Von: luk
Bozen – Am Nachmittag wurde die Debatte zum Landesgesetzentwurf Nr. 55/20: Allgemeine Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2019 und zum Landesgesetzentwurf Nr. 59/20: Allgemeine konsolidierte Rechnungslegung der Autonomen Provinz Bozen für das Haushaltsjahr 2019 (beide vorgelegt von der Landesregierung) im Landtag wieder aufgenommen.
Die Artikel der beiden Gesetzentwürfe wurden ohne Debatte genehmigt.
Beide Gesetzentwürfe wurden mit je 17 Ja, einem Nein und 13 Enthaltungen genehmigt.
Anschließend wurden der Nachtragshaushalt und die damit zusammenhängenden Bestimmungen behandelt: Landesgesetzentwurf Nr. 57/20: Nachtragshaushalt des Landes Südtirol für das Finanzjahr 2020 und für den Dreijahreszeitraum 2020-2022 und Landesgesetzentwurf Nr. 58/20: Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt der Autonomen Provinz Bozen für das Finanzjahr 2020 und für den Dreijahreszeitraum 2020-2022 (beide vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag des Landeshauptmannes).
Der Landeshauptmann erinnerte daran, dass die COVID-Krise alles geändert habe. Bereits mit dem Landesgesetz Nr. 3/20 habe man 300 Mio. für Antikrisenmaßnahmen vorgesehen, nun sei die finanzielle Deckung gekommen. Der Staat decke die Mindereinnahmen bei den staatlichen Steuern ab, rund 500 Mio., wobei man die genaue Zahl erst nächstes Jahr kennen werde. Der Staat strecke davon 370 Mio. vor, 70 mehr, als im Gesetz Nr. §/20 veranschlagt. Dazu kämen 200 Mio. weniger Verpflichtungen aus dem Garantiepakt und ein Haushaltsüberschuss von 470 Mio. – insgesamt 1,25 Mrd. Die Mindereinnahmen durch COVID würden auf 400 Mio. geschätzt, 71 Mio. seien Zusatzausgaben für Sanität und Zivilschutz. Die Beteiligung an der Sanierung des Staatshaushalts verringere sich auf 146 Mio., da die Region heuer einen Teil übernehme. Alles zusammen ergebe eine Summe von 1,25 Mrd., ein Teil davon sei aber bereits verbucht. Für neue Maßnahmen verblieben 261 Mio., davon 97 Mio. für neue COVID-Maßnahmen, 163 Mio. für die ordentliche Verwaltungstätigkeit, zum Teil zur Auffüllung von Haushaltskapiteln, die im ursprünglichen Haushalt zu gering dotiert waren. Zu den COVID-Maßnahmen gehörten die Abdeckung von Mindereinnahmen z.B. bei der Mobilität oder bei den Altersheimen (die niemanden mehr aufnehmen durften), die Aufstockung der finanziellen Sozialhilfe, die Finanzierung der Kinderbetreuung und der Extrakosten der Schule, die Unterstützung der Garantiegenossenschaften, zusätzliche Mittel für die Sportvereine, die Reduzierung der GIS, der unterstützte Zugang zu Krediten, der Verzicht auf Zahlungen. Von den 163 Mio. für ordentliche Tätigkeit gingen 32,8 Mio. in die neuen Kollektivverträge (u.a. für das Sanitätspersonal), wobei das nur die Dotierung für die Aufnahme der Verhandlungen sei. Für die Ticketbefreiungen würden 5,6 Mio. veranschlagt, weitere Beträge für Landesdomäne und Trauttmansdorff, Kultur, Museen, 36,4 Mio. für Familie und Jugend, 3,6 Mio. für Bildung, 3,4 Mio. für Solland Silicon (“was uns besonders ärgert”), 10,7 Mio. für Innovation und Forschung (Deckung der Verträge mit Eurac, Laimburg usw.), 4,7 Mio. Wirtschaftsmaßnahmen (Dienste der Handelskammer, kleine Skigebiete u.a.), 20 Mio. für die Seilbahnen (das Haushaltskapitel war bei 0), 19,5 Mio. für die Landwirtschaft (Kofinanzierung der EU-Förderung, Wasserleitungen und Straßen im Berggebiet).
Der Gesetzentwurf Nr. 58/20 enthält Bestimmungen zu Forschung und Innovation (z.B. Mietsenkung statt Mietbeiträge für Startups im NOI-Techpark, Finanzierung von Tagungen), Gemeindeimmobiliensteuer (bei der Begünstigung sollen auch Betriebe wie Campingplätze und Diskos berücksichtigt werden), Jagd (Informationspflicht), öffentlichen Veranstaltungen (Berücksichtigung der Tanzsäle, Vereinfachungen für Veranstaltungen im Freien), kleinen und mittleren Wasserableitungen (Abgeltung der Investitionen durch den scheidenden Konzessionär), Miet- und Konzessionszins der örtlichen Körperschaften (im Rahmen der De-Minimis-Grenze), Beiträgen an Tourismusorganisationen, Vereine u.a. für abgesagte Veranstaltungen, Verzicht auf den Zweisprachigkeitsnachweis bei Menschen mit Behinderung, Dienststelle für die Einhaltung der Sprachbestimmungen, Landesdenkmalamt (Wiedereinführung des “Landeskonservators”), Schulpersonal, Raumordnung (Leitung der Kommission, Zonen für Einrichtungen von öffentlichem Belang, einheitliche Berechnung der Kubatur), Stipendien, Schulfürsorge, Arbeitsmarkt, Eventveranstaltern, Hundehaltung (die DNA-Erhebung wird auf nächstes Jahr verschoben), Kinderbetreuung, Beschäftigung von Arbeitslosen, Wohnbauförderung u.a.
Die Grünen bemerkten, dass der Gesetzentwurf von 200 auf nunmehr 500 Ausgabenpunkte angewachsen sei, wobei die neueste Fassung erst heute ausgehändigt worden sei. So sei eine konstruktive Debatte nicht möglich. Von den 261 Mio. seien 36 Mio. erst in den letzten Wochen gefunden worden. Das meiste davon diene der Auffüllung von zu gering dotierten Kapiteln. Wenig nachgebessert worden sei beim Wohnbau und im Bereich Natur und Umwelt. Im Wohnbau könne man nur durch ein verbessertes Angebot auf die Preise einwirken. Arbeit und Wirtschaft seien im Nachtragshaushalt nicht oder fast nicht berücksichtigt. Die Wirtschaft sei allerdings schon beim COVID-Gesetz zum Zuge gekommen.
Die Summe im Nachtragshaushalt sei nicht wenig, bemerkte ein Vertreter der SVP. Zu Beginn der Krise habe man sich noch gesorgt, wie die Maßnahmen zu finanzieren seien, und auch an ein Darlehen gedacht. Von insgesamt 990 Mio. stünden nun 261 für neue Ausgaben zur Verfügung, die vor allem an Wirtschaft, Familien und Gemeinden gingen, und das sei gut so. 163 Mio. seien nicht COVID-bedingt. Die wirtschaftliche Deckung der Dienstleistungen müsse in Zukunft eine größere Rolle spielen, man könne nicht alles einfach so finanzieren. Im Herbst werde es mehr Arbeitslose geben, während man die Arbeitskräfte für die Landwirtschaft importieren müsse – hier wäre mehr Ausgleich nötig. Die Landwirtschaft sei bisher nicht so stark von der Krise betroffen worden, sie sei imstande gewesen, ihre Funktion als Lebensmittelversorger beizubehalten. Die Summen im Nachtragshaushalt für die Berglandwirtschaft würden in Infrastrukturen investiert, die allen zugutekämen. Die Landwirtschaft habe in dieser Krise einen wertvollen Beitrag geleistet. Bestimmte Aufträge sollte man über die Gemeinden abwickeln, damit z.B. der Schülertransport nicht an auswärtige Betriebe gehe.
Die Freiheitlichen erinnerten daran, dass es im Lande wochenlang einen Stillstand gegeben habe; vor diesem Hintergrund wirkten die Summen im Nachtragshaushalt schon kleiner. Man müsse schauen, dass die Unterstützung jenen zugutekomme, die sie auch bräuchten. Ein Teil der neuen Mittel, 254 Mio., seien direkt oder indirekt zurückzuzahlen. Lobenswert sei die Besetzung der neuen Stelle für Sprachbestimmungen. Ein kritischer Punkt sei die späte Ablieferung des definitiven Entwurfs, so bleibe den Abgeordneten keine Zeit, sich näher damit zu befassen.
Auch das Team K beanstandete die späte Lieferung. Der Nachtragshaushalt sehe Förderungen und Abfederungen in ziemlich allen Bereichen vor, und das sei richtig so. Es sei genauer zu schauen, wer alles von der Krise betroffen sei. Der Haushalt sei wieder ein Omnibus geworden, auch mit Änderungen zum gerade verabschiedeten Raumordnungsgesetz. Das Gesetz sollte eine Gleichbehandlung garantieren, stattdessen kämen stärkere Lobbys schneller zum Zug. Bei den Prämien für den Einsatz an der COVID-Front sei ebenfalls auf Gerechtigkeit zu setzen. Darüber hinaus sei in der Sanität und in der Pflege eine Aufwertung des Berufsbildes und eine angemessenere Entlohnung nötig. Die Prämien seien groß angekündigt, aber noch nicht ausgezahlt worden. Nicht nachvollziehbar sei die Entlohnung der Bezirksdirektoren nach Komplexität des Bezirks und nicht nach Erreichung der Ziele. Die Unterstützung der Kinderbetreuung durch die Gemeinden dürfe keine Kann-Bestimmung bleiben, die Genossenschaften hätten Ausgaben zu bestreiten. Die Bezahlung der Betreuerinnen sei endlich anzugehen. Viele COVID-Unterstützungen seien umständlich zu erhalten; vor diesem Hintergrund sei eine generelle Befreiung der Tourismusbetriebe von der GIS nicht nachvollziehbar. In manchen Gegenden sei schließlich gut gearbeitet worden. Vieles in diesem Gesetz werde an die Landesregierung delegiert, diese vertrete aber nur wenig mehr als die Hälfte der Bevölkerung.
Stellungnahmen von PD, Team K, SVP, Süd-Tiroler Freiheit und Freiheitlichen
Die Demokratische Partei – Bürgerlisten warf der Landesregierung mangelnde Transparenz vor. Viele Maßnahmen seien in einer Klausur beschlossen worden. Gerade wenn es um Maßnahmen gegen eine Krise solchen Ausmaßes gehe, brauche es eine Einbindung des Landtags. Dieser müsse wissen, was er genehmige. Die Landesräte hätten Auskunft geben können über die Bereiche, die sie betreffen. Es gebe viele offene Fragen, etwa zum Bibliothekszentrum, zur GIS-Befreiung, zur Green Mobility, zu den Dividenden der A22 und der Alperia usw. 2021 werde es voraussichtlich große Einschnitte geben, daher bräuchten die Abgeordneten mehr Details.
Die SVP legte Wert auf die Feststellung, dass nichts im Geheimen geschehen sei. Die SVP-Abgeordneten hätten nur ein Dokument, das ihre Fraktion selbst erarbeitet habe.
Das Team K sah die SVP als Verwaltungsrat und die Opposition als Aufsichtsrat. Dieser brauche Informationen, um seine Aufgabe wahrnehmen zu können. Im April habe man geschätzt, dass 30.000 Betriebe akut von der Krise betroffen seien, der Mehrheit seien damals aber 250 Mio. als übertrieben und unauffindbar erschienen. Nun habe man weitere 500 Mio. aufgetrieben. Es gebe viele Branchen, die unter der Krise stark leiden würden, nicht nur den Tourismus. Daher sollte man die GIS-Befreiung auch allgemein an den Verlusten festmachen. 500 Mio. würden als große Summe erscheinen, aber angesichts der 200 Mrd., die Italien von der EU bekomme, kaum etwas. Betriebe und Familien würden die Unterstützung dringend brauchen, aber wenig sei bis jetzt davon angekommen. Sie bräuchten verständliche Regeln, nicht fünf Seiten Vorschriften zur GIS.
Ein SVP-Vertreter kritisierte einen Fraktionskollegen für dessen Aussage, dass alle Steuern zahlen würden. Die Aushilfe von Arbeitnehmern in der Landwirtschaft sei steuerfrei, jene in anderen Bereichen nicht. Die Arbeitnehmer seien die größten Verlierer dieser Krise – wer vorher 2.000 Euro und mehr verdient habe, komme mit 1.100 Euro Lohnausgleich (samt Landesbeitrag) nicht über die Runden. Selbstständige müssten für den Beitrag 20 Prozent Verluste nachweisen, Lohnabhängige hätten zwischen 30 und 50 Prozent. An den Verzögerungen beim Lohnausgleich sei nicht das Land schuld, aber dieses hätte seit 16 Jahren die Möglichkeit, in diesem Bereich autonom tätig zu werden. Es wäre wünschenswert, wenn man für die GIS-Befreiung einen Verlust nachweisen müsse. Die Kategorie der Senioren sei nicht berücksichtigt worden; sie müssten in dieser Krise ihre Enkelkinder unterstützen und seien mit gestiegenen Lebenshaltungskosten konfrontiert. Wer ein Eigenheim habe und in Lohnausgleich sei, erhalte im Unterschied zu Mietenzahlern nichts. Auch für die Saisonarbeiter habe man keine umsetzbare Lösung gefunden. Es würden im Nachtragshaushalt auch keine Mittel vorgesehen für die Arbeitslosenwelle, die sich für den Herbst abzeichne. Davon abgesehen sei der Haushalt ausgewogen, aber es sei nachzubessern.
Ein weiterer SVP-Vertreter kritisierte die Position des Team K zur GIS. Die Tourismusbetriebe seien über Wochen geschlossen gewesen und hätten noch im Juni Einbußen von 40-70 Prozent gehabt. Viele würden nicht mehr öffnen. Wer von der GIS befreit werde, müsse den Verlust nachweisen. Man schlage nun eine Regelung für alle Branchen vor.
Eine SVP-Vertreterin sah viel Soziales in diesem Nachtragshaushalt: finanzielle Sozialhilfe, zusätzliche Beiträge für Seniorenheime, die Finanzierung der Kinderbetreuung und noch mehr – insgesamt 29 Mio. Euro. Es würden auch weitere Maßnahmen fixiert, etwa 32 Mio., um die Tarifverhandlungen zu eröffnen. Zusätzliche Gelder für die Bildung seien im Sinne der Chancengleichheit. 8,2 Mio. würden bereitgestellt, damit die Schule im Herbst bestmöglich starten könne. Es gebe außerordentliche Beiträge für Studenten. Eine wichtige Maßnahme sei der Verzicht auf den Nachweis der Zweisprachigkeit bei Menschen mit Behinderung. Sie kündigte eine Tagesordnung an mit dem Ziel, ein Landesinstitut für Sozialvorsorge zu erreichen.
Das Team K betonte, dass nicht nur Tourismusbetriebe Einbußen hätten. Daher brauche es einfache, branchenübergreifende Regeln.
Die Süd-Tiroler Freiheit stellte eine Reihe von Detailfragen zu einzelnen Kapiteln: GIS, Bibliothekszentrum, Schutzhütten, Erst- und Zweitwohnungen u.a. und sprach sich wie die SVP für ein Landesvorsorgeinstitut aus. Für viele Familien sei der Lockdown eine große Herausforderung gewesen, auch finanziell. Man müsse aufpassen, dass es nicht zu einer Zweiklassengesellschaft aufgrund unterschiedlicher Bildungschancen komme. Man dürfe nicht nur auf die letzten Monate zurückschauen, man müsse vorausschauen, auch in Richtung einer zweiten Welle.
Ein Vertreter des Team K wollte genauere Zahlen zu den Maßnahmen für die Berggebiete und Details zu Voraussetzungen und Befähigungen der Servicestellenleiter für Raum und Landschaft in den Gemeinden. Er plädierte auch für eine GIS-Erhöhung für Zweitwohnungen.
Ein Vertreter der Freiheitlichen erklärte, dass er seine Kritik am Informationsvorsprung der Mehrheit zurücknehme. Die anderen Kritikpunkte blieben aufrecht.
Die Arbeiten werden morgen wieder aufgenommen.