Schulterschluss gegen Reform

Nein zur Verfassungsreform: Peterlini auf STF-Pressekonferenz

Freitag, 09. September 2016 | 12:33 Uhr

Bozen – Schulterschluss zwischen Süd-Tiroler Freiheit und ihren Verbündeten in Italien: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz haben heute politische Vertreter von nicht-italienischen Volksgruppen aus Süd-Tirol, dem Aostatal, der Lombardei, Venetien, Triest und Sardinien vor den „minderheitenfeindlichen Folgen der geplanten italienischen Verfassungsreform“ gewarnt. Gemeinsam rief man die Bevölkerung dazu auf, beim Referendum mit NEIN zu stimmen und Rom eine klare Absage zu erteilen.

Alle Parteien und Bewegungen warnen eindringlich davor, dass die Verfassungsreform aus Italien einen zentralistischen Staat machen werde, die die Regionen völlig entmachte und somit eine Bedrohung für die Minderheiten darstelle. Der Staat würde eine ganze Reihe von Zuständigkeiten an sich reißen, die bisher in der Kompetenz der Regionen lagen, und würde zukünftig selbst entscheiden, in welchen Bereichen die Regionen überhaupt noch Zuständigkeiten haben. Auch sei unter dem Deckmantel des „nationalen Interesses“ die Einführung einer Klausel vorgesehen, die es dem Staat erlauben würde, jederzeit in die Gesetzgebung der Regionen einzugreifen.

„Die nicht-italienischen Volksgruppen und Regionen mit Sonderstaut wären die größten Leidtragenden dieser Entwicklung. Sollte das Ja beim Referendum siegen, wird es zukünftig kaum noch möglich sein, sich gegen den Staat zu behaupten. Der Verfassungsgerichtshof wird – auf der Basis einer zentralistischen Staatsordnung – keine Rücksicht auf Minderheitenrechte nehmen, sondern noch deutlicher als bisher die Einheit des Staates in den Vordergrund rücken“, hieß es auf der Pressekonferenz.

Da mit der Verfassungsreform auch eine Reform des Wahlgesetztes verknüpft ist, die der meistgewählten Partei automatisch die absolute Mehrheit im Parlament garantiert, würde zukünftig auch jede politische Einflussnahme und Verbesserung der Minderheitenrechte unmöglich gemacht, denn keine Regierung würde mehr auf die Stimmen der Minderheiten angewiesen sein, so die Warnung. Alle Macht ginge damit nach Rom. Für die Süd-Tiroler Freiheit war es ein historischer Fehler der SVP-Parlamentarier, im italienischen Parlament der Verfassungsreform zuzustimmen.

„Mit ihrem Ja zur Verfassungsreform hat die SVP grünes Licht für die Beschneidung der Autonomie gegeben. Jeder Angriff auf die Autonomie wird zukünftig damit gerechtfertigt werden können, dass die Südtiroler Abgeordneten im Parlament dieser Entwicklung selbst zugestimmt hätten. Nachdem die SVP in Rom völlig versagt hat, kann der drohende Schaden nur noch abgewendet werden, indem das Volk die Verfassungsreform beim Referendum im Herbst deutlich ablehnt“, so die Süd-Tiroler Freiheit.

Die Süd-Tiroler Freiheit ist Mitglied der „Alleanza dei Popoli Liberi“ (APL).  Die APL ist die Dachorganisation, die die autonomistischen und independentistischen Parteien und Bewegungen auf dem Gebiet der derzeitigen Republik Italien vereint. Sämtliche APL-Parteien und Bewegungen sind gleichzeitig Mitglied der Europäischen Freien Allianz (EFA). Nachstehend Stellungnahmen der politischen Vertreter der EFA-Mitglieder sowie der Bewegung „Trieste Libera“:

Oskar Peterlini:, langjähriger Parlamentarier, Universitätsdozent und Verfassungsexperte, der ebenfalls auf der Pressekonferenz anwesend war, erklärte: „Ich bedanke mich bei allen, die sich für ein NEIN gegen diese Reform einsetzen. Die Bevölkerung ist bisher in totaler Unkenntnis und muss schon im November darüber entscheiden. Die offiziellen Organe bieten keine Information, Landeshauptmann und SVP-Parlamentarier werben einseitig für das Ja. Deshalb berate ich alle, die eine Information wünschen. Ich warne davor, dass die Reform die Regionen entmachtet und die Macht in Rom zentralisiert. Auch die Sonder-Autonomien werden in ein enges Korsett gepresst. Die so genannte Schutzklausel bietet keinen Schutz und ist in Wirklichkeit nur eine schwache Übergangsbestimmung. Die zaghafte Föderalisierung von 2001 wird rückgängig gemacht. Zwanzig Regionalkompetenzen gehen zurück an den Staat. Auch die Besserstellungen für Südtirol gehen verloren. Kombiniert mit dem neuen Wahlsystem, das einer einzigen Partei 55 Prozent der Sitze garantiert, handelt es sich um eine gefährliche Tendenz. In der Vergangenheit waren die wenigen Stimmen der Südtiroler Parlamentarier oft das Zünglein an der Waage, damit ist es nun endgültig vorbei. Eine Minderheit und eine Autonomie dürfen niemals einer Zentralisierung zustimmen, damit sägt man den Ast ab, auf dem man sitzt. Das war ein schwerwiegender politischer Fehler.“

Von: mk

Bezirk: Bozen