Von: mk
Vor rund drei Wochen hat Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin die Rebellion seiner Söldner angeführt und erst in letzter Sekunde einen Bürgerkrieg in Russland vermieden. Der Fast-Putsch war der bisherige Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Prigoschin und der Spitze des russischen Verteidigungsministeriums. Nun gibt der 62-Jährige ein überraschendes Lebenszeichen von sich.
Auf einem erst kürzlich veröffentlichten Foto sitzt der Söldner-Führer in Unterhose auf einem Feldbett in einem Mannschaftszelt – offenbar kurz nach dem Aufstehen. Verbreitet wurde das Foto auf einem Kanal auf Telegram, der Wagner nahesteht. Medienberichten zufolge soll das Foto laut Metadaten des Originalfotos um 7.24 Uhr morgens am 12. Juli aufgenommen worden sein.
Dabei handelt es sich um die erste Aufnahme seit dem Marsch auf Moskau am 23. und 24. Juni. Prigoschins Söldnertruppen übernahmen vorübergehend die Kontrolle im südrussischen Rostow am Don, wo das Militär sein Hauptquartier für den Krieg in der Ukraine hat. Erst einige hundert Kilometer vor Moskau brach Prigoschin, der immer wieder die russische Militärführung kritisiert hat, die Meuterei ab.
Unter Vermittlung des weißrussischen Machthabers Alexander Lukaschenko wurde eine Vereinbarung getroffen, die Prigoschin Straffreiheit und den Gang ins Exil nach Belarus einräumte.
Einige hatten vermutet, der russische Präsident Wladimir Putin hätte Prigoschin längst beseitigt. Wie das Foto zeigt, scheint das aber nicht der Fall zu sein. Vor allem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow wurden in der Vergangenheit immer wieder heftig vom Wagner-Chef attackiert.
Doch obwohl Prigoschin offenbar auch in der regulären russischen Armee auf Sympathie findet, gelang es ihm nicht, seine Erzfeinde zu stürzen. Stattdessen ist nun seine eigene Zukunft ungewiss.
Nicht zuletzt deshalb wirft das Foto viele Fragen auf: Will der Kreml Prigoschin damit lächerlich machen? Viele vermuten, dass das eher unwahrscheinlich ist: Vielmehr dürfte es sich um eine bewusste Inszenierung des Wagner-Chefs selbst handeln.
Prigoschin ist es offenbar gelungen, sich für viele Russen zu einem Symbol gegen die Korruption zu mausern. Er hat Shoigu und Gerassimov stets vorgeworfen, sie wären nicht an der Front und würden mit dem Leben russischer Soldaten leichtfertig umgehen, sich selbst aber und ihre Familien bereichern. Unter anderem ging Prigoschin regelmäßig auf Shoigus Tochter los, die sich auf Instagram beim Dubai-Urlaub zeigte.
Sich selbst zeigte Prigoschin hingegen sich immer wieder an der Front – bei seinen Soldaten und als Kommandeur im Feld. Die Nähe zu den kämpfenden Söldnern ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit: Prigoschin ist vermutlich nur für Kurztrips in Frontnähe gefahren, um sein Gesicht in die Kamera zu halten.
Die Eigendarstellung als „ehrlicher Krieger“ hat aber zumindest in Teilen der russischen Bevölkerung Anklang gefunden: Beim Einmarsch in Rostow wurden Prigoschin und seine Wagner-Söldner jubelnd begrüßt. Einwohner machten Selfies mit denjenigen, die kurz davor standen, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Wohl auch deshalb veröffentlichte der russische Geheimdienst FSB Fotos aus Prigoschins Villa, die den wahren Reichtum des Söldner-Chefs zeigen sollten.
Das Unterhosen-Bild vermittelt dagegen eine ganz andere Botschaft, die auch Putin nicht gefallen dürfte: Der Wagner-Boss zeigt, dass er ein Teil seiner Truppe ist und in genauso wenig glamourösen Umständen lebt wie seine Söldner. Im Gegensatz zur russischen Elite und auch zu Putin selbst, der in Russland vielfach mit dem Spitznamen „Bunker-Opa“ betitelt wird.
Gleichzeitig nimmt Prigoschin auf dem Foto keine kämpferische Pose ein. Dies hätte vom Kreml möglicherweise als Kampfansage interpretiert werden können. So weit will Prigoschin offenbar derzeit noch nicht gehen.
Das Unterhosen-Foto könnte aber durchaus auch signalisieren, dass sich der Wagner-Chef an die getroffene Vereinbarung hält, falls das Foto tatsächlich in Belarus aufgenommen wurde. Tatsächlich wurde dort vor einigen Tagen ein Zeltlager für die Wagner-Söldner errichtet. Außerdem sollen diese nun auch begonnen haben, die weißrussischen Streitkräfte zu trainieren.