Von: APA/AFP/dpa/Reuters
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besteht bei dem von Russland für Donnerstag vorgeschlagenen Treffen in Istanbul auf einer Begegnung mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Er wolle in dieser Woche in Istanbul persönlich mit Putin eine bedingungslose 30-tägige Waffenruhe aushandeln, sagt Selenskyj am Dienstag vor der Presse. Denn nur Putin könne eine solche Waffenruhe durchsetzen, “absolut alles in Russland” hänge von ihm ab.
Er erwarte “harte Sanktionen” der USA und der Europäischen Union gegen Russland, sollten die Gespräche nicht stattfinden. Ein Scheitern würde zeigen, dass Russland nicht zur Diplomatie bereit sei. “Wenn er den Schritt unternimmt und erklärt, dass er zu einer Waffenruhe bereit ist, dann öffnet das den Weg für die Diskussion aller Elemente zur Beendigung des Krieges”, fügt Selenskyj mit Blick auf Putin hinzu. “Ich erwähne nicht einmal, dass er Angst vor direkten Gesprächen mit mir hat.”
Er selbst werde sich zunächst in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen und dann nach Istanbul weiterreisen, sollte Putin dort eintreffen, erklärt Selenskyj. Die Ukraine habe auch US-Präsident Donald Trump zu dem Treffen am Donnerstag eingeladen, seine Teilnahme sei aber noch nicht bestätigt. Trump, der sich diese Woche im Nahen Osten aufhält, hatte am Montag selbst erklärt, er schließe eine Reise in die Türkei nicht aus. Selenskyj sagte zudem, China habe signalisiert, dass es eine 30-tägige Waffenruhe unterstütze. Diese sei notwendig, bevor es zu Friedensgesprächen kommen könne.
Die deutsche Bundesregierung sprach sich für die Verhängung weiterer EU-Sanktionen gegen Russland aus, sollte es in dieser Woche keine Fortschritte hin zu einem Ende des Krieges geben. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte, man warte auf die Zustimmung Putins und sei sich auf europäischer Ebene über eine deutliche Verschärfung der Sanktionen einig. Er sei “entschlossen, Sanktionen gegen Russland mit aller Konsequenz auf den Weg zu bringen”, so Merz. “Der Ball liegt ausschließlich in Russland”, betonte er bei einer Pressekonferenz mit seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis. Ähnlich äußerte sich der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. Putin verhalte sich in den Diskussionen über eine Waffenruhe “wie üblich”. Daher müssten jetzt Konsequenzen gezogen werden, forderte er schärfere Sanktionen und mehr westliche Militärhilfe für Kiew.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, dass Russland an Friedensverhandlungen mit der Ukraine in der Türkei interessiert ist. “Sie bombardieren immer noch die Ukraine. Wenn sie an Frieden interessiert wären, könnten sie sofort damit aufhören”, sagte die Estin am Rande eines Demokratiegipfels in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Russland spiele auf Zeit und habe bisher keinerlei Bemühungen hin zu Frieden gezeigt, kritisierte Kallas. Zu einem möglichen Friedensgespräch zwischen dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und Kremlchef Putin sagte sie später, dass es ein guter Schritt sei, wenn sie sich tatsächlich zusammensetzen würden. «Aber ich glaube nicht, dass er sich traut, Putin», fügte sie hinzu.
Telefonate vor Treffen in Istanbul
Unterdessen gingen die diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand weiter. So telefonierte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan. Wenige Stunden danach teilte das US-Außenministerium mit, US-Außenminister Marco Rubio habe mit seinen europäischen Amtskollegen über “den Weg zu einem Waffenstillstand in der Ukraine” telefoniert. An dem Gespräch hätten der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha, die Außenminister von Deutschland, Polen, Großbritannien und Frankreich sowie die EU-Außenbeauftragte teilgenommen.
Putin hatte am Wochenende Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen vorgeschlagen, die am Donnerstag in Istanbul stattfinden sollten. Selenskyj hatte sich daraufhin zu einem Treffen mit Putin in der türkischen Bosporus-Metropole bereit erklärt. Zudem bot US-Präsident Donald Trump auch seine Teilnahme an, was von Selenskyj begrüßt wurde. Russland hat allerdings noch nicht erklärt, ob und auf welcher Ebene es an den Gesprächen teilnehmen wird. Auch am Dienstag verweigerte ein Kreml-Sprecher einen Kommentar zum Vorschlag Selenskyjs und sagte lediglich, dass sich die russische Delegation auf Gespräche in der Türkei vorbereite.
Europäisches Ultimatum
Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten haben versucht, Moskau unter Druck zu setzen, einen bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand zu akzeptieren. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen hatten bei einem Treffen in Kiew am Samstag eine 30-tägige Waffenruhe ab Montag als Voraussetzung für Friedensgespräche genannt. Sollte Russland bis dahin seine Angriffe auf die Ukraine nicht einstellen, würden Deutschland und die europäischen Verbündeten mit der Vorbereitung neuer Sanktionen beginnen, sagte der Sprecher der deutschen Bundesregierung, Stefan Kornelius, am Montag in Berlin. Der ukrainische Präsident Selenskyj müsse selbst entscheiden, ob er auch ohne einen Stopp der Kämpfe am Donnerstag in der Türkei Gespräche mit Russland führen wolle.
In Moskau erklärte Kreml-Sprecher Peskow, dass Putin seinen Vorschlag für Gespräche in der Türkei ernst meine. “Wir sind einer ernsthaften Suche nach Wegen für eine langfristige friedliche Lösung verpflichtet”, sagte Peskow. Der russische Ansatz, die Grundursachen des Konflikts zu beseitigen, werde von vielen Ländern unterstützt. Zu Details wollte er sich nicht äußern. Zugleich wies er die Forderungen der Europäer zurück. “Die Sprache der Ultimaten ist für Russland inakzeptabel, sie ist nicht angemessen. Eine solche Sprache kann man mit Russland nicht verwenden”, sagte Peskow auf die Frage nach den europäischen Warnungen.
Russischer Drohnenangriff schwächer als zuletzt
Russland hat die Ukraine in der Nacht mit deutlich weniger Drohnen als gewöhnlich attackiert. Die russische Armee habe mit zehn Drohnen angegriffen, die alle von der Luftabwehr abgeschossen worden seien, teilt die ukrainische Luftwaffe mit. Dies ist nach Berechnungen von Reuters die niedrigste Anzahl von Drohnen seit mindestens mehreren Wochen, die Russland bei einem nächtlichen Angriff eingesetzt hat. Das russische Verteidigungsministerium verkündete am Dienstag zudem die Einnahme der Ortschaft Myrojubiwka in der Region Donezk.
Am Montag hatte es 133 russische Angriffe an verschiedenen Abschnitten gegeben, teilte der Generalstab in Kiew in der Nacht auf Dienstag mit. Allein bei der Kleinstadt Pokrowsk im Gebiet Donezk seien 50 Attacken abgewehrt worden. Daneben seien von diversen Abschnitten 45 russische Luftangriffe sowie zahlreiche Attacken mit sogenannten Kamikaze-Drohnen gemeldet worden. Die Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.
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