Ukrainischer Präsident Selenskyj will sein Land nicht verraten

Trump setzt Kiew Frist bis Donnerstag für US-Friedensplan

Freitag, 21. November 2025 | 21:04 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters/AFP

US-Präsident Donald Trump erwartet von der Ukraine, dass sie den von den USA vorgelegten Plan für ein Ende des Ukraine-Krieges bis Donnerstag akzeptiert. “Wenn alles gut läuft, neigt man dazu, die Fristen zu verlängern”, sagte Trump Fox News Radio zwar, “aber Donnerstag ist unserer Meinung nach ein geeigneter Zeitpunkt.” Kremlchef Wladimir Putin zeigte sich offen für Verhandlungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will indes “Alternativen” zum US-Plan vorlegen.

Der Tageszeitung “Washington Post” zufolge verknüpften die USA das Ultimatum mit einer Drohung. Sollte sich das von Russland angegriffene Land gegen den Friedensplan sträuben, müsse es mit dem Verlust der US-Unterstützung rechnen, berichtete das Blatt unter Berufung auf mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Selenskyj schwört Landsleute auf schwierige Zeit ein

Der ukrainische Präsident Selenskyj schwor in einer Videoansprache seine Landsleute “auf einen der schwersten Momente in der Geschichte unseres Landes” ein. “Gerade könnte die Ukraine vor einer sehr schweren Wahl stehen: Entweder die Würde verlieren oder das Risiko eingehen, den Schlüsselpartner zu verlieren. Entweder die schwierigen 28 Punkte (des US-Friedensplans) oder ein äußerst schwerer Winter”, sagte der Staatschef.

Nach einem Telefonat mit US-Vizepräsident JD Vance erklärte Selenskyj am Freitag, sein Land wolle mit den USA und den Europäern einen Friedensplan ausarbeiten. Man habe eine Zusammenarbeit der nationalen Sicherheitsberater vereinbart, um den Weg zu einem Frieden “wirklich zu ebnen”, teilte Selenskyj nach dem fast einstündigen Gespräch mit Vance auf der Online-Plattform X mit. Die Ukraine habe den Wunsch von US-Präsident Trump, das Blutvergießen zu beenden, stets respektiert. “Wir sehen jeden realistischen Vorschlag positiv”, fügte Selenskyj hinzu.

Selenskyj will “Alternativen” zum US-Vorschlag vorlegen

In seiner Videoansprache kündigte Selenskyj an, “Alternativen” zu dem US-Vorschlag vorlegen zu wollen. “Ich werde Argumente vorbringen, ich werde überzeugen”, sagte der Präsident. Er erinnerte daran, wie er nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 die Reaktion seines Landes koordiniert hatte: “Wir haben die Ukraine damals nicht verraten, und wir werden es auch jetzt nicht tun.”

Die Ukraine stehe vor einer “sehr schwierigen Entscheidung”, sie werde entweder ihre “Würde” oder einen “wichtigen Partner” verlieren, sagte Selenskyj. Er forderte die Ukrainer auf, in einem der schwierigsten Momente der Landesgeschichte geeint zu bleiben. Er erwarte in der kommenden Woche weiteren politischen Druck.

Putin offen für Verhandlungen, aber dennoch skeptisch

Der russische Präsident Putin zeigte sich indes nach Vorlage des US-Friedensplans offen für Verhandlungen. Der US-Plan könne die Grundlage sein für eine friedliche Lösung, sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates.

Er bestätigte erstmals, dass ihm der Text vorliegt. Es handle sich um eine neue Fassung von dem, was bereits früher diskutiert worden sei – etwa auch bei seinem Treffen mit Trump in Alaska im August. Zugleich äußerte der Kremlchef einmal mehr Zweifel, dass die Ukraine sich auf die Vorschläge einlasse. “Warum?”, fragte Putin selbst die per Video zugeschalteten Sicherheitsratsmitglieder. “Die Ukraine ist dagegen”, antwortete der Kremlchef selbst. Das Land und seine europäischen Verbündeten pflegten weiter die Illusion, Russland auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zufügen zu können.

Friedensplan der USA sieht 28 Punkte vor

Der Entwurf des US-Plans besteht aus 28 Punkten. Er wird kontrovers diskutiert, weil er der Ukraine große Zugeständnisse abverlangt. Zwar würde die Souveränität des Landes bestätigt, und sie soll Sicherheitsgarantien der USA erhalten. Die Ukraine müsste aber in ihrer Verfassung auf einen Beitritt zur NATO verzichten und Gebiete dauerhaft abtreten. Die Krim und die ebenfalls besetzten Gebiete Donezk und Luhansk sollen als faktisch russisch anerkannt werden.

Selenskyj bestätigte, den Plan in einem knapp einstündigen Gespräch mit US-Vizepräsident JD Vance besprochen zu haben. Gleichzeitig würdigte er erneut das Engagement von Trump. In seiner Videobotschaft versicherte der Präsident zudem: “Wir werden dem Feind keinen Anlass geben zu sagen, dass die Ukraine keinen Frieden wolle, dass sie den Prozess sabotiere und nicht zu Diplomatie bereit sei.” Er zähle dabei auf die Unterstützung der “europäischen Freunde”.

Merz telefoniert mit Trump

Der deutsche Bundeskanzler Merz telefonierte erstmals mit Trump über den US-Friedensplan. Das Telefonat sei “vertrauensvoll und verbindlich” gewesen und es seien “nächste Schritte” der Abstimmung auf Ebene der Berater verabredet worden, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius anschließend. Merz ist den Angaben zufolge der erste europäische NATO-Verbündete der USA, der mit dem Präsidenten über den Plan gesprochen hat. Die Europäer waren von dem Vorstoß Trumps überrascht worden. Sie arbeiten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen nun an einem eigenen Vermittlungspapier, das noch in Abstimmung sei.

Merz und andere führende Staats- und Regierungschefs aus Europa werden an diesem Samstag auch am Rande des G20-Gipfels im südafrikanischen Johannesburg zu Krisengesprächen zusammenkommen. Das kündigten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa nach einem Gespräch mit Selenskyj an.

Kontaktlinie soll Ausgangspunkt für Verständigung sein

Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer waren sich zuvor bei einem Telefonat mit Selenskyj einig gewesen, “dass jede Vereinbarung, die die europäischen Staaten, die Europäische Union oder die NATO betrifft, einer Zustimmung der europäischen Partner beziehungsweise eines Konsenses der Alliierten bedarf”, wie es in einer schriftlichen Erklärung hieß.

Merz, Macron und Starmer wollten weiterhin das Ziel verfolgen, “vitale europäische und ukrainische Interessen” langfristig zu wahren. Dazu gehöre unter anderem, dass die sogenannte Kontaktlinie zwischen den Truppen beider Seiten Ausgangspunkt einer Verständigung sein müsse. Zudem müssten die ukrainischen Streitkräfte imstande bleiben, die Souveränität der Ukraine wirkungsvoll zu verteidigen.

Die ukrainische Botschafterin in den USA, Olha Stefanischyna, schloss Grenzverschiebungen kategorisch aus. “Die territoriale Integrität der Ukraine und eine Änderung der ukrainischen Grenzen sind keine Themen, die zur Diskussion stehen sollten”, sagte die Diplomatin in Washington. Kiew vertrete weiter die Position, den russisch-ukrainischen Krieg an der aktuellen Frontlinie zu stoppen. “Es mag detailliertere Gespräche darüber geben, wo genau diese Linie verläuft, aber das ist derzeit Teil dieses Dialogs”, sagte Stefanischyna.

USA, Russland und China bei G20 nicht prominent vertreten

An dem Treffen am Rande des G20-Gipfels werden nach Angaben von EU-Beamten neben Merz und den EU-Spitzen die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien und Großbritannien erwartet. Zudem sind Irland, Finnland, die Niederlande, Spanien und Norwegen eingeladen, die in diesem Jahr als Gastländer bei der G20-Gruppe führender Industrie- und Schwellenländer dabei sind. Die Diskussion zum Ukraine-Krieg dürfte das Treffen überschatten.

Mit den USA, China und Russland sind die drei mächtigsten Staaten der G20-Gruppe jedoch nicht auf Chefebene vertreten: Der chinesische Präsident Xi Jinping schickt die Nummer zwei im Staat, Ministerpräsident Li Qiang. Putin stufte die Präsenz in Johannesburg noch deutlich weiter herunter und lässt sich vom stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung, Maxim Oreschkin, vertreten. Die US-Regierung unter Trump boykottiert den Gipfel komplett.

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