Von: apa
Das Expertengremium des Europarats zu Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Grevio) lobt in einem neuen Bericht die österreichischen Behörden für Schritte zur weiteren Anpassung der Gesetzgebung an die Anforderungen der Istanbul-Konvention. Grevio, das die Einhaltung der Konvention überwacht, stellte unter anderem fest, dass Österreich gut auf häufige Formen der Gewalt, wie frauenfeindliche Kommentare und Belästigung im Internet, reagiert habe.
Genannt wurden entsprechende Schulungsinitiativen und Gesetze, welche die Rechte der betroffenen Frauen in Strafverfahren “kontinuierlich stärken” würden. Der Bericht erschien sieben Jahre nach dem ersten Österreich-Bericht und konzentriert sich auf die Fortschritte in den Bereichen Schutz, Unterstützung und Gerechtigkeit für gewaltbetroffene Frauen. Positiv wurde auch das Gewaltschutzgesetz von 2019 hervorgehoben, mit dem sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen wieder eingeführt wurden und eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Täter häuslicher Gewalt umgesetzt wurde.
Grevio bemängelte jedoch, dass zwar das Annäherungsverbot inzwischen polizeiliche Betretungsverbote ergänzen, “jedoch benachrichtigen die Strafverfolgungsbehörden Kinderbetreuungsstätten und Schulen nicht systematisch darüber, wenn Kinder von diesen Schutzmaßnahmen umfasst sind.” Ebenso müsse in familienrechtlichen Verfahren nach häuslicher Gewalt mehr für die Sicherheit des nicht gewalttätigen Elternteils und dessen Kinder getan werden.
Der Bericht forderte zudem die Schulung von Familienrichtern und Familienrichterinnen sowie Gerichtssachverständigen hinsichtlich der Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder zu verbessern und erinnerte an die Verpflichtung, bei Entscheidungen über das Obsorge- und Besuchsrecht die Sicherheit von Gewaltopfern und ihren Kindern in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Es fehle bei der Richter- und Staatsanwaltschaft eine verpflichtende Fortbildung zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexueller Gewalt, und den Auswirkungen von Traumata auf Aussagen von Zeugen und Zeuginnen.
Der Bericht beklagte weiters die anhaltend hohe Zahl getöteter Frauen in Österreich, konzedierte jedoch den Behörden unter Hinweis auf Studien zu Femiziden ein Problembewusstsein. Grevio warnte unter Hinweis auf entsprechende Publikationen vor dem leichten Zugang zu gewalttätiger Online-Pornografie, den Kinder und Jugendliche mit ihren Smartphones hätten, die eine der Ursachen für sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen seien.
Als Gegenmittel wurden gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen für Eltern und Kinder sowie weitere Präventionsmaßnahmen empfohlen. Es gebe bereits einige positive Beispiele in Österreich, um dieses Thema anzugehen, beispielsweise ein Beratungsprogramm für junge Straftäter, die ein schädliches sexuelles Verhalten an den Tag legen, so Grevio.
Abschließend forderte das Expertengremium unter anderem weitere Maßnahmen bezüglich der Istanbul-Konvention sowie die Sicherstellung einer angemessenen langfristigen Finanzierung von NGOs, die gewaltbetroffene Frauen unterstützen. Zudem brauche es stärkere Bemühungen “zur Beseitigung von Vorurteilen, Geschlechterstereotypen und patriarchalischen Einstellungen in der österreichischen Gesellschaft” wie auch eine breite Teilnahme an Gewaltpräventionsprogrammen sichergestellt werden müsse.
Die Istanbul-Konvention wurde 2011 vom Europarat ausgearbeitet und soll einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Österreich ratifizierte die Konvention Ende 2013, mit August 2014 trat sie in Kraft. Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg kümmert sich um den Schutz der Menschenrechte und agiert unabhängig von der Europäischen Union.
“Es ist schön zu sehen, dass die zahlreichen Maßnahmen, die wir die letzten fünf Jahre im Gewaltschutz gesetzt haben, auch international anerkannt werden”, reagierte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). “So haben wir beispielsweise das Frauenbudget in den letzten Jahren auf 33,6 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Ein Großteil der Mittel wird für den Gewaltschutz eingesetzt. Außerdem haben wir die Gewaltschutzzentren ausfinanziert und in jedem politischen Bezirk eine Frauen- und Mädchenberatungsstelle eingesetzt sowie deren Förderungen seit 2019 um insgesamt 153 Prozent angehoben”, erinnerte die Ressortchefin.
Der Bericht zeige, dass die gesetzten Gewaltschutzmaßnahmen greifen, meinte auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne). “Ich freue mich, dass es uns Grünen gelungen ist, die Schwarz-Blauen Jahre des frauenpolitischen Stillstands, die tiefe Spuren hinterlassen haben, zu überwinden.” Der verbesserte Schutz vor Hass im Netz, die laufenden Verbesserungen von Unterstützungsangeboten für Betroffene von Gewalt – verwiesen wurde auf Ausbau und Stärkung der Prozessbegleitung – und die Schaffung medizinischer Einrichtungen für Gewaltbetroffene – die Gewaltambulanzen, die derzeit bundesweit ausgerollt werden – seien positiv hervorgehoben worden. “Als nächsten Schritt braucht es ein zeitgerechtes Familienrecht, mit starkem Fokus auf Gewaltschutz, Kinderrechten und modernen Familienbildern. Hier ist die ÖVP gefordert, die sich bis zuletzt gegen diese wichtige Reform verwehrt hat”, schloss Zadić.
SPÖ-Frauensprecherin und stv. Klubvorsitzende Eva-Maria Holzleitner sieht mit dem Grevio-Bericht “die Forderungen der Sozialdemokratie” bestätigt: “Jede Frau, die Gewalt erfährt, ist eine zu viel. Wir sind es Österreichs Frauen schuldig, alles zu tun, um sie bestmöglich zu schützen. Dafür brauchen wir endlich wieder einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz, der jedes Ministerium, jeden einzelnen Minister und jede Ministerin in die Pflicht nimmt”, wie das unter Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) der Fall gewesen sei. Der Bericht müsse eingehend im Parlament diskutiert werden, um die Umsetzung der Empfehlungen sicherzustellen.
(S E R V I C E – https://www.coe.int/en/web/istanbul-convention/grevio)