Offener Brief

Nicht alle Eltern sind mit Nasenbohrertests einverstanden

Montag, 15. März 2021 | 09:05 Uhr

Bozen – Südtirols Teststrategie erntet nicht nur Zustimmung: So befürworten nicht alle Eltern die sogenannten Nasenbohrertests, die derzeit an Südtirols Grundschulen durchgeführt werden.

Dabei handelt es sich um Antigentests, die die Kinder – unter Anleitung einer Aufsichtsperson – selbst durchführen können. Der Nasenbohrertest stellt eine Vorauswahl, ein Pre-Screening dar. Bei einem positiven Ergebnis wird ein PCR-Test durchgeführt.

Ziel ist es, anhand dieser Tests die Schulen in Sicherheit zu öffnen sowie mögliche Infektionsketten schnell zu unterbrechen. Doch manche Eltern reagieren auch skeptisch.

In einem offenen Brief an die Landespolitik drücken die Psychologin Verena Niederer, die selbst Mutter zweier Kinder ist, sowie die Pädagogin Maria Hackl – Mutter dreier Kinder – ihre Bedenken aus. Wörtlich heißt es:

Sehr geehrter Herr Kompatscher, sehr geehrter Herr Widmann, sehr geehrter Herr Achammer,

beeindruckt vom Erfolg des offenen Briefes von Barbara Unterhofer und Sadbhavana Pfaffstaller bezüglich Essen im Freien und erfreut über die Einsicht und die rasche Behebung des dadurch aufgezeigten Missstandes, schreiben auch wir Ihnen hoffnungsvoll zum Thema „Nasenbohrertest“, welches die Gemüter der Eltern und Lehrpersonen erregt.

Wie Sie bereits wissen, spaltet das Testen von Kindern in den Schulen die Bevölkerung. Auch die Lehrpersonen und Schulführungskräfte sind sehr unterschiedlicher Meinung. Während die italienischsprachigen Schulen sich geschlossen weigern, Ihre Initiative zu unterstützen, herrscht in den deutschsprachigen Schulen große Verunsicherung.

Darum ersuchen wir Sie, uns über die Vorteile und den Nutzen der Massentestungen an den Kindern aufzuklären. Für uns hat sich nämlich, nach eingehender Beschäftigung mit dem Thema, eine eindeutig negative Kosten-Nutzen-Bilanz ergeben:

– Diverse deutsche Fachgesellschaften warnen vor der Durchführung solcher Schnelltests in den Schulen, da die zu erwartende Anzahl falsch negativer Ergebnisse zu einem erhöhten Infektionsgeschehen aufgrund der daraus entstehenden Unvorsichtigkeit der Kinder führen würde. Zudem würden die mit Sicherheit auftretenden falsch positiven Ergebnisse ungerechtfertigte Quarantänen verursachen.

– Die Schnelltests inklusive Abstrich sind laut Angabe des Herstellers nur von eigens geschultem, medizinischem Fachpersonal durchzuführen. Der Hersteller weist explizit auf falsch negative Ergebnisse hin, falls die Probenentnahme nicht korrekt durchgeführt wird. Weder die Kinder noch die Lehrpersonen sind also ausreichend kompetent für die Durchführung der Tests.

– Erfahrungen aus dem Südtiroler Pilotprojekt und Zahlen aus Österreich zeigen, dass die Anzahl der positiven Ergebnisse vernachlässigbar gering ist. In den Südtiroler Pilotschulen lag die Rate bei 0,26%, in Österreich gar nur bei 0,04%. Diese Größenordnung liegt im Bereich der Spezifität des Tests und ist somit statistisch kaum relevant.

– Eine Analyse des RKI hat ergeben, dass die Schüler nicht als Pandemie-Treiber zu betrachten sind. Auch Schweizer Experten sehen nur einen geringen Zusammenhang zwischen Ansteckungen in den Schulen und dem Infektionsgeschehen in der Bevölkerung. Besonders bei den jüngeren Kindern ist der Einfluss auf die Pandemieentwicklung laut den derzeitigen Erkenntnissen gering.

– Bei der Durchführung der Tests in den Klassen ist die Privacy der Kinder nicht gewahrt. Positiv getestete Schüler sollen aus der Klassengemeinschaft entfernt und von den Eltern abgeholt werden, Kinder die sich nicht beteiligen wollen, könnten ausgegrenzt werden.

– Wir wissen, dass ein bisschen Nasenbohren nicht weh tut, unsere Kinder bohren auch ab und an in der Nase. Es geht uns um die psychischen Auswirkungen, die unserer Meinung nach auch Berücksichtigung finden sollten. Wir suggerieren mit dem ständigen Testen, dass jedes Kind potentieller Virenträger und eine Gefahr für die Mitmenschen sein könnte. Sensible Kinder könnten darauf durchaus mit Ängsten vor einem positiven Ergebnis reagieren. Auch die Wartezeit auf das Ergebnis könnte zu einem psychischen Druck führen. Wir sehen darin eine Gefahr für die gesunde emotionale Entwicklung unserer Kinder.

– Abschließend noch der unserer Ansicht geringste Nachteil, jedoch sollte auch dieser von Ihnen berücksichtigt werden. Rein durch den Ankauf der Tests entstehen dem Steuerzahler Kosten in Millionenhöhe. Würde man z.B. alle Schüler und Schülerinnen in Südtirols Schulen zwei mal wöchentlich über ein ganzes Schuljahr testen, würde das zu Kosten für die Testkits von ca. 20 Millionen Euro führen, wohlgemerkt ohne die beträchtlichen Personalkosten. Ein Betrag in dieser Größenordnung könnte unserer Ansicht nach wesentlich besser für die Unterstützung der Bevölkerung eingesetzt werden.

Sie haben uns kürzlich über die Medien ausgerichtet, dass Sie über die Eltern sehr verärgert sind, welche ihre Kinder nicht testen lassen. Zudem haben Sie bereits in den Raum gestellt, dass die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden sollen, damit nur getestete Kinder in die Schule dürfen und die anderen im Fernunterricht bleiben müssen. Dies obwohl die Verfassung jegliche Diskriminierung verbietet und vorschreibt, dass die Schulen allen offen stehen müssen.

Aus diesen Gründen bitten wir Sie, als besorgte Mütter schulpflichtiger Kinder, uns den Sinn dieser Testungen zu erklären. Wir sind nämlich derzeit der Meinung, dass der zu erwartende Nutzen in keinem Verhältnis zu den Nachteilen und den Kosten steht. Nehmen Sie uns mit bei Ihrer Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. Setzen Sie bitte auf Aufklärung, Einsicht und Kooperation der Bevölkerung.

Verena Niederer und Maria Hackl

Von: mk

Bezirk: Bozen