Prinzip „Beraten statt Strafen“

Sicherheit am Arbeitsplatz: Begehrensantrag der SVP angenommen

Freitag, 14. April 2023 | 15:32 Uhr

Bozen – Der Landtag hat heute einen Begehrensantrag zu Arbeitssicherheit der beiden SVP-Abgeordneten Gerhard Lanz und Helmut Tauber genehmigt. Der Landtag fordert damit die italienische Regierung sowie das Parlament auf, bei einer Überarbeitung der Bestimmungen der Sicherheit am Arbeitsplatz das Prinzip „Beraten statt Strafen“ in die Thematik einzuführen. Vor allem bei weniger gravierenden Übertretungen und unter bestimmten Voraussetzungen soll das Prinzip „Beraten statt Strafen“ konsequent angewandt werden. Die Anwendung von Strafen sei erst nach Wiederholung des Vergehens anzuwenden.

Sinn des Antrages ist es, wie Gerhard Lanz (SVP) erklärte, dass der Strafe eine Beratung vorausgehe. Dem Betrieb solle die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb einer festgelegten Frist die Dinge in Ordnung zu bringen. Dies werde auch in der Schweiz, in Österreich oder Deutschland so gehandhabt. Bei einem Gespräch mit Experten, wie es die Kontrolleure seien, könne die Sensibilität für das Thema geweckt werden. Es gebe viele Situationen, die man so oder so bewerten könne. Bei den Kontrollen der bilateralen Körperschaft habe die Beratung Priorität. Vor kurzem sei in der Abgeordnetenkammer eine Kommission eingerichtet worden, die sich mit dem Thema beschäftige. Mit diesem Begehrensantrag wolle man der Kommission dieses Anliegen vermitteln. Es gehe immer auch um die Differenzierung, welche Art von Vergehen festgestellt wurde.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) teilte das Prinzip “Beraten vor Strafen”. Es sei aber auch zu sagen, dass es nie zu Strafen wegen formeller Kleinigkeiten komme; bei solchen Kontrollen werde beraten, nicht bestraft. Das Problem bestehe bei Unfällen, da müsse der Unternehmer um seinen Betrieb bangen. In Südtirol gebe es vor allem in der Landwirtschaft viele Arbeitsunfälle.

Helmut Tauber (SVP) zeigte sich damit nicht einverstanden. Es komme immer wieder zu Strafen, und die Auflagen nähmen zu. Natürlich sei man sensibel, wenn es um die Sicherheit gehe, und dazu gebe es viele Beratungsinstanzen. Man müsse aber dieses Prinzip “Beraten statt strafen” stärken.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) wies auf die Zunahme der Arbeitsunfälle hin, auch jener mit tödlichem Ausgang. In Südtirol gebe es ein paritätisches System, das gut funktioniere. Aber wenn es um die Sicherheit gehe, müsse man streng sein. “Die Scherereien sind meine, die Haut ist eure”, habe sein Vater, ein Bauunternehmer, zu seinen Mitarbeitern gesagt.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) kündigte an, seine Fraktion werde nicht für den Antrag stimmen. Man sei für mehr Beratung, aber nicht als Ersatz für die Strafen. Die jüngsten Statistiken zeigten, dass Südtirol bei den Arbeitsunfällen eine höhere Fallzahl habe, auch als das Trentino. Dort gebe es 38 Arbeitsinspektoren, in Südtirol 15. Man wolle eben die Wirtschaft nicht stören.

Sicherheit am Arbeitsplatz sei Gesundheitsvorsorge, so Franz Ploner (Team K). Pro Jahr würden beim Inail zwischen 15.000 und 16.000 Arbeitsunfälle gemeldet, etwa 44 pro Tag – das sei bedenklich. Es gebe seit 2020 die Koordinierungsstelle “Sicherheit und Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz”, ein 20-köpfiges Gremium, das sich um das Thema kümmern müsse. Es gebe viele, die in Südtirol, Arbeitssicherheitsausbildung anbieten, doch es wäre notwendig, viel mehr auf Prävention zu setzen. Es müsse das Ziel sein, die Vielzahl der Unfälle, die man habe, zu verhindern, dies im Wissen, dass es auch Sanktionen gebe. Er beantragte eine getrennte Abstimmung nach Prämissen und einzelnen Punkten.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sagte, die Süd-Tiroler Freiheit werden diesen Antrag mit Überzeugung mittragen – aber nicht, weil man die Arbeitssicherheit nicht ernst nehme. Allerdings machten die Sicherheitsbestimmungen mitunter ein normales Arbeiten nicht mehr möglich. Die Statistiken müssten genauer angeschaut werden: Wo passierten die Unfälle? In der Landwirtschaft oder auf Baustellen? Es gelte aber auch u.a. zu unterscheiden, ob man von Gebieten spreche, in denen Landwirtschaft in der Ebene oder am Berg stattfinde. Ein Problem sei zudem, dass Formulare nur auf Italienisch zur Verfügung stünden. Das Prinzip könne nicht immer nur jenes des Strafens sein. Jeder Unternehmer sei darum bemüht, dass es seinen Mitarbeitern gesundheitlich gut gehe.

Josef Unterholzner (Enzian) betonte, dass jeder Arbeitsunfall einer zu viel sei – deshalb sei er mit dem vom Kollegen Ploner Gesagten voll einverstanden. Aus eigener Erfahrung könne er sagen: In Thüringen habe nach einem schweren Arbeitsunfall ein fünfminütiges Telefonat mit dem Arbeitsinspektorat gereicht; in Südtirol sei bei einem viel geringerem Unfall das Ergebnis gewesen: drei Jahre Strafverfahren, mehr als 500.000 Euro Zahlungen und 179 Stunden Sozialdienst – dies, obwohl der Mitarbeiter erklärt habe, dass es sein Fehler gewesen sei. Es fehlten im vorliegenden Begehrensantrag die Punkte weniger Auflagen und weniger Bürokratie. Bei den Kontrollen gehe es Großteils darum, ob der Bürokratieanteil an der Arbeitssicherheit auch gemacht werde. Er gehe davon aus, dass in Südtirol mehr gearbeitet werde, und dass es deshalb hierzulande mehr Arbeitsunfälle als im Trentino gebe. Er unterstütze den Antrag und hoffe, dass er in Rom Wirkung zeige.

Was trage zu einer Sicherheitskultur am Arbeitsplatz bei, fragte LR Philipp Achammer. Dies seien nicht Strafen und auch nicht die Anzahl der Arbeitsinspektoren. Die Faktoren, die die Arbeitsunfälle antrieben, sind sehr häufig der Druck, auch der zeitliche. Man müsse fragen, was man dafür tun könne, um Arbeitsunfälle zu vermeiden – präventiv. Er erinnerte an einen Gesetzesentwurf der Landesrätin Stocker in der vorherigen Legislatur zum Thema, der dann zurückgezogen worden sei, weil man eine Anfechtung befürchtet habe. Doch der Begehrensantrag sei richtig, weil diese Diskussion auf einer anderen Ebene geführt werden müsse. Es brauche eine Vielzahl von Maßnahmen, es brauche Einsehen. Das wirke oft mehr als Strafen. Deshalb Zustimmung zum Antrag.

Gerhard Lanz (SVP) bedankte sich für die klaren Aussagen des Landesrates, die er auch in einigen der Wortmeldungen gehört habe. Strafen seien keine Prävention. Er habe es bisher nicht so erfahren, wie der Kollege Nicolini gesagt habe, dass es bereits heute so wäre, dass Beratung den Sanktionen vorgezogen werde – auch weil es gesetzlich nicht möglich ist. Man sollte sich überlegen, wo, bei welchen Vergehen es Sinn mache, dass eine Beratung einer Sanktionierung vorausgehe. Der Antrag solle nicht dazu führen, dass mehr Arbeitsunfälle passierten. Einer der Faktoren, weshalb die Zahl der Arbeitsunfälle in Südtirol höher sei als andernorts, seien die geografischen Gegebenheiten. Südtirol habe eine sehr gute Gesundheitsvorsorge, deshalb sei die Anzahl der registrierten Arbeitsunfälle ebenfalls höher. Es gebe auch immer wieder Fälle, wo der Arbeitnehmer sagt, es sei alles gemacht worden und der Arbeitsunfall sei seine Schuld, und das Ergebnis sei – wie beim Kollegen Unterholzner – Sozialstunden. Da fehle es an Wertschätzung.

Der Antrag wurde nach Prämissen und Punkten des beschließenden Teils getrennt abgestimmt: Die Prämissen wurden mit 23 Ja, zwei Nein und vier Enthaltungen angenommen, Punkt eins wurde mit 26 Ja und zwei Nein abgenommen und Punkt zwei mit 23 Ja und sechs Nein angenommen.

Von: mk

Bezirk: Bozen