Von: mk
Moskau – Während Kreml-Despot Wladimir Putin mit vermeintlichem Wirtschaftswachstum prahlt, sehen Experten in Russland das anders. Dazu zählt unter anderem German Gref, Chef der größten russischen Bank Sberbank.
Laut „Newsweek“ warnt er davor, dass die russische Wirtschaft im Jahr 2026 vor großen Herausforderungen stehe: Dazu zählen in erster Linie die steigende Inflation und hohe Zinsen. Dem Bankenchef zufolge können diese Probleme nicht so schnell gelöst werden.
Gegenüber der Wirtschaftszeitung „RBC“ sagte Gref, dass die geopolitischen Entwicklungen und das BIP-Wachstum entscheidend für das Ausmaß der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im kommenden Jahr sein würden.
Die russische Zentralbank hat unterdessen den Leitzins im Juni von 21 auf 20 Prozent gesenkt. Wie Newsweek berichtet, soll der hohe Leitzins dazu beitragen, die Inflation in Höhe von 9,9 Prozent zu senken. Allerdings befürchten Experten, dass der hohe Leitzins Unternehmen daran hindert, dringend benötigte Investitionen zu tätigen.
Russlands Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow sieht die Situation ähnlich brenzlig. Ihm zufolge deutet das aktuelle Unternehmensklima darauf hin, dass Russland „an der Schwelle zu einer Rezession“ stehe. Seine Forderung, den hohen Leitzins zu senken, kam die Zentralbank bislang nicht nach.
Wie Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche gegenüber „Newsweek“ erklärt, herrscht in Russland ein gewisses Maß an Freiheit bei wirtschaftspolitischen Debatten. Meinungen, die bis zu einem gewissen Grad von Putins Vorgaben abweichen, werden bis zu einem bestimmten Maß toleriert.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Russlands sind unter anderem auf die Sanktionen des Westens nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, auf den Mangel an Arbeitskräften aufgrund des Krieges und auf steigende Militärausgaben zurückzuführen. Nicht zuletzt fügt die Ukraine Russlands Öl- und Gasindustrie mit gezielten Drohnenangriffen kontinuierlich empfindliche Schläge zu. Russlands Wirtschaft droht insgesamt immer fragiler zu werden.
Russlands Einnahmen aus Öl und Gas brechen ein
Russlands Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft sind nach offiziellen Angaben im Juni auf den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren gefallen. Sie brachen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 33,7 Prozent auf 494,8 Mrd. Rubel (5,3 Mrd. Euro) ein, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des Finanzministeriums in Moskau hervorgeht. Als Gründe wurden niedrigere Ölpreise und ein stärkerer Rubel genannt.
Im ersten Halbjahr sank das für den Kreml wichtige Aufkommen aus dem Energiegeschäft den Angaben zufolge damit um fast 17 Prozent auf 4,47 Bio. Rubel. Der Rückgang der Erlöse trifft Russland in einer Zeit stark steigender Militärausgaben für den Krieg in der Ukraine. Die Regierung hat die Verteidigungsausgaben für das laufende Jahr auf 6,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Dies ist der höchste Stand seit dem Kalten Krieg. Die Verteidigungsausgaben machen damit 32 Prozent der gesamten Ausgaben für 2025 aus.
Finanzministerium senkte Prognose
Das Finanzministerium hatte seine Prognose für die Öl- und Gaseinnahmen in diesem Jahr bereits von ursprünglich 10,94 auf 8,32 Bio. Rubel gesenkt. Im vergangenen Jahr beliefen sie sich noch auf 11,13 Bio. Rubel. Die Erlöse aus dem Verkauf von Öl und Gas sind die wichtigste Einnahmequelle für den russischen Staatshaushalt und machen etwa ein Viertel der gesamten Budgeteinnahmen aus.
Die russische Zentralbank kündigte unterdessen an, ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr anzupassen. Das Wachstum werde niedriger ausfallen als prognostiziert, sagte der stellvertretende Notenbankchef Alexei Zabotkin. Die Zentralbank prognostiziert bisher ein Wirtschaftswachstum zwischen ein und zwei Prozent. 2024 lag es noch bei 4,3 Prozent, angekurbelt durch die stark gestiegene Produktion in der Rüstungsindustrie. Die neue Prognose soll voraussichtlich am 25. Juli veröffentlicht werden.
Auch Propagandisten zweifeln
Ob Russland seinen militärischen und wirtschaftlichen Kurs weiterhin aufrechterhalten kann, darüber wird auch in Russland immer mehr gezweifelt. Selbst Propagandisten wie Moderator Wladimir Solowjow stellten zuletzt infrage, ob Russland wirklich die ganze Ukraine erobern müsse. Dies war von Putin ursprünglich als Kriegsziel ausgegeben worden.
Solowjow zählt zu den großen Einpeitschern der Kreml-Propaganda, deren Gesichter Tag und Nacht über die Fernsehbildschirme flimmern und die Bevölkerung auf Kriegskurs halten sollen.
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