Gesetzentwurf versenkt

Regionalrat: Keine Kürzung der Politikergehälter

Mittwoch, 15. März 2017 | 15:52 Uhr

Bozen/Trient – Der Gesetzentwurf – eingereicht als Volksinitiative – zur Annullierung von Super-Vergütungen und goldenen Leibrenten wurde heute im Regionalrat von sämtlichen politische Vereinigungen versenkt.

Gesetzentwurf Nr. 95: Dringende Bestimmungen bezüglich der Übertragung von Befugnissen betreffend die Verwaltungs- und Organisationstätigkeit zur Unterstützung der Gerichtsämter (eingebracht von der Regionalregierung).

Andreas Pöder hat dazu einen Minderheitenbericht vorgelegt, in dem er Garantien für die Unabhängigkeit der Gerichtsbehörde fordert, durch eine Garantiekommission, die von Opposition und Mehrheit ernannt wird.

Mit dieser Übertragung von Zuständigkeiten habe die Region keinen direkten Zugriff auf die Richter, meinte Alessandro Urzì (gemischte Fraktion), aber es sei ein erstes Aufbrechen der Justizverwaltung, auf das weitere politische Schritte folgen könnten. Bei der Justiz sollte nicht die Zugehörigkeit zur Autonomie ausschlaggebend sein, sondern die Unabhängigkeit von der Politik.

Auch Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) äußerte Bedenken. Man übernehme neue Kompetenzen, während die Ressourcen knapper würden. Für die Autonomie sei diese Übernahme nur Fassadenkosmetik ohne Vorteile für die Bürger.

Mit der Übernahme von bestimmten Kompetenzen bestehe die Gefahr eines Interessenkonflikts, meinte Maurizio Fugatti (Lega Nord) mit Verweis auf das Vorhaben, auch die Finanzämter zu übernehmen. Mehr Autonomie sei grundsätzlich gut, aber derzeit sei es vor allem eine Frage der Finanzierbarkeit.

Die Garantien, die die Durchführungsbestimmungen für die Unabhängigkeit der Gerichte geben, seien vage, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion – Team Autonomie). Auch über die Personalpolitik könne man Einfluss ausüben. Eine Garantiekommission könnte dazu die nötige Kontrolle ausüben.

Es sei eine delikate Materie, bestätigte Ugo Rossi, Vizepräsident der Region. Bei dieser Zuständigkeit gehe es um das Funktionieren der Justizverwaltung, wobei das bestehende Personal übernommen werde. Gleichzeitige werde man auch innerhalb der bestehenden Regionalverwaltung das für den Übergang nötige Personal bereitstellen. Die erste Verantwortung einer Autonomie sei es, Zuständigkeiten besser wahrzunehmen als der Zentralstaat. Gleichzeitig habe man auch eine Verantwortung gegenüber dem Staat, dem man mit dieser Übernahme Kosten abnehme. Die Region werde mit dieser neuen Zuständigkeit aufgewertet, aber nicht zu Lasten der beiden Provinzen, die diesen regionalen Synergieeffekt haben wollten. Eine Kontrolle der Politik über die Justiz werde es damit nicht geben, auch nicht über eine Garantiekommission, wenngleich man den Änderungsantrag Pöders teilweise annehmen könne, ebenso jene von Paul Köllensperger, um einen Informationsfluss zwischen Regionalregierung und Regionalrat zu gewährleisten.

Eine Tagesordnung Pöders wurde im obengenannten Sinne angenommen.

Die drei Artikel des Gesetzentwurfs wurden weitgehend ohne Debatte genehmigt. Angenommen wurde ein Änderungsantrag von Paul Köllensperger, wonach die zusätzlichen 25 Mitarbeiter nach den Bestimmungen des einschlägigen Regionalgesetzes eingestellt werden und nicht Modalitäten, die von der Regionalregierung noch festzulegen sind. Der Gesetzentwurf wurde mehrheitlich genehmigt.

Gesetzentwurf Nr. 70: Wirtschaftliche Behandlung und Vorsorge der Regionalratsabgeordneten und Mitglieder des Regionalausschusses und weitere Maßnahmen zur Eindämmung der öffentlichen Ausgaben (aufgrund eines Volksbegehrens eingebrachter Gesetzentwurf): Abschaffung der Leibrenten und jeglicher Rentenvorsorge durch den Regionalrat, eine strengere Übergangsregelung für jene Abgeordneten, die noch unter das alte Vorsorgesystem fallen, eine Aufwandsentschädigung von 7.500 Euro brutto und keine weiteren Zulagen,  geringere Amtszulagen für Regierung und Präsidium, keine Zuwendungen an die Fraktionen.

Gesetzentwurf Nr. 72: Abänderung des Regionalgesetzes Nr. 6 vom 21. September 2012 auf dem Sachgebiet der wirtschaftlichen Behandlung und Vorsorgeregelung für die Mitglieder des Regionalrates der autonomen Region Trentino-Südtirol (eingebracht vom Regionalratsabgeordneten Borga): Sitzungsgelder statt Pauschalentschädigungen für die Abgeordneten sowie für die Mitglieder des Präsidiums und der Regionalregierung – nur auf Ebene der Region, für die beiden Länder sollen eigene Vergütungsordnungen gelten.
Eine wirkliche Einsparung hätte man durch die Abschaffung der Region, meinte Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit).

Rodolfo Borga (ACT) kritisierte die antipolitische Einstellung mancher Initiativen wie jener der ACLI. Sein Gesetzentwurf sei keine Provokation, sondern eine Anregung, das Vergütungssystem grundsätzlich zu überdenken: Politik als Vollzeitjob mit Vollzeitvergütung oder neben dem bürgerlichen Beruf mit Entschädigung nach Sitzungsaufwand. Bei der Rentenvorsorge berücksichtige der ACLI-Entwurf nicht die unterschiedliche Situation von Selbständigen und Lohnabhängigen. Sein Entwurf gehe auf die Rentenvorsorge nicht ein, denn er sehe nur Sitzungsgelder vor und Sitzungszeiten, die mit dem Beruf vereinbar seien. Man sollte sich überlegen, auch in einer öffentlichen Debatte, welche Rolle der Regionalrat haben solle und welche Mittel er dafür brauche. Ginge der ACLI-Entwurf durch, würde man nur mehr Lohnabhängige und Rentner im Regionalrat haben.

Das Thema sei bereits ausgereizt, meinte Hans Heiss (Grüne). Borga sei ein erfahrener Parlamentarier, der eigentlich für das Gegenteil dessen stehe, was er heute vorschlage, daher könne er auch keine Zustimmung erwarten. Der Vorstoß der ACLI sei nachvollziehbar, er berücksichtige aber nicht, dass die Abgeordneten mit ihrer Entschädigung auch ihre Parteien mitzufinanzieren hätten und dass parlamentarische Arbeit nicht ohne Mitarbeiter funktioniere. Heiss schlug ein vertieftes Gespräch mit den ACLI und anderen Akteuren vor.

Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) wies auf das geringe Ansehen der Politiker hin, während die Öffentlichkeit 240.000 Euro für einen Kinderarzt als zu gering ansehe. Der Trend in Europa sehe die Parlamente als Durchwinkorganisationen für dominante Regierungen, in diesem Sinne sei auch der ACLI-Vorschlag bedenklich. Die Abgeordneten der 5 Sterne Bewegung würden sich ihr Gehalt kürzen, aber nichts an die Bewegung abgeben. Privilegien gehörten abgeschafft, aber der völlige Verzicht auf eine Rentenvorsorge schieße über das Ziel hinaus. Es sei auch kontraproduktiv und antidemokratisch, den Parlamentariern die Mitarbeiter zu streichen. Der ACLI-Entwurf habe Schwachpunkte, aber seine Sympathie, dem Vorschlag Borgas könne er nicht zustimmen.

Walter Blaas (Freiheitliche) warnte vor populistischen Vorstößen zum Thema, bei der Leibrentendebatte seien auch Abgeordneten eingeknickt. Der Geldhahn für die Parteienfinanzierung sei zugedreht worden, kleinere Parteien kämen auch nicht zu den 2 Promille, die der Staat noch vorsehe. Die derzeitige Vergütungsregelung sei sehr transparent, während die Einbringer des Gesetzentwurfs ihre Einkommen nicht offenlegen wollten. Blaas plädierte dafür, die Zuständigkeit für die Vergütung endlich an die Landtage zu übertragen, wo der Hauptteil der Arbeit stattfinde. Er kündigte die Neinstimme seiner Fraktion zu den Gesetzentwürfen an.

Manuela Bottamedi (Lega Nord – Forza Italia) kündigte ihre Zustimmung zum Übergang zur Artikeldebatte an, es sei ein Gesetzentwurf, der aus dem Volk komme. Ihr gehe es vor allem darum, die Bürger von der Politik zu entlasten.

Andreas Pöder (BürgerUnion – Team Autonomie) warf dem ACLI, der öffentliche Beiträge beziehe, Scheinheiligkeit vor. Dieser wolle, dass die Abgeordneten ohne Rentenabsicherung, mit dem halben Gehalt und ohne Mitarbeiter arbeiten sollten. Die ACLI-Vertreter seien hingegen nicht bereit gewesen, ihre Einkommen offenzulegen.

Gesetzentwürfe zur Diäten- und Rentenregelung abgelehnt

Am Nachmittag wurde die Debatte zu den zwei Gesetzentwürfen zu Vergütungen und Rentenvorsorge zugunsten der Abgeordneten (Gesetzentwurf Nr. 70, Gesetzentwurf Nr. 72) wieder aufgenommen.

Der ACLI-Entwurf ähnle dem, den seine Fraktion 2014 eingebracht hatte, erklärte Filippo Degasperi (5 Sterne Bewegung), enthalte aber einige Unzulänglichkeiten. Die Bürger hätten jedenfalls verstanden, dass die jüngsten Reformen zu den Leibrenten nichts gebracht hätten. 10.000 Unterschriften für den Gesetzentwurf seien nicht wenig.

Alessio Manica (PD) kritisierte die Festschreibung des Entschädigungsbetrags im Gesetzentwurf. Bevor man einen Betrag festlege, müsse man sich im Klaren sein, welche Aufgaben ein Abgeordneter habe. Die Abgeordneten dieser Region hätten weniger Entschädigung und mehr Aufgaben als jene der Regionen mit Normalstatut. Die 10.000 Unterschriften seien aber ernst zu nehmen, sie zeugten von einem tiefen Bruch zwischen Politik und Gesellschaft. Ein offener Dialog sei dringend notwendig.

Wenn man die Entschädigungen mit jenen der Senatoren vergleiche, seien sie niedrig, wenn man sie mit den Renten der Normalbürger vergleiche, seien sie hoch, meinte Walter Kaswalder (gemischte Fraktion). Einen Dialog anzubieten, sei zu wenig, man müsse endlich etwas tun. Andererseits würden auch Spitzenbeamte Beträge verdienen, die jene der Abgeordneten überstiegen. Die Politik habe ihre Kosten, aber es brauche Transparenz. Man hätte den ACLI-Gesetzentwurf da und dort verbessern können, es wäre falsch, ihn rundweg abzulehnen. Kaswalder kündigte seine Zustimmung an.

Claudio Cia (Lega Nord – Forza Italia) kündigte ebenfalls Zustimmung an. Was er am Gesetzentwurf bemängle, sei einzig, dass er auch die Gelder für die Fraktionen streichen wolle, aber ohne Mitarbeiter könnten die Abgeordneten keine Gesetzentwürfe oder andere Initiativen vorlegen. Es sei offensichtlich, dass die jüngsten Versuche, die Leibrenten zu kürzen, von den Bürgern als unzureichend erachtet würden.

Maurizio Fugatti (Lega Nord – Forza Italia) bezeichnete den Entwurf als demagogisch, die ACLI hätte eigentlich ein anderes Niveau. Ein Abgeordneter, der 7.500 Euro brutto verdiene, könne nicht aus eigener Tasche einen Mitarbeiter zahlen, und dass die Abgeordneten auch Abgaben an ihre Partei leisteten, sei den Bürgern egal. Der Entwurf von Borga hingegen sei mehr eine Provokation. Der Übergang zur Artikeldebatte über den Gesetzentwurf Nr. 70 wurde mit zehn Ja, 40 Nein und vier Enthaltungen abgelehnt. Rodolfo Borga betonte, dass sein Gesetzentwurf keine Provokation sei sondern ein Anstoß zum Nachdenken. Man könnte ein Referenzgehalt hernehmen – eines Lehrers oder eines Beamten oder einer Krankenschwester – und dann das Pensum mit jenem eines Abgeordneten vergleichen. Dann würde die Bevölkerung eine Entschädigung auch verstehen.

Filippo Degasperi kündigte an, nicht für den Entwurf Borgas zu stimmen.  Der Übergang zur Artikeldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 70 wurde mit acht Ja, 33 Nein und 14 Enthaltungen abgelehnt. Anfrage Nr. 224 mit mündlicher Beantwortung, eingebracht vom Abg. Borga, um von der Regionalregierung Auskunft darüber zu erhalten, ob die Region beabsichtigt, in der Gemeinde Aichholz das regionale Abschiebezentrum für Ausländer, denen keine Form des internationalen Schutzes zuerkannt worden ist, zu errichten.

Die Antwort lautet nein, antwortete Vizepräsident Ugo Rossi, denn die Region habe nicht die Zuständigkeit, solche Zentren einzurichten. Es gehe um das Zentrum, das der Staat einrichten wolle, und auf das die Regionalregierung sicher ihren Einfluss haben werde, replizierte Borga. Damit war die Tagesordnung der heutigen Sitzung erschöpft. Der Regionalrat tritt im April wieder zusammen.

Von: luk

Bezirk: Bozen