Von: mk
Bozen – Die Süd-Tiroler Freiheit hat heute im Landtag ein „heißes Eisen“ aufgegriffen. Die Bewegung forderte, dass Politikerlöhne und -renten durch den Südtiroler Landtag geregelt werden. Auch ein Sonder-Ausschuss soll dafür eingerichtet werden. Ein Punkt des Antrags wurde in der heutigen Landtagssitzung genehmigt.
Sven Knoll legte dar, dass in regelmäßigen Abständen öffentliche Diskussionen darüber entstehen, wie viel ein Abgeordneter zum Südtiroler Landtag verdienen soll und darf. Für Außenstehende ist dabei nur schwer nachzuvollziehen, wie sich das Gehalt der Abgeordneten zusammensetzt, was davon versteuert werden muss, welche Beträge davon für Pensionseinzahlungen und Versicherungen abgezogen werden, welche Abgaben damit getätigt werden müssen und wie viel somit als Real-Lohn den Abgeordneten zur Verfügung steht, der wie oft ausbezahlt wird. Seit der Verfassungsreform von 2001 werden die Abgeordneten nicht mehr als Regionalräte, sondern als Landtagsabgeordnete gewählt. Nichtsdestoweniger erfolgt die Entlohnung der Abgeordneten beider Landtage jedoch noch immer über die Region. In den letzten Jahren hat sich mehrfach gezeigt, dass es sehr schwierig ist, im Regionalrat zu einer Einigung betreffend der Politiker-Gehälter und Renten zu kommen. Die Materie der Entlohnung der Abgeordneten darf daher nicht länger vom Regionalrat verwaltet werden. Der Südtiroler Landtag muss endlich selbst die finanzielle Verantwortung für die eigenen Abgeordneten übernehmen und eine neue und saubere Regelung treffen. Zu berücksichtigen ist auch, dass diejenigen, die vor der Wahl Beamte waren, ihren Arbeitsplatz behalten und weiterhin Rentenbeiträge ansparen, während die Selbstständigen diese Beiträge aus eigener Tasche zahlen müssen. Die Gehälter sollten nicht willkürlich oder automatisch an die Inflation angepasst werden, sondern an klar definierte Richtlinien gebunden sein. Schließlich sollte die indirekte Finanzierung der Parteien von den Gehältern der Abgeordneten getrennt und geregelt werden. Daher fordert der Abgeordnete (1) Der Südtiroler Landtag spricht sich für die Übertragung der Zuständigkeit der Löhne und Renten der Landtagsabgeordneten an den Südtiroler Landtag aus. (2) Der Südtiroler Landtag beauftragt das Landtagspräsidium, die hierfür notwendigen Schritte – innerhalb der kommenden sechs Monate – in die Wege zu leiten. (3) Der Südtiroler Landtag beauftragt den Landtagspräsidenten, nach der Übertragung der Zuständigkeit einen Sonder-Ausschuss einzurichten – dem Vertreter aller Landtagsklubs angehören – um die Materie der Politiker-Gehälter und Renten transparent zu regeln. “Wir sollten keine Angst vor einer Debatte zu diesem Thema haben, denn Demokratie kann nicht nur etwas kosten, sondern muss etwas kosten”, so Knoll abschließend.
Ulli Mair (Die Freiheitlichen) drückte ihre Zustimmung aus und erinnerte daran, dass ihre Fraktion bereits 2014 einen Beschlussantrag mit demselben Inhalt vorgelegt hatte, der mit 27 Stimmen angenommen worden war: Sie fragte daher, was daraus geworden sei. Eigentlich hätten die Punkte (1) und (2) bereits gelöst sein müssen. Sie fragte weiter, ob ein Gutachten in Auftrag gegeben worden sei und forderte eine transparente Diskussion zu diesem Thema.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) lud dazu ein, das große Ganze zu sehen, und zu bedenken, dass sich der Regionalrat aus den beiden Landtagen zusammensetzt. Sie werden zwar schon nach unterschiedlichen Modalitäten gewählt, was durch das Autonomiestatut geregelt wird. Es wäre jedoch paradox, wenn es in ein und demselben Gremium, sprich, dem Regionalrat für ein und dieselbe Funktion unterschiedliche Vergütungen gäbe. Eine Andersbehandlung würde nur zu Unklarheiten, Missverständnissen und einem negativen Klima führen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies darauf hin, dass seit der Verfassungsreform, die Form der Regierung der Provinzen diesen selbst untersteht samt der wirtschaftlichen Behandlung. Zwar wäre eine Andersbehandlung beschämend, aber mit den Kollegen aus dem Trentino lässt sich eine Einigung finden. Die beiden Landesregierungen haben bereits eine unterschiedliche Vergütung, da die Bezüge per Landesgesetz festgelegt werden. Wie Mair erinnerte auch er daran, dass es bereits eine Abstimmung zu diesem Thema gegeben habe, und sprach von technischen Schwierigkeiten, zum Beispiel in Bezug auf den Pensionsfonds, und von politischen Schwierigkeiten, die Anpassungen erforderten. Er wird den Antrag unterstützen.
Helmuth Renzler (SVP) wies darauf hin, dass es nicht stimmt, dass öffentlich Bedienstete ihren Arbeitsplatz behalten und private nicht. Sie haben die gleichen Rechte, einschließlich der Zahlung von Rentenbeiträgen. Es ist richtig, dass Arbeitslose oder diejenigen, die einen befristeten Vertrag haben, selbst Beiträge zahlen müssen. Die Beiträge werden auch nur dann gezahlt, wenn die Tätigkeit ausschließlich ausgeübt wird, d.h., wer neben der Tätigkeit als Abgeordneter eine weitere Tätigkeit ausübt, bekommt von der Region keine Beiträge. All dies muss diskutiert werden, und es gibt steuerliche Fragen zu klären, und im Moment ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Gerhard Lanz (SVP), der eine getrennte Abstimmung über die drei Punkte beantragte, stellte ebenso den Antrag, im Absatz 3 die Formulierung “nach der Übertragung der Zuständigkeit” zu streichen. Klarer und transparenter als jetzt kann man den Sachverhalt nicht regeln. Wenn man nicht davon überzeugt ist, dass Politik einen gewissen Wert hat, dass sie Kosten haben kann und muss und, dass die Finanzierung geregelt werden muss, kann man keine Debatte führen, weil man sonst am Ende politische Vorwürfe austauscht.
Schon heute gebe es zwei Gesetze, die die Gehälter der Abgeordneten regeln, ein regionales Gesetz und ein Landesgesetz, sagte Paul Köllensperger (Team K). Dazu komme die Frage der Pensionen. Wie Lanz sagte, sollte das Thema nicht als politische Waffe eingesetzt werden. Die Punkte (1) und (2) könnten umgesetzt werden, und Team K ist für eine Verwaltung auf Landesebene, es wäre interessant, Punkt (3) vorzuziehen. Demokratie kann Kosten haben.
Landtagspräsident Josef Noggler stellt klar, dass das, was gefordert wird, bis auf Punkt (3) bereits erfüllt ist. Seit 2001 gehören die Abgeordneten zum Land, und seit 2018 werden die Wahlen auf Landesebene geregelt. Wie bei diesem Gesetz müssen auch die Vergütungen nicht mit dem Regionalrat abgestimmt werden. Die Grundlage ist derzeit das Regionalgesetz, aber die Gehälter der Regierung sind anders. Bereits vor Weihnachten 2019 hatte er als Landtagspräsident einen Gesetzentwurf zum Thema im Kollegium der Fraktionsvorsitzenden eingebracht, mit der Bitte, sich Anfang 2020 mit eventuellen Änderungen zu befassen. Die Pandemie hat die Arbeiten dazu unterbrochen, aber es gibt keinen Zweifel, dass der Landtag die Kompetenz hat. Noggler wies den Vorwurf in den Prämissen zurück, dass das Thema immer wieder vertagt worden sei, die Parteienfinanzierung sei bereits im Kollegium der Fraktionsvorsitzenden diskutiert worden, und es wurde auch ein Gutachten beim Rechtsamtes eingeholt, gemäß dem diese Finanzierung nicht mitaufgenommen werden kann. Seitens des Trentino bestehe die Bereitschaft, das Problem gemeinsam anzugehen, eine Vollmacht der Provinz Trient sei aber nicht notwendig. Jeder, auch Knoll, kann einen Gesetzesentwurf einreichen. Er ist für Punkt (3) offen.
Knoll machte deutlich, dass es wichtig sei, das Thema für die Zukunft zu diskutieren und eine Lösung zu finden, auch im Hinblick auf die Parteienfinanzierung: “Die Politik kann eine Lösung finden. Transparenz und Kommunikation zu diesem Thema sind notwendig, weil die Bürger nicht verstehen, wie das System funktioniert, auch aufgrund dessen, was die Medien verbreiten, und um den Menschen klar zu machen, dass bestimmte Strukturen, wie z. B. Parteistrukturen, für die Demokratie unverzichtbar sind.”
Präsident Noggler bekräftigte, dass die Zuständigkeit bereits beim Landtag liege, und erinnerte an die Genehmigung des Antrags der Freiheitlichen vom 3.04.2014. Über den Antrag wurde getrennt abgestimmt. Die Prämissen wurden mit zehn Ja, 21 Nein und vier Enthaltungen abgelehnt, ebenso Punkt (1) und Punkt (2) mit 13 Ja und 22 Nein. Punkt (3) wurde ohne den Teilsatz “nach der Übertragung der Zuständigkeit” mit 24 Ja, einem Nein und zehn Enthaltungen angenommen.
Behandelt wurde im Landtag außerdem der Beschlussantrag Nr. 410/21: Bündelung der Sozialleistungen (eingebracht von der Abg. Mair am 08.03.2021). Ulli Mair (Die Freiheitlichen) stellte den Antrag vor. Den Südtiroler Familien und Bürgern wurden im vergangenen Jahr über 380 Millionen Euro an sozialen Leistungen ausbezahlt. Allein für die steuerfinanzierte Pflege fallen jährlich weit über 200 Millionen Euro an, 2020 waren es 246,67 Millionen – Tendenz steigend. 69,89 Millionen Euro gingen als direkte finanzielle Leistungen an die Familien und weitere 26,7 Millionen Euro wurden für Sonderleistungen vorgesehen. 44,9 Millionen Euro entfielen im Jahr 2020 auf die regulären Leistungen der finanziellen Sozialhilfe. Rund 32,5 Millionen Euro an Landeskindergeld und 33,6 Millionen Euro wurden in Form des Landesfamiliengeldes ausbezahlt. Ein weiterer großer Posten ist die Grundsicherung, das so genannte soziale Grundeinkommen. Im Laufe der Jahre wurde aufgrund zahlreicher Einzelmaßnahmen der Gesamtblick getrübt. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Sozialleistungen des Landes und des Staates überschneiden. Tatsache ist, dass aufgrund der anhaltenden Pandemie immer mehr Bürger armutsgefährdet sind, da sich die Folgen auf die gesamte Wirtschaft niederschlagen. In Südtirol soll es sich um rund 35.000 Haushalten handeln, die derzeit entweder unter der absoluten oder der relativen Armutsgrenze leben. Es bedarf einer Bündelung der verschiedenen Sozialleistungen und einer Reorganisation des gesamten Fördersystems, um die Effizienz und die Treffsicherheit zu verbessern. Die Abgeordnete fordert die Landesregierung daher auf, innerhalb des laufenden Haushaltsjahres den Landessozialplan zu verabschieden und damit das Sozialwesen grundsätzlich zu reformieren, indem der vom Autonomiestatut vorgesehene Spielraum voll ausgenutzt, den neuesten Entwicklungen Rechnung getragen wird und alle Sozialleistungen des Landes, der Region und des Staates gebündelt werden. Mair fügte hinzu, dass das Land jedes Mal, wenn der Staat eine Sozialleistung vorschlägt, den Mut haben sollte, zu sagen “das machen wir”, um ständige Überschneidungen zu vermeiden.
Brigitte Foppa (Grüne) unterstützte den Antrag und verwies auf eine kürzlich stattgefundene Tagung zu diesem Thema mit Referenten aus dem Bereich und hielt es für notwendig, den Handlungsspielraum der Autonomie voll auszuschöpfen, ein Ansatz, der im sozialen Bereich niemals aufgegeben werden sollte. Außerdem sollte es eine zentrale Anlaufstelle für Informationen geben, um insbesondere Menschen in schweren Krisen zu unterstützen. In der Tagung wurde gesagt, dass sich das Sozialsystem an die Bedürfnisse der Menschen anpassen muss, nicht umgekehrt, und das Sozialsystem ist zurzeit nicht inklusiv. Im 4. Gesetzgebungsausschuss, der für dieses Thema zuständig ist, gab es bisher wenig zu tun, was die mangelnde Aufmerksamkeit für die Sozialpolitik verdeutlicht.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) stimmte der Notwendigkeit zu, das Sozialsystem zu reformieren, kritisierte aber das Grundeinkommen: In den Prämissen heißt es, es habe wenig Resonanz gehabt und Draghi wolle es überarbeiten, aber in der Pressekonferenz vom 19. März mit Minister Orlando und dem Präsident des NISF Tridico, hat Draghi es als eine soziale Errungenschaft von großer Bedeutung bezeichnet und die Erhöhung der entsprechenden Mittel und Beiträge angekündigt, mit einer Überprüfung der Dauer und der Begrenzung auf 10 Jahre für Einwanderer. Bei der um ein Jahr verschobenen einmaligen Kinderzulage gibt es eine Entwicklung hin zu einer Bündelung der Sozialleistungen.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) bedankte sich bei Mair für den Antrag und betonte die Wichtigkeit der Ausarbeitung des Landessozialplans, der aber neue Strategien für die Zukunft enthalten müsse. Die Sozialleistungen müssen so ausgearbeitet werden, dass sie Sicherheit und ein gezielteres Handeln garantieren, denn die Mittel werden weniger. Es wäre jedoch zunächst notwendig, die Lohn- und Arbeitspolitik und die Wohnsituationen zu optimieren, damit immer weniger Sozialleistungen benötigt werden.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) bezog sich auf die vorgeschlagene Bündelung von Provinz-, Regional- und Staatsdiensten und betonte, dass einerseits die Zuständigkeiten überprüft werden müssten und andererseits verstanden werden müsse, was der Gesamtnutzen der Bündelung sei, auch weil die Nutzer unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Landesrätin Waltraud Deeg sagte, sie sei stolz darauf, wie das Südtiroler Sozialsystem in der Krise funktioniert habe und bedankte sich bei den Mitarbeitern. In den letzten Jahrzehnten hat sich vieles getan, weil zu den Kompetenzen auch finanzielle Mittel hinzugekommen sind. Das Systems ist so aufgebaut, dass es hilft, wenn es Notsituationen gibt, und nicht, wenn ein ausreichendes Gehalt vorhanden ist. Die positiven Erfahrungen sollen in den Landessozialplan einfließen, ein programmatisches Dokument, an dem 300 Experten beteiligt waren, zu dem 5 Workshops abgehalten wurden und, das viele Themen umfasst, die auch im Antrag genannten werden. Beiträge für Familien sind keine Sozialleistungen, sie werden erbracht, weil man ihren Wert anerkennt. Was die von Nicolini erwähnte Entwicklung auf Staatsebene betrifft, so ist die Diskussion vertagt worden. Man will eine Bündelung, aber das kostet und auf Staatsebene fehlen die entsprechenden Mittel. Die Familienbeihilfe wurde von der Region auf das Land übertragen, aber staatliche Leistungen können nicht übertragen werden. In diesem Pandemiejahr ziehen die Menschen, wenn sie die Wahl haben, die Leistungen des Landes dem Grundeinkommen vor, weil sie vorteilhafter und unbürokratischer geregelt sind. Die Landesrätin sagte, sie sei bereit, im zuständigen Ausschuss zu berichten, und bemerkte, dass es nur wenige Gesetze zu diesem Thema gebe, weil es möglich sei, auch auf dem Verwaltungsweg Änderungen vorzunehmen.
Mair bekräftigte, dass das System zersplittert wurde und dass es, wo es möglich ist, zu Zusammenlegungen kommen sollte, wie es beim Pflegegeld und beim Begleitgeld geschehen ist. Sie nahm daraufhin das Angebot von Deeg an, dem Gesetzgebungsausschuss zu berichten, und sagte, sie sei an den Daten zu den Empfängern der sozialen Mindesteinkommen vor und nach der Krise interessiert. Der Antrag wurde mit 14 Ja, 17 Nein und drei Enthaltungen abgelehnt.