Von: luk
Bozen – Im Landtag wurde heute über das Recht auf Gebrauch der Muttersprache sowie über ein Tanzkunstgymnasium diskutiert.
Beschlussantrag Nr. 121/19: Tanzkunstgymnasium (eingebracht von den Abg. Repetto am 17.06.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, sich für den Aufbau einer Sektion oder einer Fachrichtung für Tanzkunst an einem Südtiroler Gymnasium einzusetzen. Die Landesregierung wird aufgefordert, durch die Einführung dieses Bildungsweges die sportliche und schulische Ausbildung junger Tänzerinnen und Tänzer zu fördern und für Familien die Möglichkeit zu schaffen, dass ihre Kinder in Südtirol verbleiben und so die lokale Kulturlandschaft und unsere Gesellschaft bereichern können. (Neue Fassung)
“In Südtirol gibt es am italienischen Humanistischen Gymnasium „G. Pascoli“ in Bozen eine eigene Musiksektion”, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten). “Für die zahlreichen Tanzbegeisterten, die eine Ausbildung im Bereich der Tanzkunst anstreben, gibt es derzeit jedoch kein passendes Bildungsangebot in der Oberstufe. Dies stellt viele Jugendliche und Familien zu Beginn der Oberschule vor eine schwierige Entscheidung: entweder das Tanzen aufgeben oder Südtirol verlassen, um ihren Bildungsweg anderswo fortzusetzen. Darüber hinaus ist der Mangel an Klassenzimmern am oben genannten Gymnasium allseits bekannt. Um den Lehrkräften und den Schülern ein würdiges Arbeits- und Lernumfeld zu bieten, müssten neue Räume und Einrichtungen geschaffen werden. Dieser Ausbau könnte mit einer Erweiterung des Bildungsangebots einhergehen, indem eine neue Fachrichtung für Tanzkunst eingeführt wird. Das Tanzkunstgymnasium ist ein im Staatsgesetz vorgesehener Bildungsweg.”
Alex Ploner (Team Köllensperger) lobte den “visionären Vorschlag”. Kinder sollten etwas Einzigartiges lernen, sonst könnten sie nicht mit den Maschinen konkurrieren, zitierte er den Ali-Baba-Gründer Jack Ma. Das Angebot sollte nicht auf eine einzige Schule beschränkt werden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fragte, ob ein Fach oder eine ganze Schule gemeint sei. Wenn man Profitänzer ausbilden wolle, brauche es letzteres. Es werde schwierig sein, renommiertes Fachpersonal dafür zu finden.
Carlo Vettori (Lega Alto Adige Südtirol) wies auf den Platzmangel an Südtirols Schulen hin. Eine eigene neue Fachrichtung wäre daher schwer umzusetzen. Man könnte z.B. an der Pascoli-Schule Tanzunterricht anbieten, etwa statt der Sportstunden. Auch das Konservatorium könnte dafür geeignet sein.
Brigitte Foppa (Grüne) rief unter Berufung auf den Tag der geschlechtergerechten Sprache die Abgeordneten auf, heute nur in weiblicher Form zu sprechen. Sie sprach sich dafür aus, der Südtiroler Schule dieses eine Tanzbein zu gewähren.
Gerhard Lanz (SVP) wies auf die Schulautonomie hin, welche ein solches Fach bereits erlauben würde. Den Ali-Baba-Gründer zu zitieren, sei nicht sehr passend, wenn man bedenke, wie sein Konzern kleine Handelsbetriebe zerstöre.
LR Giuliano Vettorato hielt den Vorschlag für interessant, aber es gebe Schwierigkeiten mit der Umsetzung. Für neue Fachrichtungen brauche es nicht nur Platz, sondern auch Personal. Er bemühe sich derzeit, den Musiklehrgang an der Pascolischule als solchen und nicht als humanwissenschaftliche Matura anerkennen zu lassen.
Sandro Repetto stellte klar, dass der Antrag eine Schulsektion, eine Fachrichtung meine, nicht eine neue Schule. Und diese sollte im Rahmen der Schulautonomie errichtet werden. Das stehe alles im Antrag, erklärte Repetto und wunderte sich, dass an seinen Anträgen immer herumgedeutet wird.
Der Antrag wurde mit 9 Ja, 18 Nein und 4 Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 122/19: Uneingeschränktes Recht auf Gebrauch der deutschen Sprache in Süd-Tirol (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz Tammerle am 17.06.2019). Der Südtiroler Landtag wolle beschließen: 1. Der Südtiroler Landtag bekräftigt das unverzichtbare Recht auf Gebrauch der deutschen Sprache in Südtirol, welche gemäß Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 574 vom 15. Juli 1988 der italienischen Sprache gleichgestellt ist, und fordert die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass das gesetzlich verankerte Recht auf Gebrauch der deutschen, italienischen und dort wo vorgesehen auch der ladinischen Muttersprache ausnahmslos in allen Bereichen des öffentlichen Lebens in Südtirol gewährleistet wird. 2. Die Landesregierung wird beauftragt, bei Verstößen gegen das in Südtirol gesetzlich verankerte Recht auf Gebrauch der Muttersprache weiterhin und ungesäumt Sanktionen bei Regierungskommissariat einzufordern bzw. womöglich, diese selbst zu verhängen und gegebenenfalls auch juridisch dagegen vorzugehen. 3. Der Landtagspräsident wird beauftragt, den Regierungskommissar zu einer Aussprache in den Landtag einzuladen, um die Probleme in Bezug auf die Verletzungen des in Südtirol gesetzlich verankerten Rechts auf Gebrauch der Muttersprache zu besprechen. 4. Die Landesregierung wird beauftragt, die Beschwerdestelle des Landes aufzuwerten. Diese sollte mittels Informationskampagnen gezielt auf die Verpflichtungen zur Zweisprachigkeit hinweisen, die Bevölkerung über die Möglichkeit der Beschwerdeführung informieren und geschädigten Personen Rechtshilfe leisten, die in begründeten Fällen gegen die Missachtung des in Südtirol gesetzlich verankerten Rechts auf Gebrauch der Muttersprache vorgehen wollen. 5. Der Südtiroler Landtag spricht sich für eine Überarbeitung und Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen zum Gebrauch der Muttersprache in Südtirol aus, da viele Bereiche (z.B. Digitalisierung, Teilprivatisierung von öffentlichen Unternehmen, zusätzliche Dienstleistungen) in den ursprünglichen und noch immer geltenden Rechtsnormen nicht berücksichtigt wurden. 6. Der Südtiroler Landtag erneuert die Forderung nach einer Übertragung der Zuständigkeiten des Regierungskommissariats an den Landeshauptmann und fordert die Landesregierung auf, mit der italienischen Regierung diesbezüglich in Verhandlungen zu treten.
Das Recht auf Gebrauch der deutschen Sprache ist eine der wichtigsten Grundlagen des Autonomiestatuts, bemerkte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Doch die Realität sehe anders aus: Polizeibeamte, die nicht Deutsch sprechen können oder wollen; Angestellte bei der Post, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind; Ärzte und Pflegekräfte, die unter Umgehung der Sprach- und Proporzbestimmungen nur mehr Italienisch sprechen, während hinwiederum rein deutschsprachige Mitarbeiter angezeigt und entlassen werden; Krankenberichte, die nur mehr in italienischer Sprache verfasst werden; Medikamentenbeipackzettel, die trotz gesetzlicher Verpflichtung noch immer nicht in deutscher Sprache beigepackt werden; Steuerunterlagen und Antragsformulare, die nur auf Italienisch vorliegen; Pflichtversicherungen, deren Verträge nur in Italienisch verfügbar sind; Telephongesellschaften, deren Dienstleistungen und Verträge nur in italienischer Sprache zur Verfügung gestellt werden; Service-Telephonnummern, bei denen man in Anrufzentren nach Süditalien umgeleitet wird, wo niemand Deutsch spricht; Busfahrer und Kontrolleure, die aus dem Ausland und Italien stammen und daher nur Italienisch sprechen; Durchsagen in Zügen, die von rein italienischsprachigen Mitarbeitern getätigt werden; Rechnungen, die nur in italiensicher Sprache ausgestellt werden; Baustellenbeschilderungen, auf denen die deutsche Sprache gänzlich fehlt; Produktbeschreibungen auf Lebensmittelverpackungen, die entweder nur in Italienisch vorliegen oder bei denen der deutsche Text durch ein italienisches Etikett überklebt wird; Homepages von öffentlichen Einrichtungen, die nur in italienischer Sprache abrufbar sind, da es sich um gesamtstaatliche Seiten handelt; Staatlich vorgeschriebene Computerprogramme für die bürokratische und steuerrechtliche Abwicklung, die es nur in italienischer Sprache gibt.
Manchmal habe sie das Gefühl, in einem anderen Land zu leben als Sven Knoll, meinte Brigitte Foppa (Grüne). Aber das Recht auf Muttersprache sei zu verteidigen, wenn es missachtet werde, solle es Sanktionen geben. Daher könne man dem beschließenden Teil des Antrags auch zustimmen.
Myriam Atz Tammerle (STF) zeigte einen dicken Stapel von Beschwerden, die beim Regierungskommissariat eingereicht wurden. Mehr als die Hälfte betreffe das Gesundheitswesen. Das Regierungskommissariat kenne sich bei den Bestimmungen zum Recht auf Muttersprache nicht aus, wie es kürzlich bei einer Beschwerde wegen einsprachiger Sicherheitsschilder bewiesen habe. Die Beschwerdestelle des Landes kenne sich hingegen sehr gut aus und sollte auch die Zuständigkeit für Ahndungen bekommen.
Carlo Vettori (Lega) verteidigte ebenfalls das Recht auf Muttersprache, das ein wesentlicher Teil der Autonomie sei. Er wies aber auch auf die Bemühungen etwa der Carabinieri hin, mit der lokalen Bevölkerung in ihrer Sprache zu verkehren. Die Zeiten hätten sich geändert.
Franz Locher (SVP) sprach von einem Grundrecht, das auch für das Selbstwertgefühl der Sprachgruppe wichtig sei. Bei manchen Ordnungshütern fehle der Wille, diese Bestimmung einzuhalten. Teil der Sprache seien auch die Namen, auch hier müsse das Land die Zuständigkeit bekommen. Bei der Zweisprachigkeit der Sicherheitskräfte wäre eine Landespolizei die richtige Lösung. Bei der Gemeindepolizei funktioniere es sehr gut.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) unterstützte den Antrag. Laut Umfrage sei drei Vierteln der Bevölkerung ihr Recht auf Muttersprache verweigert worden. Die Zuständigkeiten der Beschwerdestelle des Landes sollten erweitert werden, sodass sie proaktiv tätig werden könne, z.B. Publikationen kontrollieren, Betriebe und Vereine beraten usw.
Alex Ploner (Team Köllensperger) unterstrich die Bedeutung des Rechts auf Muttersprache. Die Beschwerdestelle müsse nicht ausgebaut werden, sie müsse nur funktionieren wie beabsichtigt.
Gerhard Lanz (SVP) dankte den Einbringern für die neue Fassung des Antrags, die nun auch das Recht auf Muttersprache aller drei Sprachgruppen berücksichtige. Die Politik müsse dafür Sorge tragen, dass dieses Recht eingehalten wird.
LH Arno Kompatscher bezeichnete das Recht auf Gebrauch der Muttersprache als wichtigsten Grund dafür, dass es die Autonomie überhaupt gibt. Das stehe bereits im Pariser Vertrag. Dass das Recht umgesetzt werden müsse, sei außer Zweifel. Die Praxis sehe aber oft anders aus, und es seien einige Problemstellen dazugekommen, und zwar durch die Digitalisierung. Viele Webseiten von staatlichen Behörden gebe es zunächst einmal nur auf Italienisch. Man habe auf das Problem hingewiesen, Versprechen bekommen, aber nicht mehr. Die Landesregierung und ihre Mitarbeiter würden sich unermüdlich einsetzen, damit dieses Recht eingehalten wird. Vorliegender Antrag sei eine Unterstützung dafür. Das Land sei bereit, dem Staat auch Hilfe bei der Übersetzung zu leisten. Die Antwort sei meistens: Man schaffe das alleine. Es wäre sinnvoll die Zuständigkeit dem Land zu übertragen, weil das Land viel mehr Möglichkeiten zur Umsetzung habe. Kompatscher wies darauf hin, dass es auch Fälle gebe, in denen das Recht auf die italienische Muttersprache missachtet werde – hier müsse man genauso einschreiten. Die meisten Probleme gebe es aber bei staatlichen Behörden. Zu Digitalisierung und Muttersprache gebe es einen Entwurf für eine Durchführungsbestimmung zum Statut, er hoffe, dass er in der Sechserkommission bald behandelt werde.
Manchmal werde dem Problem mit Achselzucken begegnet, bedauerte Sven Knoll, aber hier gehe es um mehr, um ein Grundrecht. Daher müsse man mit allen verfügbaren Mitteln für die Einhaltung sorgen.
Die Prämissen des Antrags wurden mehrheitlich abgelehnt. Die Punkte 1, 2, 3 wurden mit 30 Ja und 1 Enthaltung angenommen, Punkt 4 mit 29 Ja und einer Enthaltung, die Punkte 5 und 6 mit 29 Ja und zwei Enthaltungen.