Plenarsitzung

Landtag: Generaldebatte zum Nachtragshaushalt 

Mittwoch, 26. Juli 2017 | 17:42 Uhr

Bozen – Hans Heiss (Grüne) wiederholte heute im Landtag seine im Minderheitenbericht geäußerte Kritik am Prozedere bei diesem Gesetz, das viele Artikel umfasse, die über den Haushalt hinausgingen. Es würden nebenbei einschneidende Reformen untergebracht, die in eigene Gesetze gehörten. Der Nachtragshaushalt umfasse nun 195 Mio. Euro, einen erklecklichen Betrag. Davon seien 57 Mio. für den Rotationsfonds vorgesehen, 16,5 Mio. für die im Haushaltsgesetz vorgesehenen Maßnahmen. Der Reservefonds werde mit knapp 70 Mio. angefüllt und schaffe damit ziemlich Spielraum für die Landesregierung – der Landtag möchte aber schon wissen, wofür die Gelder letztendlich ausgegeben würden. Die vorgesehenen Fachbestimmungen seien einschneidend und hätten in den zuständigen Ausschüssen diskutiert werden sollen. Die Zulagen etwa, die den Ärzten gewährt würden, seien beträchtlich. Immerhin gehe es um ein Hauptanliegen und eine grundsätzliche Neuausrichtung, nämlich die Basisärzte aufzuwerten und die Krankenhäuser zu entlasten. Damit würden die Ärzte zufrieden gestellt, aber man wisse nie, wie lange der Friede halte. Eine Diskussion im Fachausschuss wäre auch für die sozialen Bestimmungen nützlich gewesen, die eine Verlagerung von der Region ans Land mit sich brächten. Dasselbe gelte für die Bestimmungen im Bildungsbereich mit einer Generalreform des Ressorts. Der Landtag müsse anders arbeiten können, im Interesse seiner Würde und einer sauberen Gesetzgebung. Nach außen gebe er so ein Bild des Chaos ab. Der versprochene Gratisstrom werde endlich beschlossen, während es bei den Wasserkonzessionen noch Unklarheit gebe. Heiss kritisierte das Vorhaben, von der Rückzahlung von ungerechtfertigten Beiträgen zugunsten zweier Marteller Gastwirte zu verzichten. Da könnte auch der Rechnungshof Einwände haben. Er sprach sich auch dagegen  aus, die Zuständigkeit der Gemeinden für Handelsstreitigkeiten an die Handelskammer zu übertragen.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) konzentrierte sich vor allem auf die Bestimmung zum Gratisstrom. Man sei in den Ankündigungen vielleicht zu großzügig gewesen, ohne die Kosten zu kennen. Der Gratisstrom sei durch das Statut vorgesehen, aber das Land habe bisher die Ausgleichszahlungen vorgezogen, was der Rechnungshof beanstandet habe. Die Verteilung des Gratisstroms sei kompliziert und teuer, daher sehe er das Versprechen einer Verteilung an die Haushalte eher als Falschmeldung. Der Strompreis sei international im Sinken, daher Gratisstrom natürlich interessanter als eine Ausgleichszahlung. Der einschlägige Artikel beziehe sich auf ein Gesetz, das vor Jahren ausgehöhlt wurde und nur mehr die Gründung der SEL beinhalte. Alle Details würden einem künftigen Plan der Landesregierung überlassen, aber laut Statut müsste das Land alle Energieangelegenheiten per Gesetz regeln. Das Statut spreche auch nicht von Gratisstrom für die Haushalte, sondern für das Land. Ein detailliertes Gesetz zum Gratisstrom gebe es bereits, das Gesetz Nr. 18 von 1972, das auch die Bezugsberechtigten festlege. Man hätte nur dieses Gesetz neu formulieren brauchen. Das alles vermittle ihm den Eindruck, das Ganze sei nur ein Wahlkampfmanöver.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) bat um Auskünfte zu den geplanten Studien zu Verkehr und Mobilitätsmanagement. Er fragte auch nach der Absicht, die rollende Landstraße zu reaktivieren, nach Plänen für neue Bahnstrecken, nach einem Konzept für die Strecke, die durch die Riggertalschleife umgangen werde. Bei der Rückerstattung von Studiengebühren sah Knoll eine Diskrepanz zwischen staatlichen und Luxusuniversitäten, eine volle Rückerstattung in beiden Fällen wäre nicht gerechtfertigt. Einerseits werde mit der neuen Bestimmung zur Rückerstattung auch das Studium in anderen Ländern wie etwa England oder USA abgedeckt, was gut sei, andererseits bestehe die Gefahr, dass noch weniger Südtiroler Jungakademiker zurückkehren. Die Förderung der Heime nach Anteil an Südtiroler Studenten sei unrealistisch, da die Studentenzahlen jährlich schwanken würden. Österreich habe jahrzehntelang unentgeltlich Südtiroler Studenten ausgebildet, daher sollte man jetzt nicht kleinlich sein. Besser wäre eine gemeinsame Finanzierung über die Europaregion. Knoll begrüßte Maßnahmen zur Förderung von Allgemeinmedizinern und Jungärzten, da der Ärztemangel sich dramatisch abzeichne. Er kündigte Änderungsvorschläge an: Den Jungärzten sollten Räumlichkeiten für die Praxis und Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, vor allem in entlegenen Gebieten – das “Doktorhaus” sei in mehreren Gemeinden eine Tradition. Nachholbedarf gebe es auch bei der Studientitelanerkennung. Jungmediziner seien rund acht Jahre von Südtirol weg, würden am Ausbildungsplatz oft auch eine Anstellung bekommen und würden diese nicht leichtfertig aufgeben, daher seien Anreize wie eine Wohnung wichtig. Knoll begrüßte die Ansiedlung der digitalen Volksanwaltschaft bei der allgemeinen Volksanwaltschaft. Die Einrichtung sei z.B. für das Arbeitsleben wichtig, wenn z.B. ein Facebook-Eintrag eine Anstellung verhindere.

Myriam Atz Tammerle (STF) lobte die geplante finanzielle Unterstützung für Eltern, die ihre Kinder daheim betreuen. Zu den Beiträgen für Tourismusvereinigungen fragte sie nach dem Grund für die Streichung der Einreichefrist. In einem Artikel sei von einem “Totem” die Rede, aber man verstehe nicht, dass damit ein Spielautomat gemeint sei. Sie fragte auch, wie streng man das Verbot umsetzen wolle.

Walter Blaas (Freiheitliche) kritisierte die Unterbringung von Fachartikeln in einem Haushaltsgesetz. Er sprach sich für einen Gesundheitsfonds für die öffentlich Bediensteten aus, das sei kein Privileg, das gebe es auch in der Privatwirtschaft. Die Ad-hoc-Bestimmung zu den Rückerstattungen sei glücklicherweise im Ausschuss gestrichen worden. Eine Überschreitung des staatlichen Limits von 240.000 Euro bei den Ärzten sei nicht gerechtfertigt und würde in Rom auch nicht Bestand haben. Das Südtiroler Mineralwasser habe Topqualität und sollte von den Abfüllbetrieben auch dementsprechend bezahlt werden. Eine Sanierung von Deponien sollte nicht auch die Möglichkeit einschließen, auf dem Areal Obst anzubauen. Aus dem Haushalt sei ein Omnibusgesetz geworden, daher brauche man sich auch nicht über den Rattenschwanz an Tagesordnungen dazu wundern.

Brigitte Foppa (Grüne) kritisierte ebenfalls das Omnibusverfahren bei einem Haushalt. Man beobachte in dieser Legislaturperiode auch, dass gerade und in aller Eile verabschiedete Gesetze kurz darauf wieder nachgebessert werden müssten. Foppa begrüßte die Novellierung des Weiterbildungs- und des Bibliotheksgesetzes und auch die Rückerstattung der Studiengebühren auch außerhalb des deutschen Sprachraums. Die Reform der Schulämter habe einschneidende Auswirkungen und hätte ein eigenes Gesetz verdient, dann hätte man das wichtige Thema auch besser vertiefen können. Während der Schulamtsleiter gemäß Statut ernannt werde, werde der Bildungsdirektor nun eine Vertrauensperson der Landesregierung sein – ein großer Unterschied.

Bernhard Zimmerhofer (STF) verwies auf die Wasserknappheit in Italien und demgegenüber auf den Überfluss in Südtirol. Vor diesem Hintergrund seien die derzeitigen Gebühren für Mineralwasser läppisch. Bei einer Erhöhung bleibe die Gewinnspanne noch hoch genug, die Konzessionäre sollten den Bogen also nicht überspannen. Der Kombiverkehr werde immer noch zu wenig genutzt, meinte Zimmerhofer und verwies auf entsprechende Vorhaben für Grasstein.

Josef Noggler (SVP) bezeichnete es als unverständlich, dass man ein ausgehöhltes und nutzloses Gesetz hernehme, um den Gratisstrom zu regeln. Das Gesetz Nr. 18/1972 regle diesbezüglich bereits alles, es wäre nur zu erneuern. Das Trentino verteile bereits seit Jahren Gratisstrom an öffentliche Einrichtungen, das Aostatal an die Familien. Noggler kündigte Änderungsanträge zum entsprechenden Artikel an. Nutznießer sollten in erster Linie die Familien sein. Zu den Rückerstattungen stellte Noggler in Abrede, dass die beiden Antragsteller die Unwahrheit gesagt hätten. Hier wäre eine Verjährungsfrist gerechtfertigt, wie es sie auch in anderen Bereichen gebe. Bei den genannten Martellern handle es sich um zwei Gastbetriebe, die regulär angesucht hätten, um Strom für den Betrieb produzieren zu können. Es habe sich erst nachträglich, nach vielen Jahren, herausgestellt, dass sie nur auf 30 statt 80 Prozent der anerkannten Kosten Anrecht gehabt hätten – ein Fehler des Beamten und nicht der Antragsteller.

Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) kritisierte die Aussagen Pöders gegen die Landwirte, die sich solche Angriffe nicht verdient hätten. Viele Betriebe hätten in den letzten Jahren aufgegeben. Auf die Landwirtschaft baue in Südtirol vieles auf, Pöder hätte wenigstens differenzieren sollen anstatt einen Rundumschlag zu starten. Hochgruber Kuenzer sprach sich schließlich gegen die Schließung oder Zusammenlegung von Schulen im ländlichen Raum an.

LH Arno Kompatscher erläuterte die Verwendung der Mehreinnahmen. Der hohe Betrag für den Rotationsfonds (57 Mio.) rechtfertige sich dadurch, dass es dafür große Nachfrage gebe – immerhin sei ein guter Teil der Wirtschaftsförderung auf diesen übertragen worden. 16,5 Mio. seien für die neuen Bestimmungen im Begleitgesetz vorgesehen, etwa die Integrationslehrer, die Basis- und die Jungärzte, die Breitbandanbindung u.a. Die Gelder von der Region seien ein Kredit, es gebe dafür auch einen Rückzahlungsplan. Die Region werde dann die zurückerhaltenen Mittel dazu verwenden, um auch den Südtiroler Anteil für Rom zu zahlen. 68 Mio. würden einstweilen im Reservefonds landen, weil man sie noch nicht zuweisen könne – dazu müsse man erst warten, bis der Haushalt der Region in Kraft sei. Für die Landwirtschaft gebe es nicht zusätzliche Mittel, man stocke auf das Niveau von vorher auf. Kompatscher informierte die Abgeordneten auch über den Stand der Dinge für verschiedene Eisenbahnprojekte: Virgltunnel, Linie Bozen-Meran, Riggertalschleife, Knoten Brixen, Elektrifizierung der Vinschgerbahn, Verlegung des Bahnhofs Bozen – bei allen lasse sich der Zeitraum abschätzen. Noch offen sei die südlichere Zulaufstrecke zum BBT, hier sei man noch am Anfang. Die Finanzierung der Rola sei von der Region auf die beiden Provinzen übertragen worden, man müsse aber eine genügend lange Strecke sicherstellen, damit die Ruhezeiten eingehalten werden könnten. Die Autobahngesellschaft werde in Zukunft nicht nur für die Autobahn zuständig sein, sondern für ein ganzes Verkehrssystem. Auf der Brennerstrecke solle auch die Eurovignette eingeführt werden, erklärte Kompatscher und kündigte einen Verkehrsgipfel für Herbst an.

LR Richard Theiner ging auf den Fall der Marteller Gastwirte ein. Der Beitrag wurde nicht wegen eines landwirtschaftlichen Betriebes gewährt, sondern zur Versorgung des Gastbetriebes und weil dieser nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen war. Es sei nirgends im Gesuch eine falsche Tatsache angeführt worden. Später habe ein weiterer Gastwirt ebenfalls 80 Prozent der anerkannten Kosten rückerstattet bekommen, erst ein dritter habe nur mehr 30 Prozent bekommen und den Fall ins Rollen gebracht. Aber von erschlichenen Beiträgen könne nicht die Rede sein. Zum Gratisstrom erklärte Theiner, er habe nie in Aussicht gestellt, dass den Bürgern die Stromrechnung erlassen werde. Sehr wohl aber wolle man den Vorteil an die Bürger weitergeben. Wie das genau geschehen solle, werde man noch überlegen, heute werde nur die rechtliche Grundlage geschaffen. Theiner bestätigte, dass für einige Mineralwasserkonzessionen keine Gebühr gezahlt werde, und das auf Grundlage eines Gerichtsurteils. Nun schaffe man die Voraussetzung für eine deutliche Erhöhung.

LR Philipp Achammer erinnerte daran, dass man bei der Förderung des Tirolerheims immer anteilsmäßig nach Zahl der Südtiroler Studierenden gezahlt wurde, das sei auch die Forderung des Heims gewesen. Es wäre schwierig, im Gesetz einen davon unabhängigen Prozentsatz zu begründen. Zu den Schulämtern erklärte er, dass auch bisher der Schulamtsleiter nicht automatisch Ressortdirektor sei. Daher sei auch die politische Nominierung des Bildungsdirektors folgerichtig; er müsse aber eine ausgewiesene Kompetenz im Bildungs- und im Managementbereich haben. Mit der Reform des Ressorts werde die Zahl der Abteilungen und Ämter reduziert.

Auf Antrag von Dieter Steger wurden die Arbeiten für eine Beratung der SVP-Fraktion über die bisher eingereichten Tagesordnungen (25) unterbrochen.

Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.

Von: mk

Bezirk: Bozen