.

Roland Turk stellte sein Team vor und wies auch auf die knappe Personaldecke hin. Derzeit könne man nicht alle Dienste bieten, die theoretisch möglich wären. Die Rai bietet die z.B. Möglichkeit, dass sich Vereine, Verbände, aber auch politische Gruppierungen in selbstgestalteten TV- und Radioprogrammen darstellen, d. h. in regelmäßigen Abständen über sich berichten. Aber diese Sendungen, die sog. Programmi dell’accesso, sucht man auf den kanälen von Rai Bozen vergeblich. Es gibt sie nicht, weil sie vom Kom.rat organisiert und verwaltet werden müssten. Und dem Komrat fehlt schlicht das nötige Personal dafür.

20 Jahre und Zukunft

Der Beirat sei 2002 gegründet worden. Nun zeichneten sich in Rom neue Aufgaben ab, die man aber noch nicht genau kenne. Die von Rom an die Kom.räte delegierten Befugnisse könnten sich also zum Jubiläum hin ändern.

Turk dankte schließlich dafür, dass man den Beirat immer frei und ungestört habe arbeiten lassen.

Fragen der Abgeordneten

Andreas Leiter Reber fragte nach den Eingriffsmöglichkeiten des Beirats bei Verletzung der “Par Condicio” und stellte eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Parteien auch im öffentlichen Rundfunk fest. Er fragte nach der Einschätzung der Antitrustbehörde zur Medienkonzentration in Südtirol. Helmut Tauber zeigte sich überrascht über die Aussage, dass der E-Commerce rückläufig sei, und bemängelte, dass bei der Rai immer mehr individuelle Meinungen zum Zuge kämen. Er fragte, wie man der Jugend die Themen des Landes besser vermitteln könne.

Diego Nicolini wünschte sich, dass der Beirat öfter seine Stimme erhebe, zum Beispiel zur Medienkonzentration, die in Südtirol bei 90 Prozent liege. Das Verfassungsreferendum im Herbst sei in der Berichterstattung untergegangen. Alex Ploner sah das Problem der “Par Condicio” auch bei den Gemeindeblättern. Hier gebe es Unsicherheit, und es brauche mehr Ausgewogenheit.

Gert Lanz sah es als wünschenswert, die Aufsicht auch auf die sozialen Netzwerke auszudehnen, und fragte, wie das zu bewerkstelligen wäre. Er bemängelte, dass es schwer sei, Falschmeldungen richtigzustellen. Manche Fake News würden auch von klassischen Medien weitergereicht.

Roland Turk versicherte, mit den Medien Kontakt aufzunehmen, auch mit den Gemeindeblättern, um sie über die Par Condicio zu informieren. Für letztere peile er eine Informationskampagne vor den nächsten Wahlen an. Die Politiker sollten den Beirat informieren, wenn sie eine Ungleichheit bemerkten, oder direkt die Medien angehen. Auch die privaten Medien seien zur ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet, und sie würden auf Beschwerden auch reagieren. Das Par-Condicio-Gesetz sei unausgereift und schwer anzuwenden, die Printmedien seien davon jedoch nicht betroffen. Der Beirat sei nicht imstande, alle Gemeindeblätter zu überprüfen. Das staatliche Kartellgesetz greife nicht bei einer so kleinen Provinz. Die hohe Konzentration hierzulande sei vor allem dem Umstand geschuldet, dass sich kein Verleger finde, der eine Zeitung finanziere. Die öffentliche Hand könnte hier mit Beiträgen ausgleichend wirken. Die Rai sei zur Ausgewogenheit verpflichtet, und sie werde auf entsprechende Eingaben reagieren. Junge Menschen würden sich wenig für Politik interessieren, das sei schwer zu ändern. Die Fake News seien schwer handhabbar, da sie von internationalen Medien abhingen. Aber man könne die Internetauftritte der lokalen Medien beobachten. Es sei schlechter Journalismus bemerkbar, aber das sei auch eine Frage des Geldes und der Zeit für die Recherche.

Von: mk

Bezirk: Bozen