Plenarsitzung des Landtags

“Nein zu Änderung des Autonomiestatuts”

Dienstag, 11. April 2023 | 20:04 Uhr

Bozen – Abschlussrechnung des Landtages genehmigt; Antrag auf Änderung des Autonomiestatuts nach ausführlicher Diskussion abgelehnt; morgen um 10 Uhr Vorstellung des Tätigkeitsberichts 2022 der Volksanwaltschaft.

Als nächster institutioneller Punkt auf der Tagesordnung stand der Beschlussvorschlag Präsidiumsbeschluss: Genehmigung der Abschlussrechnung des Südtiroler Landtages für das Finanzjahr 2022: Wie es im Bericht zum Beschlussvorschlag heißt, betrug der Bilanzansatz in der Kompetenz (Einnahmen und Ausgaben) 19.112.310,87 Euro. Die Abschlussrechnung über die Finanzgebarung des Jahres 2022 weist zum 31.12.2022 einen Verwaltungsüberschuss von 4.577.531,42 Euro auf.

Der Beschlussvorschlag wurde ohne Diskussion mit 26 Ja und 5 Enthaltungen angenommen.

Es folgte die Behandlung des Antrages auf Änderung des Autonomiestatuts Nr. 1/22 Ergänzung des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 670 vom 31. August 1972 (Genehmigung des vereinheitlichten Textes der Verfassungsgesetze, die das Sonderstatut für Trentino-Südtirol betreffen) im Bereich der Lokalsteuern und des Einsatzes der vom Staat übertragenen Geldmittel für die Finanzierung autonomiepolitischer Maßnahmen auf lokaler Ebene (vorgelegt vom Landtag der autonomen Provinz Trient): Der Antrag auf Änderung des Autonomiestatutes Nr. 1 wurde am 7. November 2020 vom Unterzeichner, Abg. Alex Marini von der gemischten Landtagsfraktion, eingebracht, heißt es in Begleitbericht gemäß Artikel 146/ter Absatz 4 der Geschäftsordnung des Trentiner Landtages. Demnach besteht der Änderungsantrag aus einem einzigen Artikel, mit dem der neue Artikel 75/ter in das Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 670/1972 eingefügt werden soll. Ziel dieses Artikels ist, dafür zu sorgen, dass Mittelübertragungen des Staates an die italienischen Regionen und Gebietskörperschaften aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, einschließlich Naturkatastrophen, von denen auch das Gebiet der autonomen Provinzen betroffen ist, oder zur Verfolgung strategischer Ziele auf gesamtstaatlicher Ebene, auch den autonomen Provinzen und den Gebietskörperschaften auf dem Landesgebiet zuerkannt und denselben Provinzen übertragen werden; dies kann auch in Form eines geringeren Beitrags zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen erfolgen; die entsprechenden Geldmittel können gemäß den Landesbestimmungen in den gleichen Bereichen eingesetzt werden, für die sie den anderen Körperschaften auf dem Staatsgebiet zugewiesen wurden. Laut Absatz 2 des Entwurfes gilt Absatz 1 auch für Mittelübertragungen im Zusammenhang mit der Einführung von Steuer- oder Gebührensatzsenkungen, Befreiungen oder wie auch immer bezeichneten Vergünstigungen im Bereich der staatlich geregelten Steuern oder Gebühren, für die es entsprechende, auf Landesebene geregelte Steuern oder Gebühren gibt. Durch die Änderung des Autonomiestatuts solle, so der Begleitbericht weiter, in erster Linie eine stärkere Beteiligung der Legislative an der Ausgestaltung der Autonomie gefördert werden, die in den meisten Fällen den Verhandlungen zwischen Regierung und Provinz sowie den Durchführungsbestimmungen überlassen bleibt. Die Autonomie des Trentino soll u. a. auch dadurch aufgewertet werden, dass mehr Spielraum und mehr Finanzautonomie beim Einsatz staatlicher Mittelzuweisungen zur Bewältigung von unvorhergesehenen Ereignissen und Notsituationen, wie sie in den letzten Jahren leider immer häufiger aufgetreten sind, angestrebt wird. Zu diesem Zweck wird dafür gesorgt, dass diese Mittel in Zukunft nicht mehr zweckgebunden sind. Auf diese Weise wird die besondere Stellung der Autonomen Provinz Trient hervorgehoben – dies auch vor dem Hintergrund der legitimen Ansprüche anderer Regionen auf eine differenzierte Autonomie. Zusammenfassend wird dieser Antrag auf Änderung des Autonomiestatuts als eine große Chance angesehen, die Ressourcen für eine gute Regierungsarbeit zu nutzen, indem Sinn und Zweck der Sonderautonomie in vollem Umfang erfüllt werden. Der Antrag auf Änderung des Autonomiestatuts in der diesem Bericht beiliegenden Fassung wurde vom Trentiner Landtag im November 2022 einstimmig genehmigt.

Im Sonderausschuss zur Überprüfung der Anträge auf Abänderung des Autonomiestatutes (Sonderausschuss gemäß Art. 108-bis und Art. 108-ter der Geschäftsordnung) des Südtiroler Landtages war der Antrag auf seiner Sitzung vom 9. März 2023 indes abgelehnt worden.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) kritisierte die Oberflächlichkeit, mit der der Vorschlag aus dem Trentino übergangen werde. Der Änderungsvorschlag sei im Trentino lange diskutiert und einhellig befürwortet worden. Der Vorschlag komme von der Trentiner Lega, werde aber von der Südtiroler Lega abgelehnt. Die SVP tue so, als ob sie ein Exklusivrecht auf Änderungen am Statut habe. Es gehe hier eindeutig um eine Ausweitung des autonomen Spielraums, auch bei der Umsetzung des PNRR, und ein Eingriff Roms in die Vorlage sei nicht zu befürchten gewesen.

In Rom in der 12er-Kommission liege dieser Vorschlag bereits vor, erklärte Paul Köllensperger (Team K), der Trentiner Landtag habe ebenso bereits zugestimmt. Es gehe hier um die Pnrr-Gelder, die der Staat sehr zentralistisch verwalte. Wenn der Staat Südtirol die finanziellen Ressourcen entziehe, die zur Verwaltung notwendig seien, dann entzöge er de facto auch die Autonomie. Es gebe aber zwei Schwächen am Vorschlag Marinis; im Sonderausschuss seien dazu Verbesserungsvorschläge von Prof. Postal diskutiert worden. Die Änderungen über Art. 104 würden normalerweise über das Haushaltsgesetz eingebracht und wären damit an die Vertrauensfrage gekoppelt. Sein Vorschlag wäre es, wie bereits im Sonderausschuss, kein negatives Gutachten abzugeben – das wäre ein Zeichen von Uneinigkeit. Gleichzeitig könnte man im Sonderausschuss eine Abstimmung zum neuen Text von Prof. Postal machen und über die Südtiroler Parlamentarier in Rom für das Haushaltsgesetz einzubringen. Vom Team K komme sicher eine Zustimmung.
Marco Galateo (Fratelli d’Italia) erinnerte, dass er bereits im Sonderausschuss für den Änderungsantrag gestimmt habe, denn er sei im Interesse beider Provinzen. In Trient sei der Vorschlag einstimmig genehmigt worden. Es sei ein Fehlschlag, wenn die SVP gegen einen Vorschlag der Kollegen in Trient stimme. Die Mehrheit verhalte sich auf eine Art und Weise, die Südtirol in Schwierigkeiten bringe – wie alle autonomiefreundlichen sowie auch -skeptischen Kräfte in Trient.

Jeder versuche auszuwerten, was im Ausschuss geschehen sei, so Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Es gehe um eine kleine Reform des Autonomiestatuts, laut der das Geld vom Land und nicht vom Staat ausgegeben werde. Solche Vorschläge kämen normalerweise von der Mehrheit. Es sei eine historische Aufgabe der Volkspartei, immer an kleinen Hebeln anzusetzen, um die Autonomie auszubauen. Die Gelder, die Südtirol ausgeben könnte anstelle des Staates, wäre auch so eine Möglichkeit. Man habe sich gefragt, warum man sich so verhalte – auch gegenüber dem Trentino? Auch die autonomiefreundlichsten Kräfte hätten dafür gestimmt. Es sei eine Hypothese, dass der Vorschlag abgelehnt worden sei, weil er von den falschen Leuten komme. Die Stoßrichtung sei aber die richtige. Eine Änderung des Autonomiestatuts über den Autonomiekonvent habe nicht geklappt. Man ziehe es nun vor, die Änderungen in der 6er- und 12er-Kommission in kleinen Schritten vorzunehmen, das Parlament werde ausgeschlossen. Wenn man nicht der Meinung sei, dass diese Autonomie über eine parlamentarische Arbeit weiterentwickelt werden könne, sondern der Meinung sei, dass dies ausschließlich in der 6er- und 12er-Kommission, im stillen Kämmerlein, wo jeder jeden kennt, dann sei es besser, dass man nicht mehr über Änderungen spreche. Das Gewicht hätten so nur die Regierungskräfte, der Landtag als parlamentarisches Organ in Südtirol habe kein Gewicht. Die Landtagsabgeordneten erhielten nicht einmal die Tagesordnungen der 6er- und 12er-Kommission. Von großer Bedeutung sei die Perspektive, die man hiermit aufzeichne: Die Autonomie dürfe nicht nur im langfristigen Ausnahmezustand bestehen. Wenn der Parlamentarismus Risiken mit sich bringe, wie die Kollegin Amhof im Abschlussbericht des Sonderausschusses schreibe, dann seien dies die Risiken der Demokratie. Auch die Grünen würden für den Änderungsantrag stimmen.

Es sei nun viel über die Modalitäten gesprochen worden, so Magdalena Amhof (SVP). Sie möchte aber den Vorwurf zurückweisen, dass man bei der Behandlung dieses Vorschlages oberflächlich gewesen sei. Man habe sich der Diskussion gestellt, weil man das, was im Vorschlag stehe, inhaltlich teile – nicht aber die Methode. Man wisse, dass die Leute, die um das Autonomiestatut gefeilscht haben, um jeden Beistrich gefeilscht hätten. Fest stehe, dass das Autonomiestatut sich weiterentwickeln solle. Das Verfahren über die Parlamente sei kompliziert. Natürlich berge eine parlamentarische Änderung Risiken, sie sei dafür, dass man Dinge im Breiten durchdiskutiere. Doch in so einem Falle könne das römische Parlament das Autonomiestatut einseitig – ohne Einbeziehung Südtirols – ändern, das berge Risiken. Sowohl Prof. Palermo als auch Prof. Postal hätten von dieser Methode abgeraten und gemeint, der sichere Verfahrensweg sei der Art. 104. Deshalb werde die SVP den Antrag ablehnen, auch wenn der Trentiner Landtag einstimmig dafür gewesen sei, aber auch wissend, dass bereits eine Durchführungsbestimmung ausgearbeitet worden und an die 12er-Kommission weitergeleitet worden sei.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte an die zwei Wege, wie das Autonomiestatut abgeändert werden könne. Es stelle sich die Frage, welcher Weg der sicherere für Südtirol sei – das sei in jedem Fall jener, bei dem Südtirol mitreden könne, weil es ein Abkommen zwischen den beiden Regierungen sei, auch wenn dabei der Landtag ausgehebelt werde; man habe aber um eine Einbindung des Landtags ersucht. Er möchte dem italienischen Parlament die Südtiroler Autonomie nicht in die Hände legen. Es gehe darum, zu verteidigen, was man heute als Schutzmechanismus zur Hand habe – dieses Instrument dürfe man nicht leichtfertig aus der Hand geben. Man überschätze sich in der Wahrnehmung wahrscheinlich selbst, denn die meisten Parlamentarier in Rom wüssten wohl nicht einmal, wo Südtirol liegt. Im Sonderausschuss hätten sich sogar italienische Rechtsexperten gegen diesen Änderungsantrag ausgesprochen. Deshalb stünde man in diesem Fall an der Seite der Volkspartei. Die Kontrolle und die Zustimmung müsse nämlich letzten Endes beim Land Südtirol und nicht beim italienischen Parlament liegen.

Es gebe die Möglichkeit das Autonomiestatut sowohl über den Art. 103 als auch über den Art. 104 abzuändern, beides seien parlamentarische Prozesse, betonte Riccardo Dello Sbarba (Grüne): mit einfachem staatlichem Gesetz auf Initiative der Regierung mit Anträgen an das Parlament laut Art. 103 und mit Art. 104. Letzterer biete einige Garantien für die Autonomie. Im Ausschuss sei aber einfach dagegen gestimmt worden. Man hätte hingegen ein Dokument vorlegen können, in dem vorgeschlagen werde, dass man den Weg über den Art. 104 gehe. Aber Senator Durnwalder habe bereits gesagt, man gehe den Weg über die 12er-Kommission. Es gehe nun über die Vorgehensweise. So wie der Kollege Knoll habe auch er kein Vertrauen in die Regierung Meloni, doch die Frage der demokratischen Vorgehensweisen stelle sich früher oder später dennoch.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) erklärte, dass keine plötzlichen Änderungen möglich wären. Die Zweifel, die die Rechtsexperten im Ausschuss im Südtiroler Landtag gehabt hätten, hätten auch jene in Trient gehabt. Natürlich müssten die Änderungen abgestimmt werden; wenn es Änderungen seitens der Regierung geben würde, würden sie ans Land Südtirol zurückverwiesen und erst dann würde es die Änderungen geben. Nach den Stellungnahmen sei er sicher, dass der Vorschlag, wenn er auch ein guter sei, nur abgelehnt werde, weil er von der falschen Seite komme.

Magdalena Amhof (SVP) stellte klar, man hätte als Mehrheit auch einen anderen Vorschlag machen können, dann wolle sie sagen, dass sie einen gemacht habe: Nämlich ein weiteres Treffen des Sonderausschusses mit LH Arno Kompatscher. Doch der Vorschlag sei nicht aufgegriffen worden, weshalb sie ihn nicht habe abstimmen lassen. Die SVP habe sich sehr wohl diskussionsbereit gezeigt. Die Rechtsexperten hätten den Weg über den Art. 104 angeraten. Es gehe darum, ob man es riskieren wolle, dass ohne das Einvernehmen des Landes Südtirol und des Landes Trentino das Autonomiestatut abgeändert werden könne. Die SVP werde diesem Änderungsantrag nicht zustimmen.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) schlug vor, jetzt ein entsprechendes Dokument aufzusetzen. Magdalena Amhof (SVP) nahm den Vorschlag nicht an.

Der Antrag auf Änderung des Autonomiestatuts Nr. 1/22 wurde mit 10 Ja, 21 Nein und 1 Enthaltung abgelehnt.

Damit wurde die Sitzung beendet. Morgen, Mittwoch, 12. April, wird um 10 Uhr die Volksanwältin ihren Tätigkeitsbericht 2022 vorstellen bevor mit Punkt 4 der Tagesordnung – Ernennung einer/eines neuen der italienischen Sprachgruppe angehörenden Richterin/Richters beim Regionalen Verwaltungsgericht – Autonome Sektion Bozen, in Besetzung der frei gewordenen Stelle aufgrund des in den Ruhestand getretenen Gerichtsrates RA Sarre Pirrone – fortgefahren wird.

Von: ka

Bezirk: Bozen