Von: mk
Rom/Bozen – Es handelt sich um einen wichtigen Etappensieg für die Verteidigung: Der italienische Kassationsgerichtshof hat die Auslieferung des mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteurs Serhii Kuznietsov an Deutschland vorläufig gestoppt. Die oberste italienische Instanz kippte die Entscheidung des Berufungsgerichts Bologna und verwies den Fall zur Neubewertung zurück.
Der ehemalige Hauptmann der ukrainischen Armee, Serhii Kuznietsov, war aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Rimini festgenommen worden, da er von Deutschland als einer der Verantwortlichen für den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines im September 2022 gesucht wird.
Sein Verteidiger, der Trentiner Anwalt Nicola Canestrini, hatte Berufung gegen die ursprünglich bewilligte Auslieferung eingelegt – mit Erfolg. Canestrini ist als Anwalt auch in Südtirol sehr bekannt.
Fehlende Garantien für ein faires Verfahren
Als ausschlaggebend erwies sich laut Canestrini die „fehlerhafte rechtliche Qualifizierung der Fakten“ im Europäischen Haftbefehl. Die Generalstaatsanwaltschaft am Kassationsgerichtshof hatte diese Sichtweise überraschend geteilt.
„Dieser Fehler hatte eine Verletzung des Rechts meines Mandanten auf effektive Teilnahme an seinem eigenen Prozess zur Folge“, erklärte Canestrini und betonte, dass dies gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoße, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind.
Der Oberste Gerichtshof folgte dieser Argumentation, ordnete die Aufhebung der Auslieferungsentscheidung an und verwies den Fall zur erneuten Prüfung an eine andere Instanz. Canestrini kündigte an, nun die Voraussetzungen für eine sofortige Freilassung seines Mandanten zu prüfen.
„Rechte siegen über Staatsräson“
Der Anwalt feierte das Urteil als ein starkes Signal für den Rechtsstaat, besonders in einem Fall von hoher geopolitischer Brisanz.
„Diese Entscheidung bestätigt, dass Grundrechte und Verfahrensgarantien niemals der Staatsräson geopfert werden dürfen“, so Canestrini. Er fügte hinzu: „Weder Effizienz noch politischer Druck können die Einschränkung des Rechts auf ein faires Verfahren rechtfertigen: Der Rechtsstaat lebt nur, wo die Rechte über die Macht siegen.“
Die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines, einer zentralen Infrastruktur für russisches Gas nach Europa, sorgte weltweit für geopolitische Spannungen. Fast drei Jahre nach den Explosionen, deren Hauptleidtragender Deutschland war, bleibt die juristische Aufklärung schwierig.
Unterdessen steht am Freitag eine weitere Entscheidung in Polen an: Ein dortiges Gericht soll über die Auslieferung eines weiteren Ukrainers, Volodymyr Z., befinden, der ebenfalls von Deutschland als mutmaßlicher Taucher und Platzierer der Sprengsätze gesucht wird. Polens Premierminister Donald Tusk hat sich in diesem politisch heiklen Fall jedoch bereits gegen eine Auslieferung ausgesprochen.
Aktuell sind 22 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen