Opposition übt Kritik

Wirbel um Rettungseinsatz: “Oberste Priorität gilt immer der Personenrettung”

Mittwoch, 04. April 2018 | 17:36 Uhr
Update

Bozen – Der geschäftsführende Primar des Landesnotrufdienstes Ernst Fop hält bezüglich der rund um den Rettungseinsatz vom vergangenen Samstag im hinteren Passeiertal entstandenen Polemik fest, dass die oberste Priorität bei jedem Einsatz der Rettung der Verunfallten gilt.

Gleichzeitig achtet die Landesnotrufzentrale darauf, die eigenen zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich einzusetzen.

Ernst Fop: „Die Mitarbeiter der Einsatzzentrale arbeiten auf der Grundlage von genauen Ablaufprotokollen. Nur: In Einzelfällen ist es schwierig abzuschätzen, ob es besser ist, unseren Hubschrauber einzusetzen oder sofort einen auswärtigen hinzuzuziehen.“

“Konkret ging am Samstag ein Notruf über die Leitstelle Tirol bei der Südtiroler Notrufzentrale ein. Die Mitarbeiter beider Leitstellen haben in guter Zusammenarbeit gemeinsam den genaueren Einsatzort definiert und Südtirol hat anschließend den Einsatz übernommen. Der Notfall wurde unter Einhalten der in der Zentrale hinterlegten, vom Bergrettungsdienst unter Berücksichtigung der nationalen Vorgaben ausgearbeiteten Abläufe abgearbeitet. Demzufolge wurden zwei hiesige Rettungshubschrauber zu dem Notfallort geschickt. Die Patientin wurde innerhalb kurzer Zeit von der Crew eines der Rettungshubschrauber ausgegraben, war ansprechbar und wurde in das Zentralkrankenhaus nach Bozen geflogen. Diese Tatsache beweist die extreme Effizienz der Rettungskette”, heißt es in einer Aussendung.

Ernst Fop weiter: „Die Lage im hinteren Passeiertal am vergangenen Samstag war instabil. Die Verschütteten waren bei Lawinenwarnstufe vier unterwegs. Der Einsatz wird aktuell in der Rettungszentrale genauestens überprüft. Fakt ist, dass immer dann, wenn es notwendig ist, die Einsatzkräfte aus Nordtirol hinzugezogen werden. In dieser Hinsicht soll es keine Zweifel und keine Grenzen geben”.

BISHER

Am vergangenen Wochenende ist es zu einem Lawinenabgang mit mehreren Verschütteten in der Nähe des Timmelsjochs gekommen. Obwohl ein Rettungshubschrauber aus Nordtirol in nur drei Minuten am Unglücksort hätte sein können, wurde dies von der Südtiroler Rettungsleitstelle angeblich abgelehnt, wie die Süd-Tiroler Freiheit berichtet. Die Hilfe aus Südtirol soll dann erst nach knapp einer Stunde am Unglücksort eingetroffen sein. Die Süd-Tiroler Freiheit sowie die BürgerUnion verlangen Aufklärung über diesen Vorfall und mahnt eine bessere Zusammenarbeit der Rettungskräfte in ganz Tirol an.

“Die Kritik richtet sich dabei ausdrücklich nicht gegen die freiwilligen Rettungskräfte, die unter Einsatz des eigenen Lebens den verunglückten Bergsteigern zur Hilfe geeilt sind, sondern vielmehr gegen die behördliche Engstirnigkeit, für die eine willkürliche Staatsgrenze offenbar wichtiger ist, als das Wohl der Patienten”, betont die Bewegung.
Die Rettungsorganisation aus Nordtirol hat folgende Sachverhaltsdarstellung an die Südtiroler Landesregierung geschickt:

„Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Kompatscher!

… Am 31. März 2018 ging um 12.10 Uhr in Österreich ein Notruf über einen Lawinenabgang oberhalb der Timmelsalm ein, mit der Meldung Ganzkörperverschütteten eventuell mehrere Verschüttete. Da der Notfallsort eindeutig in Südtirol lag wurde der Einsatz um 12.15 Uhr an die Landesleitstelle Bozen übergeben, mit dem Hinweis, dass der ca. drei Flugminuten entfernte Notarzthubschrauber Martin 8 einsatzbereit sei und sofort entsendet werden könnte. Dieses Angebot wurde von der Landesleitstelle in Bozen abgelehnt und Südtiroler Rettungskräfte (Bergrettung und der Rettungshubschrauber Pelikan) alarmiert. Um 13.05 Uhr meldete sich die Leitstelle Bozen in Innsbruck und teilte mit, dass die Südtiroler Rettungskräfte zwar in der Nähe sind, aber aufgrund des starken Nebels von Süden her nicht zum Unglücksort kommen – von Norden her sieht das Wetter wesentlich besser aus. Die Leitstelle Innsbruck alarmierte um 13.07 Uhr Martin 8 – zu diesem Zeitpunkt waren seit dem Notruf bereits 57 Minuten verstrichen. Um 13.11 Uhr wurde Martin 8 storniert, da die Südtiroler Einsatzkräfte doch noch zum Lawinenhang gelangen konnten.

Es wurde eine vierköpfige Gruppe von einer Lawine mitgerissen, wovon zwei Personen verschüttet wurden. Eine verschüttete Person konnte sich selbst befreien. Eine deutsche Skitourengeherin war ca. eine halbe Stunde verschüttet, bis sie von ihren Begleitern befreit werden konnte. Ihre Körpertemperatur war bereits auf 33° gesunken, sie erlitt eine Lungenquetschung und Wirbelverletzungen – absolute Lebensgefahr! Nach der Bergung und Erstversorgung wurde die Patientin in das Landeskrankenhaus Bozen geflogen und nach einer Erstbehandlung in ein deutsches Krankenhaus verlegt. Aufgrund der näher zu hinterfragenden mangelnden Zusammenarbeit der Tiroler und Südtiroler Rettungseinheiten musste der Verschüttete zumindest eine Stunde auf die lebensrettende Hilfe warten, obwohl hochprofessionelle Hilfe angeboten wurde und innerhalb von längstens fünf Minuten beim Verschütteten hätte eintreffen können. Die Überlebenschancen bei einem Ganzkörperverschütteten sinken auf 34 Prozent ab, wenn der Verschüttete für einen Zeitraum von 18 bis 35 Minuten unter der Lawine liegt. Beiden Leitstellen war die Lebensgefahr der deutschen Touristen bekannt/bewußt! Es ist vollkommen unverständlich, warum die Leitstelle in Bozen das Angebot der Innsbrucker Leitstelle zur Entsendung des österreichischen Notarzthubschraubers trotz Lebensfahr ablehnte. Alle sprechen vom Wohl des Patienten, dieser fällt aber offenbar mangelhafter Zusammenarbeit zum Opfer bzw. muss über eine Stunde auf lebensrettende Hilfe warten. Im Sinne der Patienten ersuchen wir Sie, auf die Verantwortlichen im Südtiroler Rettungswesen dahingehend einzuwirken, Ländergrenzen abzubauen und eine intensive Zusammenarbeit in der Praxis zu verwirklichen. Für den Tourismus sind derartige Vorfälle mehr als kontraproduktiv – insbesondere dann, wenn in deutschen Medien über eine nichtfunktionierende Rettungskette in Tirol berichtet wird – da wird dann kein Unterschied zwischen Nord- und Südtirol gemacht.“

Die Süd-Tiroler Freiheit verlangt mittels einer Anfrage im Landtag nun Aufklärung über die Hintergründe dieses Rettungseinsatzes. Vor allem ermahnt sie aber die Landesregierung, die Zusammenarbeit der Rettungskräfte in ganz Tirol zu verbessern, damit zukünftig derartige Vorfälle nicht mehr passieren können. Das Wohl des Patienten sei wichtiger, als die Frage, von wo die Rettungskräfte kommen.

 

BürgerUnion: “Gilt Europaregion Tirol nur auf Sonntagsreden?”

Als lebensgefährlichen Beweis, wie wenig die Europaregion Tirol in den Köpfen der Landesregierung angekommen ist, wertet die BürgerUnion die Ablehnung Tiroler Hilfe beim Lawinenabgang auf der Timmelsalm durch die Landesnotrufzentrale Bozen. “Die Landesregierung preist die Europaregion auf Sonntagsreden, im Alltag werden jedoch Menschenleben aufs Spiel gesetzt, anstatt endlich die Grenzen aus unseren Köpfen zu bekommen und wirklich gesamt-tirolerisch zu arbeiten. Was sich die Notrufzentrale am Sonntag geleistet hat, ist politisch verwerflich und menschlich unverzeihlich,” schreibt der Parteiobmann-Stellvertreter der BürgerUnion, Dietmar Zwerger in einer Aussendung der Partei.

“Bekanntlich hat am Sonntag die Landesleitstelle in Bozen ein Angebot der Tiroler Flugrettung ausgeschlagen, welche in drei Minuten bei den Verschütteten gewesen wären, stattdessen wurde der Einsatz von Bozen aus von einem Hubschrauber geflogen, der den Patienten erst nach über einer Stunde erreicht hat. Hier wurde aus Kleinkariertheit mit dem Leben von Verunglückten gespielt. Die Landesregierung muss hier Konsequenzen ziehen. Solche Szenarien dürfen sich nicht wiederholen. In einem geeinten Europa, aber besonders innerhalb der Europaregion Tirol dürfen Grenzen bei Rettungseinsätzen keine Rolle mehr spielen. Leider sehen das unsere Beamten anders. Der Landeshauptmann ist aufgefordert, hier durchzugreifen und ein starkes Zeichen zu setzen,” so Zwerger weiter.

Die BürgerUnion hat nun im Südtiroler Landtag eine Anfrage zur Klärung des Sachverhaltes eingebracht. “Ebenso bereiten wir einen Beschlussantrag vor, in welchem wir die Zusammenarbeit der Rettungsdienste in der Europaregion Tirol stärken und forcieren wollen. Es geht hier nicht nur um die Europaregion Tirol, die wir weiterhin vehement vorantreiben, hier geht es um Menschenleben,” schließt Zwerger, selbst aktiver Feuerwehrmann, die Aussendung der BürgerUnion.

Von: luk

Bezirk: Bozen