Belohnung für „Drecksarbeit“?

SVP plant Vorzugsschiene für den Landtag

Mittwoch, 14. September 2016 | 12:00 Uhr

Bozen – Wer für die SVP den „Kopf hinhält“ oder in der Landesregierung ein „undankbares Ressort“ innehat, könnte 2018 erneut im Landtag sitzen, obwohl er vom Wähler bei den Vorzugsstimmen abgestraft wurde. Landeshauptmann Arno Kompatscher lancierte laut einem Bericht des Tagblatts Dolomiten in der SVP den Vorschlag, drei bis fünf Kandidaten über die Partei fix zu setzen.

Die Regelung soll in den SVP-Entwurf für ein neues Wahlgesetz einfließen. Wie in Deutschland, Österreich und weiten Teilen Italiens auch, würde die Partei also an einige Auserwählte eine Freikarte für den Landtag vergeben, während alle anderen um Vorzugsstimmen buhlen müssen.

Eingeführt werden soll laut SVP zudem das Grundmandat. Parteien, die weniger als 2,7 Prozent der Stimmen erhalten, müssten den Sessel im Landtag räumen. Nachdem der Vorstoß jener Arbeitsgruppe vom Tisch ist, die jedem Bezirk einen Abgeordneten im Landtag garantieren wollte, könnte Kompatschers Variante einen Vorteil für Problembezirke, wie etwa dem Wipptal bringen.

Nachteil ist, dass der Wählerwillen beschnitten wird. Und es könnten jene belohnt werden, die an „undankbaren Baustellen“ arbeiten und „wenig im Rampenlicht stehen“, wie der SVP-Fraktionssprecher im Landtag, Dieter Steger, erklärt.

Zudem präzisiert Steger laut „Dolomiten“: „Der Vorschlag kam nicht nur vom Landeshauptmann, sondern auch von anderen.“ Noch sei man aber „in der Phase der Ideensammlung.“

Klassisches Beispiel für Benachteiligte, die bei Landtagswahlen oft durchrasseln, wären etwa Bezirksobleute. Aus der Fraktion wird aber auch kolportiert, dass ebenso von Landesräten mit einem „schwierigen Ressort“ die Rede war.

Ein Schelm, wer dabei an Martha Stocker denkt. Deren Chancen auf eine gute Wiederwahl haben sich mit der Gesundheitsreform nicht erhöht. Fraktionsintern soll zudem von Christian Tschurtschenthaler, einem treuen Flugplatz- und Konvent-Vasall, die Rede sein. Spekulationen gibt es aber über Freikarte für Steger, der als Fraktionssprecher ausgleichen muss. Fixer Anwärter wäre laut Dolomiten wohl ein Wipptaler- vermutlich Bezirksobmann Karl Polig.

Obwohl der Vorschlag zumindest aus Sicht der Partei vernünftig klingen mag, könnte es durchaus noch zu Turbulenzen kommen. Je mehr fixe Plätze nämlich im Landtag vorab vergeben werden, desto schwieriger wird es für alle anderen auf der SVP-Liste, einen Sitz zu ergattern. Laut „Dolomiten“ wäre ein Hauen und Stechen um die begehrten Freikarten vorprogrammiert. Arbeitnehmer würden etwa nicht zuschauen, wenn zu viele davon an die Wirtschaft gehen. Dasselbe würde wohl für die Bezirke gelten.

Die Opposition schäumt

Um den Vorschlag durchzusetzen, braucht die SVP allerdings auch einen Grundkonsens mit der Opposition – und die schäumt gerade. Der Freiheitliche Landesparteiobmann und Landtagsabgeordnete Walter Blaas übt scharfe Kritik an den durchgesickerten Plänen der SVP hinsichtlich des künftigen Wahlmodus für den Landtag. Der Wählerwillen werde ad absurdum geführt, die Demokratie werde ausgehebelt und die Macht unabhängig vom Volk zementiert.

„In einer gesunden Demokratie haben sich die Politiker ausnahmslos dem Votum des Volkes zu stellen“, unterstreicht mit Nachdruck der Freiheitliche Landesparteiobmann Walter Blaas in einer Aussendung einleitend. „Die Legitimation zur Macht geht vom Volk aus und ist verfassungsrechtlich garantiert. Alles andere bedeutet Diktatur. Den SVP-Plänen, etliche Mandate im Landtag zu reservieren und der Stimme des Volkes zu entziehen, ist mit Widerstand zu begegnen“, betont Blaas.

„Ausschließlich dem Wähler steht es zu über die Zusammensetzung des Landtages zu bestimmen“, verteidigt Blaas die Demokratie. „Wer gewählt oder nicht mehr wiedergewählt wird entscheidet allein das Volk“, unterstreicht der Freiheitliche Landesparteiobmann.

„Wenn innerhalb der SVP solcherlei Vorschläge zur Machtsicherung diskutiert werden, muss Anspannung herrschen. Das ‚V‘ in ‚SVP‘ ist angesichts eines politischen ‚Belohnungssystems‘ für Auserwählte wohl kaum noch mit der Realität vereinbar. Was interessiert den Wähler parteiinterne Mehrarbeit in der SVP und die damit zusammenhängende Belohnung mit einem Landtagsmandat, wenn die Stimme des Volkes missachtet wird“, erörtert Blaas und warnt vor der Etablierung einer „gesteuerten“ Demokratie in Südtirol.

„In Zeiten der täglichen Predigten von Bürgernähe, Transparenz, mehr Demokratie und Mitbestimmung gleichen die SVP-Pläne einem Rückschritt in vordemokratische Zeiten“, hält Blaas abschließend fest und kündigt oppositionellen Widerstand an.

STF: „Wähler soll entscheiden, nicht Parteien!“

Die Süd-Tiroler Freiheit spricht sich dafür aus, dass auch weiterhin die Wähler mittels Vorzugstimmen entscheiden sollen, wer zukünftig im Landtag sitzt. Fixe Listenplätze einigen privilegierten Kandidaten vorzubehalten, wie die Südtiroler Volkspartei vorschlägt, sei eine Bevormundung der Wähler, so die Landtagsabgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll, Bernhard Zimmerhofer und Myriam Atz Tammerle.

Laut den Abgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit werde man mit dem so genannten Freikarten-System nicht mehr Wähler an die Urne bringen. Bei den Wählern würde der Eindruck entstehen, dass von den Parteien bereits im Vorfeld alles abgekartet worden ist. „Warum dann noch wählen?“, fragt sich die Süd-Tiroler Freiheit.

In der Tageszeitung „Dolomiten“ wird heute SVP-Obmann Philipp Achammer mit der Aussage zitiert: „Wenn man über Wahlgesetze diskutiert, gibt es immer Überlegungen, wie man die Partei stärken kann.“ Achammers Aussage sei für die Süd-Tiroler Freiheit ein klarer Beleg dafür, dass es der SVP nicht um ein gutes Landtagswahlgesetz gehe, sondern nur darum, die SVP zu stärken.

Der so genannte Freikarten-Vorschlag der SVP zeige einmal mehr deren Hilflosigkeit auf. „Die geplante Änderung am Gesetz wäre ein grober Rückschritt in Sachen Mitbestimmung und direkter Demokratie“, so die Süd-Tiroler Freiheit. Sie werde diesem Vorschlag nicht zustimmen.

BürgerUnion: „Dann gibt’s Krieg!“

“Wenn Landeshauptmann Arno Kompatscher und die SVP-Führung das Vorhaben wahrmachen, per Gesetz künftig einen Teil der SVP-Landtagskandidaten ohne Wahl in den Landtag zu schicken, dann gibt es zumindest was mich betrifft ´Krieg´ im Landtag”, so der Landtagsabgeordnete Andreas Pöder.

“Wenn einfach die Parteiführung entscheidet, welche Kandidaten in den Landtag kommen und dem Wähler die Wahlmöglichkeit nehmen, dann ist das die Abschaffung der Wahl. Wenn ein solches Landtagswahlgesetz im Landtag beschlossen wird, werde ich alles daran setzen, eine Volksabstimmung über das neue Landtagswahlgesetz zu erreichen, damit das Volk dieses Gesetz kippen kann, so hoch die Hürden für eine Volksabstimmung auch sein mögen”, so Pöder.

“Zudem sollte man dann der SVP im Landtag das Arbeiten so schwer wie möglich machen. Die neue SVP-Führung und die Landesregierung haben aufgrund einer Reihe von hausgemachten Fehlern Probleme mit der Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb will die SVP-Führung offenbar dem Volk mittlerweile sogar die Entscheidung darüber nehmen oder diese beschneiden, wer künftig im Landtag sitzen soll. Mit dem SVP-Vorhaben bestimmt die Parteiführung einfach einen Teil der künftigen Landtagsabgeordneten, nicht mehr der Bürger bei der Wahl”, kritisiert Pöder.

Zur Erklärung: Ein Landtagswahlgesetz ist ein so genanntes “Satzungsgesetz, über das es laut Art. 47 des Autonomiestatuts eine Volksabstimmungen geben muss, wenn ein Fünfzigstel der Wahlberechtigten (rund 8.200 Bürger) unterschreiben oder sieben Landtagsabgeordnete dies verlangen – außer – das Gesetz wird mit Zweidrittelmehrheit genehmigt – also von 23 Landtagsabgeordneten. „Das wären 19 (SVP/PD) plus vier von der Opposition. Bei Zweidrittelmehrheit im Landtag müssten rund 27.000 Wähler einen Antrag auf  Volksabstimmung unterschreiben – ein Antrag von Abgeordneten ist in diesem Fall ausgeschlossen“, erklärt Pöder.

Von: mk

Bezirk: Bozen