Warum steuert Südtirol auf einen Hausärztemangel zu?

„Rückzahlungsklausel schreckt ab“

Donnerstag, 15. März 2018 | 08:48 Uhr

Bozen – Mehrere Ärzte haben sich in einem Offenen Brief an Gesundheitslandesrätin Martha Stocker mit möglichen Gründen für den Hausärztemangel in Südtirol beschäftigt. Der 31-jährige Hausarzt Martin Lochmann aus Bozen und seine 32 Mitunterzeichner glauben, dass die zweijährige Dienstverpflichtung und insbesondere die Rückzahlungsklausel – neben anderen Gründen – Jungärzte von einer Rückkehr nach Südtirol und einer Ausbildung dort abhalten.

„Ich habe 2017 die dreijährige Ausbildung für Allgemeinmedizin abgeschlossen – und mich, obwohl ich nie vorhatte Südtirol zu verlassen, auch an einer Klage gegen die zweijährige Dienstverpflichtung und der damit einhergehenden Rückzahlungsverpflichtung von mindestens 80.000 Euro beteiligt. Wie Sie sicher wissen, haben meine Kollegen und ich vor Gericht gegen die Provinz verloren, und wenn ich heute diesen offenen Brief schreibe, dann nicht aus Frust oder Wut, sondern aus ehrlicher Sorge um die Zukunft der medizinischen Grundversorgung in Südtirol“, schreibt Lochmann.

Ihm sei sehr wohl bewusst, dass Südtirol – genauso wie Italien und der Rest Europas – auf einen Hausärztemangel zusteuere. Oberflächlich betrachtet, leuchte es daher ein, die Hausärzte, die hier mit Südtiroler Steuergeldern ausgebildet wurden, mittels einer Dienstverpflichtung im Land zu halten.

„In Zeiten der Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit werden sich jedoch immer weniger junge Ärzte finden, die bereit sind, dieses enorme finanzielle Risiko auf sich zu nehmen, vor allem nicht wenn die deutschsprachigen Nachbarländer dieselbe Ausbildung und Arbeit zu deutlich besseren Bedingungen und gänzlich ohne Dienstverpflichtungen und Rückzahlungsklauseln anbieten“, sind die Ärzte überzeugt.

Eine 2017 durchgeführte Befragung der Allgemeinmediziner innerhalb der Sonderausbildung habe ergeben, dass fast 90 Prozent der zukünftigen Hausärzte glauben, dass die zweijährige Verpflichtung und die damit einhergehende Rückzahlungsklausel junge Ärzte davon abhält, die Ausbildung in Südtirol zu machen.

Lochmann schreibt weiter:

„Während die 3-jährige Hausärzte-Ausbildung in Südtirol in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal voll besetzt war (pro Jahrgang könnten 25 Hausärzte ausgebildet werden), haben die entsprechenden Kurse in den anderen italienischen Provinzen deutlich mehr Anfragen als Ausbildungsplätze und müssen unzählige Bewerber ablehnen.

Auch fällt auf, dass seit der Einführung der Rückzahlungsklausel 2014, die Zahl der Kursteilnehmer, v.a. jener mit Südtiroler Wurzeln, rückläufig ist: Haben 2014 noch 21 Kursteilnehmer die Ausbildung begonnen (davon 7 Südtiroler), waren es 2015 nur noch 16 (davon 4 Südtiroler), und 2016 gar nur noch 9 (davon 3 Südtiroler).“

So lasse sich laut Ansicht der unterzeichnenden Mediziner der drohende Hausärztemangel nicht bekämpfen. Im Gegenteil, er werde sich verschärfen.

Die Ärzte schließen ihren Brief mit einen Appell an die Politik:

„Ich und die Mitunterzeichner dieses Briefes bitten Sie daher inständig die Regelung der 2-jährigen Dienstverpflichtung, v.a. aber die damit einhergehende Rückzahlungsklausel zu überdenken, abzuändern oder gar ganz abzuschaffen.

Letztens geht es Ihnen und uns ja um dasselbe, nämlich um die Sicherung der medizinischen Grundversorgung auch in schwierigen Zeiten. Bitte helfen Sie uns, damit sich das Problem des Hausärztemangels in Südtirol nicht unnötig durch das Beharren auf einer sicher gut gemeinten aber – in unseren Augen – kontraproduktiven Regelung noch weiter verschärft.“

Von: mk

Bezirk: Bozen