Hohe Strompreise im Südtiroler Landtag Thema

STF-Antrag zur Energiekosten-Senkung abgelehnt 

Donnerstag, 13. Oktober 2022 | 12:22 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag wurde am Donnerstag der Antrag der Süd-Tiroler Freiheit für Maßnahmen zur Senkung der Stromkosten abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 626/22: Senkung der Stromkosten und Maßnahmen gegen die Teuerung (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 23.09.2022, Ersetzungsantrag vom 12. 10. 2022). 1. Die Südtiroler Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag innerhalb der nächsten drei Monate ein Konzept für eine echte Südtiroler Strom-Autonomie vorzulegen. Dieses soll dem Landtag die Möglichkeiten und notwendigen gesetzlichen Anpassungen zur Umsetzung einer eigenen Südtiroler Regulierungsbehörde, zur Produktion und Vertrieb über kleine Genossenschaften, als auch für die Einrichtung einer eigenen Südtiroler Tarifzone aufzeigen. 2. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, die Strom-Hilfsleistungen bzw. Ausgleichszahlungen nicht nur für Alperia-Kunden, sondern für alle bedürftigen Bürger ─ unabhängig von ihrem Stromanbieter ─ zur Verfügung zu stellen. 3. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, im Haushalt weitere Finanzmittel von insgesamt mindestens 300 Millionen Euro zur Unterstützung der Bürger und Betriebe gegen die Teuerung zur Verfügung zu stellen.

Bürger und Betriebe seien derzeit stark unter Druck wegen der Strompreise, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Südtirol produziere mehr Strom als es brauche, spiele aber am Strommarkt keine Rolle. Eine eigene Regulierungsbehörde wäre auch gemäß EU-Norm zulässig, und es sei unverständlich, warum man das nicht tue. Auch über Genossenschaften ergäbe sich eine regionale Zuständigkeit. Eine dritte Möglichkeit wäre eine eigene Tarifzone, von denen es in Italien bereits mehrere gebe. Der Landtag solle diese drei Möglichkeiten abwägen und dann die geeignete Lösung finden. Nichts zu tun, wäre verantwortungslos. Das Land verzichte auf seine Alperia-Dividenden, damit Alperia die Rechnungen senken könne – das sei verständlich, aber auch eine Marktverzerrung. Alle Bürger sollten dieselbe Unterstützung bekommen. In Österreich bekomme jeder Bürger 500 Euro Bonus, das Land Niederösterreich lege 1.200 Euro Soforthilfe drauf. Südtirol müsse deshalb sein Hilfspaket deutlich aufstocken.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) fragte, wo man die 300 Mio. finden wolle. Einem Wipptaler Gastwirt wollte der Stromlieferant 5.000 Euro bieten, wenn er jetzt aus seinem günstigen Vertrag (37 Cent/kWh) aussteige. Wenn er dann 60 und mehr Cent zahlen müsste, müsste er Mitarbeiter entlassen. In den letzten Jahrzehnten habe man allein auf das Gas gesetzt, wahrscheinlich auch aus Machtgründen. Man sollte diesen Fehler eingestehen und einen neuen Weg einschlagen.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstützte den Vorschlag in Punkt 1, den Weg für eine Stromautonomie auszuloten. Er stimmte auch zu, dass man nicht nur die Alperia-Kunden entlasten dürfe. Damit ermögliche man es Alperia, ihre Kunden zu halten. Etwas anderes wäre, wenn das Land die Dividenden kassiere und sie als Bonus an alle Bürger verteile. Der Weg des Gratisstroms sei besser zu nutzen, indem man, wie das Trentino, diesen Vorteil an die Bürger weitergebe.

Kein Mensch verstehe, dass kein Südtiroler von der Heimholung der Wasserkraft profitiere, bemerkte Josef Unterholzner (Enzian). Es sei kontraproduktiv, wenn man den Bürgern das Geld aus der Tasche ziehe, um es dann wieder zu verteilen. Wenn man allen Stromverteilern einen Beitrag gäbe, könnten diese die Preise für alle verringern. Es sei auch unverständlich, dass Rom diese Preissteigerungen zulasse.

Wer den geschützten Tarif habe, habe die “Weihnachtsüberraschung” noch nicht bekommen, meinte Paul Köllensperger (Team K), es werde schlimm werden. Die Strompreise würden hoch bleiben, daher müsse man sich dringend Strategien überlegen, wie man das Problem an der Wurzel packe. Es gebe in Italien mehrere Tarifzonen, das Statut würde eine eigene für Südtirol ermöglichen. Ebenso könnte man auf Genossenschaften setzen, die ihren Strom günstig abgeben könnten. Die guten Gewinne der Alperia im letzten Jahr habe sich Draghi geholt. Er habe sich, genauer gesagt, einen Teil des Umsatzes geholt, und das vor allem bei Strom aus erneuerbaren Quellen. Köllensperger fragte, ob dazu ein Rekurs geplant sei. Auch der versprochene Strombonus sei endlich umzusetzen.

Der Beschlussantrag komme 20 Jahre zu spät, erklärte Josef Noggler (SVP). Vor 20 Jahren hätte er zugestimmt, aber damals hätten sich STF und Freiheitliche für die Gründung der SEL AG ausgesprochen. Die SEL habe sich zu einem Betrieb entwickelt, der gut funktioniere. Eine Rückkehr zu Genossenschaften würde zur Auflösung der Alperia führen und die Konkurrenz würde lachen. Eine Genossenschaft ohne Produktion würde nicht funktionieren, und diese Produktion sei bereits vergeben. Die einzige Möglichkeit in diese Richtung wäre die Übertragung der Alperia an die Gemeinden, wobei das Land nur mehr die Aufsichtsfunktion hätte. Die Lösung über kleine Genossenschaften sei nicht mehr möglich. Er werde daher gegen den Antrag stimmen.
Soforthilfen seien richtig, aber zu wenig, erklärte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) und stimmte einer Erhöhung des Hilfspakets zu. Aber auch das würde nur die nächsten drei Rechnungen betreffen. Die wirkliche Lösung liege im Aufbau der Energieautonomie. Er könne sich eine Regulierungsbehörde auch auf regionaler Ebene vorstellen. Wichtig sei, dass die Südtiroler einen von der aktuellen Preiswelle unabhängigen Strom hätten. Die Preissenkung über den Verzicht auf Alperia-Dividenden sei eine Wettbewerbsverzerrung.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) hatte den Eindruck, dass die SVP nicht nach Lösungen suche, sondern nach Möglichkeiten, um eine Lösung zu verhindern. Tatsache sei, dass Private und Betriebe die Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten. Daher müsse man als nächstes den Leuten wenigstens über den Winter helfen, um Zeit zu gewinnen. An diesen Preisen sei nicht der Ukrainekrieg schuld, die Teuerungen hätten schon früher angefangen. Rechtsgutachten würden belegen, dass Südtirol die Möglichkeiten zu einer Stromautonomie hätte.

Hanspeter Staffler (Grüne) hielt die Punkte 2 und 3 für besonders aktuell, das andere sei langfristig angelegt. Europaweit würden derzeit sämtliche Länder eingreifen, um Private und Unternehmen zu unterstützen. Man sei also in bester Gesellschaft. Deutschland wolle 200 Mrd. ausschütten, Österreich 4 Mrd., auch Italien habe etwas getan, z.B. bei den Treibstoffpreisen, auch wenn das nicht ganz nachvollziehbar sei. In diesen Zeiten müsse man auch den Spargedanken unterstützen. Unterstützung solle es vor allem für die einkommensschwachen Haushalte geben.

Vor zwei Jahren habe man für den Strom sieben Cent gezahlt, heute über 50 Cent, bemerkte Franz Locher (SVP). Die Situation sei aus den Gleisen geraten. Es gebe heute verschiedenste Vorschläge, alle wüssten alles, aber niemand habe den Überblick. Aber es sei heute etwas zu tun. Er sei einverstanden, dass alle Betroffenen zu unterstützen seien, nicht nur die Kunden eines Stromverteilers.

Jeder sehe die “größtmögliche Stromautonomie” anders, meinte Gerhard Lanz (SVP). Man sollte zunächst einmal klären, was man sich darunter vorstelle. Man rede über rechtmäßig erworbene Stromkonzessionen, die man jetzt unter ein Genossenschafts- oder ein anderes Konzept stellen möchte. Lanz wehrte sich auch gegen den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung; wenn Stadtwerke so etwas machen würden, rege sich niemand auf. Die Diskussion gehe am eigentlichen Problem vorbei. Bereits während der Pandemie habe es Preissteigerungen gegeben, aber der richtige Schub habe mit dem Ukrainekrieg angefangen. Mit dem vorliegenden Antrag könne er wenig anfangen.

Die Preise seien derzeit in ganz Europa hoch, erklärte Magdalena Amhof (SVP). Was die Landesregierung nun vorschlage, sei nicht die langfristige Lösung, aber dringend nötig und mit jenen Geldern, die man zur Verfügung habe. Was Punkt 1 des Antrags fordere, sei gestern bereits beschlossen worden. Was die Punkte 2 und 3 betreffe, so liege das Entlastungspaket vor. Sie sei nicht für Hilfen nach dem Gießkannenbetrieb. Wenn der Staat die großen Betriebe fördere, so werde Südtirol schauen, was es für die kleinen tun könne.

Man arbeite seit geraumer Zeit an diesem Thema, berichtete LR Giuliano Vettorato. Dabei seien auch politische Entscheidungen zu treffen, wie zum Hilfspaket, das nun auf der Tagesordnung stehe. Vettorato wies darauf hin, dass das Land für ein solches Paket keine Schulden aufnehmen könne. Das Land plane mehrere Investitionen, um Südtirol unabhängiger zu machen. Zur Frage der Stromautonomie habe man die Universitäten Trient und Bologna mit einem Gutachten beauftragt. Natürlich dürfe es nicht nur für Alperia-Kunden Vorteile geben, man werde über den Haushalt alle berücksichtigen. Die Alperia werde mit den eingesparten Dividenden Angebote an ihre Kunden machen. Das Land und Alperia hätten gegen das Dekret “Sostegni ter” nicht rekurriert, man wolle aber mit der Regierung darüber reden.

Statt Lösungen zu suchen, mache man sich gegenseitig Vorhaltungen, kritisierte Sven Knoll den Verlauf der Debatte. Es würden Spitzfindigkeiten herausgesucht. Der Antrag fordere nicht, die Alperia aufzulösen und durch Genossenschaften zu ersetzen. Er zeige mögliche Wege auf und fordere dazu auf, sich diese anzuschauen. Südtirol müsse seinen Vorteil bei der Wasserkraft nutzen. Der Verzicht auf die Alperia-Dividenden benachteilige die Kunden anderer Verteiler. Mit den geforderten 300 Mio., der sich aus dem Vergleich mit Maßnahmen anderer Länder ergebe, könne man den Bürgern über den Winter helfen.

Punkt 1 des Antrags wurde mit 15 Ja und 16 Nein abgelehnt, Punkt 2 ebenso mit 15 Ja und 16 Nein, Punkt 3 mit 15 Ja, 15 Nein und einer Enthaltung.

Damit war die Zeit der Opposition vorbei.

Vor dem Übergang zu den Vorschlägen der Mehrheit wurden die Arbeiten für eine Sitzung des Fraktionssprecherkollegiums unterbrochen.

Von: luk

Bezirk: Bozen