Von: mk
Bozen – Heute Vormittag hat der Landtag die Debatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 46/20: Änderung des Landesgesetzes vom 23. April 2014, Nr. 3, „Einführung der Gemeindeimmobiliensteuer (GIS)“ (vorgelegt von den Abg. Faistnauer, Köllensperger, Ploner A., Ploner F., Rieder und Unterholzner) wieder aufgenommen. Dieser Gesetzentwurf will den Gemeinden die Möglichkeit einräumen, den GIS-Hebesatz um bis zu fünf Prozentpunkte erhöhen, um z.B. die Besitzer von leerstehenden Zweitwohnungen zum Vermieten zu animieren.
Der Gesetzentwurf war gestern vom Einbringer Peter Faistnauer (Team K) vorgestellt worden. Heute berichtete Vorsitzender Helmuth Renzler von den Arbeiten im III. Gesetzgebungsausschuss, der zum Entwurf ein negatives Gutachten abgegeben hat (vier Ja, vier Nein).
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) befürwortete den Gesetzentwurf. Dieser gebe den Gemeinden eine bessere Möglichkeit, etwas gegen leerstehende Wohnungen zu unternehmen. Es sei eine Möglichkeit, keine Pflicht. Vor allem für Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen wäre dies ein gutes Instrument, z.B. für Bozen, wo ein bekannter Bauunternehmer viele Wohnungen leer lasse. Die Besteuerung sei das Instrument, das am besten der Marktlogik entspreche, auch wenn es andere Instrumente gäbe, z.B. die Pflichtübertragung ans WOBI nach bestimmten Jahren Leerstand, wie es in anderen europäischen Städten diskutiert werde. Im Ausschuss habe die Landesregierung auf eine Neuregelung der GIS vertröstet, während der Rat der Gemeinden in jedem neuen Gesetz, zumindest einem von der Opposition, mehr Bürokratie sehe. In der Wohnbauförderung gebe es seit langem nichts Neues, während die Wohnungen immer unerschwinglicher würden.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) teilte den Ansatz Faistnauers, hätte selbst aber eine Erhöhung auf 1,2 oder zwei Prozent vorgeschlagen. 5,76 Prozent seien viel, aber es sei für die Gemeinden eine Möglichkeit, keine Pflicht. Man werde den Gesetzentwurf mittragen, aber man dürfe sich nicht auf diese Maßnahme beschränken, um leistbares Wohnen zu ermöglichen. Man sollte einmal berechnen, wie die Gutachten des Rates der Gemeinden zu den Gesetzentwürfen der Opposition und zu jenen der Mehrheit ausfallen, meinte Leiter Reber. Der Rat der Gemeinden sollte in seinen Entscheidungen unpolitisch sein.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) sah im Gesetzentwurf einen ideologischen Ansatz: Mehr Steuern auf leere Wohnungen. Ein sehr sozialistisches Konzept, wonach das Eigentum von der öffentlichen Hand bestraft werden könne, ein öffentlicher Eingriff in die Entscheidungen der Eigentümer. Das Haus sei das wichtigste Gut einer Familie, ihr erstes Ziel. Auch eine Zweitwohnung sei eine wichtige Investition, als Vermögen, als spätere Wohnung für die Kinder usw. Der Gesetzentwurf bedeute im Grunde eine Erbschaftssteuer. Anstatt das Eigentum zu bestrafen, sollte man schauen, dass alle zu ihrer Wohnung kommen, und das zu einem Preis, der den Lebenshaltungskosten entspreche, was heute nicht geschehe, weil die Preise von den Landesbeiträgen belastet seien. Viele würden eine Wohnung leer lassen, weil sie später von den Kindern gebraucht würden, viele, weil sie schlechte Erfahrungen mit den Mietern hatten.
Franz Locher (SVP) erinnerte an die lange Diskussion bei der Einführung der ICI, die als Einnahmequelle für die Gemeinde gedacht war. Später habe sich als Grundlinie durchgesetzt, die Erstwohnung möglichst von der Steuer zu befreien. Die Gemeinden würden das ganz unterschiedlich handhaben, das hänge auch von ihrer Wirtschaftsstruktur ab. Tourismushochburgen seien da im Vorteil. Er sei für die Gemeindeautonomie, aber meist werde im Gemeinderat aus politischen Gründen über den Hebesatz entschieden, oft vor den Wahlen. Daher wären klare, einheitliche Regeln nützlich, mit einem gewissen Spielraum für die einzelnen Gemeinden.
Hanspeter Staffler (Grüne) verwies auf Schätzungen, wonach es in Südtirol zwölf Prozent Leerstand gebe, rund 30.000 Wohnungen. Einige davon seien leer wegen Instandhaltungsarbeiten. Andere seien leer, weil die Besitzer auf steigende Preise spekulierten – und diese Rechnung gehe seit Jahrzehnten auf. Dann gebe es noch Leerstand aus anderen Gründen. Nach internationalen Kriterien liege Südtirol nahe am extremen Leerstand von 15 Prozent. Urzì stelle eine falsche Rechnung auf: Der Preis hänge von Angebot und Nachfrage ab. In Südtirol würden viele Wohnungen gebaut, aber mehr für den Tourismus als für den geförderten Wohnbau.
Es gehe nicht darum, das Privateigentum in Frage zu stellen, sondern das öffentliche Interesse zu wahren, erklärte Paul Köllensperger (Team K), und dazu gehöre es, den Leerstand abzubauen. In Bozen stünden hunderte Wohnungen leer, viele davon gehörten einem bekannten Bauunternehmer. Seine Fraktion habe bereits vorgeschlagen, das WOBI in dieser Frage einzusetzen, aber das sei abgelehnt worden, wie wahrscheinlich auch dieser Gesetzentwurf.
Waltraud Deeg (SVP) verwies auf hohe Preissteigerungen während der Pandemie in Deutschland, sieben bis 25 Prozent, vor allem im ländlichen Raum, weil der Lockdown dort erträglicher sei. Ein Grund sei auch die Angst vor der Inflation und die Flucht in eine sichere Investition. Südtirol habe wegen der Grundknappheit eine besondere Situation, und es gebe Nachfrage von außen. Die Preise würden auch hier steigen, aber dank der Investitionen des Landes weniger al in anderen Regionen des Alpenraums. Es gebe nicht nur eine Lösung, es brauche mehrere Ansätze. Vieles, das in Berlin jetzt breit diskutiert werde, gebe es in Südtirol schon: Landesmietzins, Konventionierung, Wohnbauförderung usw. In Innsbruck stehe die Leerstandserhebung ganz oben auf der Prioritätenliste, aber wie man mit den Leerständen umgehe, sei immer noch nicht gelöst. Der Steuerdruck funktioniere nicht. Sie wäre dankbar für weitere Vorschläge, die allerdings nicht in das Eigentum der Menschen eingreifen sollten.
Das Ziel der erschwinglichen Wohnungen werde wohl von allen geteilt, meinte Gert Lanz (SVP). Man müsse sich auf ein Maßnahmenpaket einigen, eine Richtung, die Steuererhöhung um 5 Prozent, sei zu wenig. Das neue Raumordnungsgesetz sehe die Möglichkeit vor, von der Baukostenabgabe abzusehen, aber wenige Gemeinden würden das nützen. Eine andere Möglichkeit seien die Beiträge, aber man müsse sich fragen, ob sie zur Preissteigerung beitragen. Es brauche einen Mix von Maßnahmen, das Thema bedürfe noch der Vertiefung. Das müsse in den nächsten Monaten erfolgen, denn die Pandemie habe die Voraussetzungen wieder geändert. Wer der Mehrheit vorwerfe, sie lehne die Vorschläge der Opposition immer ab, müsse sich auch fragen, wie man zur Mehrheit werde.
Auch wenn es nicht zur Annahme des Entwurfs komme, so sei die Debatte interessant und nützlich, erklärte LH Arno Kompatscher. Auch in der Landesregierung gehe nicht jeder Vorschlag durch. Die Besteuerung sei ein Instrument, das zur Lösung beitragen könne, aber nicht die heilbringende Lösung. Neben der Nachfrageförderung, den Beiträgen, werde man auch die Angebotsseite angehen, durch urbanistische Maßnahmen, aber auch durch Besteuerungsmaßnahmen. Die alleinige Anhebung von Steuersätzen greife zu kurz, das sage auch der Rat der Gemeinden. Die Land sei bei der Erstellung der Maßnahmen auf der Zielgeraden, dazu gehöre auch eine höhere Besteuerung in bestimmten Fällen. Aber die Besteuerung eines Baugrundes sei eine komplexe Sache, da es für Verzögerungen unterschiedliche Gründe geben könne. Mit dem Haushaltsgesetz werde man ein Maßnahmenpaket vorlegen, das 2022 greifen werde.
Peter Faistnauer (Team K) betonte, dass sein Vorschlag mit dem Raumordnungsgesetz kompatibel sei und dass es keine “sozialistische” Maßnahme sei. Wohnen sei ein Grundbedürfnis, deshalb gehe es hier nicht um die Erstwohnung, sondern um den spekulativen Leerstand. Er erinnerte an den Vorschlag des Team K, das WOBI als Garanten für die Bezahlung der Miete einzusetzen. Maßnahmen würden seit zweieinhalb Jahren versprochen, aber nicht sei bisher geschehen. Er bezweifle auch, dass die Landesregierung das Maßnahmenpaket zum versprochenen Termin geschnürt haben werde. Die Besteuerung sei nur eine Maßnahme, aber es gebe keinen Grund, sie nicht schon jetzt einzuführen. Niemand habe behauptet, sie sei das Allheilmittel. Er schlage übrigens nur eine Höchstgrenze vor, nicht einen Pflichthebesatz. Der Übergang zur Artikeldebatte – und damit der Gesetzentwurf – wurde mit 15 Ja und 18 Nein abgelehnt.