Pöder vermisst Stimme der Gewerkschaften

Landtag für Sonntagsruhe

Mittwoch, 18. Januar 2017 | 18:28 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurden heute Nachmittag Anträge von Grünen, BürgerUnion, und Team Autonomie behandelt.

Beschlussantrag Nr. 235/14: Südtiroler in der Welt: Bessere Kontrolle der Beitragsvergabe gefragt! (eingebracht von den Abg. Heiss, Dello Sbarba und Foppa am 9.10.2014). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, eine Überprüfung der Beiträge an die Vereine der Heimatfernen und deren Gebarung in Form von repräsentativen Stichproben vorzunehmen und dem Landtag darüber näher zu berichten.

“Trotz der grundsätzlich positiven Absicht und wünschenswerten Förderung der Südtirolvereine ist die Frage offen, ob die Beiträge für die einzelnen Ortsgruppen auch stets gut verwendet werden oder ob sie nicht mitunter auch wenig zielführend eingesetzt werden”, bemerkte Hans Heiss (Grüne). “Für solche Bedenken geben einige Vorfälle Anlass, wie sie etwa für den Verein der Südtiroler in Niedersachsen eingehend dokumentiert wurden.”
Die Landesregierung habe 2014 die Kriterien für die Beitragsvergabe geändert, antwortete LH Arno Kompatscher. Auch aufgrund des Anlassfalls gebe es hier eine erhöhte Aufmerksamkeit.

Hans Heiss zeigte sich zufrieden mit der Antwort des Landeshauptmanns und bat um Vertagung.

 

Begehrensantrag Nr. 28/14: Schaffung eines Familiengerichtes (eingebracht von den Abg. Pöder und Artioli am 10.10.2014).  Das italienische Parlament und die italienische Regierung werden aufgefordert, die Voraussetzungen für die Errichtung von Familiengerichten zu schaffen.
“In Familienangelegenheiten, die vor Gericht verhandelt werden, so unter anderem bei Trennungen und Scheidungen – geht es zumeist um den Kinderaufenthalt, Sorgerecht, Vormundschaft, Sachwalterfragen, Unterhaltszahlungen oder Besuchsrechte, Wohnrechte und weitere familienrelevante Fragen”, erklärte Andreas Pöder (BürgerUnion). “In Italien werden beispielsweise Trennungen und Scheidungen vor dem Zivilgericht verhandelt, es gibt Familiensektionen beim Zivilgericht aber keine echten Familiengerichte. Verfahren zu Kinder- und Jugendangelegenheiten werden beim Jugendgericht abgewickelt. Dadurch erhöht sich die Gefahr für Fehlentscheidungen bzw. widersprüchlichen Entscheidungen, da kein einheitliches Gerichtssystem in Familiensachen zur Verfügung steht. Bereits seit Jahren gibt es Organisationen, auch Juristenorganisationen, welche die Schaffung eines eigenen Familiengerichtes fordern. Familiengerichte sollten unter anderem folgende Familienfragen behandeln: Ehesachen: Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe,  Kindschaftssachen: Vaterschaftsfragen, Vaterschaftsfeststellung, Abstammungssachen, Adoptionssachen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Gewaltschutzsachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen, Güterrechtssachen, sonstige Familiensachen, Lebenspartnerschaftssachen: Aufhebung, Unterhalt, Wohnung, Hausrat.”

LR Waltraud Deeg gab Pöder grundsätzlich recht. Das  Land habe da keine Zuständigkeit, aber es bemühe sich, die Familiendienste zusammenzulegen, und es habe eine Reihe von familienspezifischen Diensten eingerichtet.

Wenn es um die Zuständigkeit gehe, wäre auch jeder Begehrensantrag der SVP sinnlos, replizierte Pöder. Der Landtag sei zuständig, Begehren an das römische Parlament zu richten.

Der Antrag wurde mit sechs Ja, 19 Nein und sieben Enthaltungen abgelehnt.

 

Beschlussantrag Nr. 252/14: Aufkündigung des 2. Abkommens mit dem Italienischen Militär (eingebracht vom Abg. Pöder am 11.11.2014). Der Landtag möge beschließen: Die Landesregierung wird verpflichtet, keine Militärschießanlagen oder -schießstände in Südtirol zu errichten bzw. keiner Errichtung von Militärschießanlagen zuzustimmen und auch die Entscheidung zugunsten eines Militärschießstandes in Gmund zu revidieren.
Man habe dabei fast gestohlenes Gut zurückerhalten und müsse dafür dem Militär Wohnungen schenken, urteilte Andreas Pöder (BürgerUnion). Diese Wohnungen sollten im Eigentum des Landes bleiben, wenn der Staat sie nicht mehr nutze, könne es darüber verfügen. Südtirol habe sich da über den Tisch ziehen lassen.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) unterstützte den Antrag. Das Militär habe viele seiner Areale nur scheinbar besetzt, um sie nicht gratis abgeben zu müssen. Er schloss sich auch Pöders Argument mit den Dienstwohnungen an. Bei den Arealen handle es sich meist um unrechtmäßige Enteignungen, die heute rechtlich keinen Stand hätten. Das Land sollte auf sein Recht bestehen und auch dafür sorgen, dass die enteigneten Gründe den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden.

Das Statut sehe eine Rückgabe nicht verwendeter Immobilien vor, aber es lasse sich schwer feststellen, wenn eine Immobilie nicht mehr verwendet werde, antwortete LH Arno Kompatscher. Das Land habe einige Areale auch gratis zurückbekommen, aber es seien nicht die interessantesten gewesen. Es stimme, dass in manchen Fällen zu einem Tiefstpreis enteignet wurde, aber verschiedene Gerichtsverfahren nach dem Krieg hätten in diesen Fällen dem Staat recht gegeben. Das Land könne sich auch nicht in Verfahren zu Privatgründen einlassen, das es nicht die geschädigte Partei sei. Man habe den Verhandlungsweg gewählt, und tue das nur, wenn es für das Land ein Geschäft sei. Die Gemeinden seien z.B. froh, wenn dadurch die Carabinieristation vor Ort gerettet werden könne.

Die Wohnungen stünden teilweise leer oder würden zu Ferienzwecken verwendet, erklärte Andreas Pöder in seiner Replik.

Der Antrag wurde mit zehn Ja und 19 Nein abgelehnt.

 

Beschlussantrag Nr. 254/14: Vorübergehende Verlegung der Häftlinge von Bozen nach Trient (eingebracht von der Abg. Artioli am 11.11.2014). Die Landesregierung solle beim zuständigen Ministerium und bei der Regierung intervenieren, damit sämtliche Insassen des Bozner Gefängnisses vorübergehend in das neue Gefängnis nach Trient verlegt werden können.

Eine Verlegung sei auch wegen der hygienischen Zustände in Bozen sinnvoll, erklärte Elena Artioli (Team Autonomie), und dann könnte man Bozen gleich schließen. In Trient wäre Platz, Südtirol könnte einen Trakt mitfinanzieren.

Die Zustände im bestehenden Gefängnis entsprächen nicht den Standards, bestätigte LH Arno Kompatscher. Allerdings brauche es in jedem Gerichtsbezirk ein Gefängnis für die Vorbeugehaft, eine eigene Haftanstalt sei auch aus autonomiepolitischen Gründen von Vorteil. Mit der Verlegung bestehe auch die Gefahr, dass sich der Bau verzögere.

Elena Artioli bat um Vertagung, kündigte jedoch eine Neuauflage an, falls sich in sechs Monaten nichts ändere.

 

Beschlussantrag Nr. 255/14: Tempolimits situationsbedingt und zeitlich begrenzt (eingebracht vom Abg. Pöder am 13.11.2014). Der Landtag möge beschließen, die Landesregierung zu verpflichten, ein Konzept zur fallweisen, zeitlich limitierten und situationsabhängigen Geschwindigkeitsbeschränkung mittels Anzeige über zentral gesteuerte digitale Verkehrszeichen bzw. Anzeigetafeln auf der Brennerautobahn und auf der Schnellstraße MeBo zu erarbeiten und umzusetzen.

“Durch die jüngste Diskussion um Tempo 100 auf der Brennerautobahn und besonders durch den Beschluss der Landesregierung, das Tempolimit auf der Schnellstraße MeBo von 110 auf 90 Stundenkilometer abzusenken, erreicht man kaum mehr Verkehrssicherheit auf den betreffenden Straßen, sondern die Absenkung des Tempolimits kann vor allem der Aufbesserung der öffentlichen Finanzen durch Bußgelder für die Autofahrer dienen”, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion)

An Tempo 110 halte sich kaum jemand, meinte Hans Heiss (Grüne). Der Verkehr würde durch eine abgesenkte Geschwindigkeit flüssiger werden, es würde zu weniger Staus kommen. Die Messungen in Tirol ergäben eine Absenkung der Schadstoffemissionen um zehn bis 15 Prozent.

Sven Knoll (STF) unterstützte den Antrag. Eine Regulierung durch elektronische Anzeigetafeln wäre sinnvoller, diese könnten die Geschwindigkeit nach Verkehrsaufkommen regeln. Ein Tempolimit senke unzweifelhaft den Schadstoffausstoß, werde aber kompensiert durch das immer größere Verkehrsaufkommen. Ein Tempolimit wäre auch ungerecht gegenüber Elektroautos.

Auf Anregung des Landeshauptmanns erarbeite eine Arbeitsgruppe derzeit Maßnahmen zur Stauvermeidung, berichtete LR Florian Mussner. Die neue Höchstgeschwindigkeit von 90 bei Regen gelte nur auf einem Teilstück der MeBo, aber sie habe sich bewährt, die Unfallstatistik sei rückläufig. Digitale Verkehrszeichen seien von der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehen. Mussner plädierte schließlich gegen den Antrag.

Der Antrag wurde mit vier Ja, 22 Nein bei vier Enthaltungen abgelehnt.

 

Beschlussantrag Nr. 258/14: Geschäftsschließungen an Sonn- und Feiertagen (eingebracht vom Abg. Pöder am 21.11.2014). Die Landesregierung solle alle Mittel ausschöpfen, damit die Sonntagsruhe gewahrt werden könne und damit die Lokalkörperschaften über die Öffnungszeiten bestimmen können.

Man erlebe immer mehr Auswüchse bei den Öffnungszeiten, erklärte Andreas Pöder (BürgerUnion). Das Land müsse sich schützend vor jene stellen, die an diesen Tagen arbeiten müssen.

Das Thema begleite uns seit den Tagen der Regierung Monti, bemerkte Dieter Steger (SVP). Die Öffnungszeiten fielen unter Wettbewerb und seien daher staatliche Zuständigkeit. Seine Fraktion werde den beschließenden Teil des Antrags jedenfalls mittragen.

Auch Hans Heiss (Grüne) unterstützte den Antrag. Heute sei die Feiertagsöffnung bereits zur Norm geworden. In Deutschland und Österreich werde die Sonntagsruhe zum Großteil noch eingehalten.

Anderer Meinung war Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). Die Liberalisierung der Öffnungszeiten sei ein irreversibler Prozess. Bozen sei zur Zeit der rigiden Feiertagsschließung ein Friedhof gewesen. An Feiertagen würden viele Leute arbeiten, Polizisten, Journalisten, Politiker und viele andere. Wer hier geschlossene Geschäfte vorfinde, fahre zum Einkaufen halt nach Innsbruck oder Verona.

Für die Sonntagsruhe plädierte Sven Knoll (STF). Man müsse den Handel dann aber auch beim Christkindlmarkt in die Pflicht nehmen. Es sei nicht die Politik, die zur Sonntagsöffnung zwinge. Es wäre wichtig, in der Gesellschaft das Bewusstsein für die Sonntagsruhe zu schaffen.

Veronika Stirner (SVP) äußerte sich als überzeugte Befürworterin des arbeitsfreien Sonntags, sie habe auch entsprechende Anträge eingereicht. Es gehe auch darum, wie wir unsere Freizeit verbringen wollten. Studien würden belegen, wie negativ sich ein Arbeitsleben ohne Sonntagspause auswirke. In Bozen und Meran sehe man, dass es vor allem italienische Touristen seien, die am Sonntag einkaufen würden. Die Geschäfte würden durch die Sonntagsöffnung nicht mehr verdienen, der Verdienst verteile sich nur auf mehr Tage.

Gewisse Arbeiten müssten natürlich auch am Sonntag getan werden, meinte Maria Hochgruber Kuenzer (SVP), aber mit zuviel Sonntagsarbeit verliere man ein großes Potenzial in unserer Gesellschaft. Am Sonntag könne Gemeinschaft gepflegt werden.

Die Landesregierung habe sich auch in diesem Bereich bemüht, erklärte LH Arno Kompatscher, aber von einer Zielgeraden könne man noch nicht reden.  Es gebe nun eine Durchführungsbestimmung zu Urbanistik und Handel, aber bei den Öffnungszeiten sei dies nicht gelungen. Man denke auch an den indirekten Weg, z.B. an Steueranreize.

In Deutschland habe das Verwaltungsgericht das Arbeitsverbot am Sonntag jüngst wieder gestärkt, bemerkte Andreas Pöder, Italien gehe einen anderen Weg. Er vermisse in dieser Sache die Stimme der Gewerkschaften.

Der beschließende Teil des Antrags wurde mit 26 Ja und 1 Nein angenommen.

 

Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.

Um 18.00 Uhr begann die Vorführung des vom IDM mitfinanzierten Films „König Laurin“ des Südtiroler Regisseurs Matthias Lang.

Von: luk

Bezirk: Bozen