Team K verweist auf "unbeantwortete Fragen"

U-Ausschuss: Weitere Minderheitenberichte im Landtag

Mittwoch, 13. September 2023 | 16:40 Uhr

Von: mk

Bozen – Am heutigen Mittwochvormittag wurde im Landtag die gestern begonnene Behandlung des institutionellen Tagesordnungspunktes “Untersuchungsausschuss „WirNeusNoi“ – eingesetzt mit Dekret der Landtagspräsidentin Nr. 97/2022 vom 16. Juni 2022 – Kenntnisnahme Berichte” fortgesetzt.

Zunächst wurde der Minderheitenbericht von Süd-Tiroler Freiheit verlesen, in welchem von Hindernissen bei den Arbeiten im Ausschuss berichtet wird. Zudem heißt es u.a.: „Die vorzeitige und erzwungene Auflösung eines Untersuchungsausschusses ist in der Geschäftsordnung des Südtiroler Landtags nicht vorgesehen und in der Geschichte des Landtags bisher auch noch nie vorgekommen. Auch die versuchte Einschüchterung einzelner Abgeordneter und Mitglieder des Untersuchungsausschusses – durch die Anzeige des Landeshauptmannes – ist eine noch nie dagewesene Verrohung der Politik. Die SVP hat damit eine Grenze überschritten und den Landtag für ihre Parteiinteressen missbraucht.” Darüber hinaus sei ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen worden, da künftig jeder unliebsame U-Ausschuss beendet werden könne, bevor die Arbeiten überhaupt begonnen hätten. Abgeordnete müssten in einem U-Ausschuss frei und ohne Angst vor strafrechtlichen Verfolgungen Untersuchungen anstellen können. Es sei Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kontrollieren. „Die Mehrheit hat kein Recht, diese Kontrollfunktion zu behindern. Es ist daher notwendig, dem Landtag eine dringende Überarbeitung der Geschäftsordnung zu empfehlen, damit ein solcher Missbrauch demokratischer Gremien zukünftig nicht mehr erfolgen kann.“

Die Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit von Untersuchungsausschüssen als politisches Instrument der Transparenz, Wahrheitsfindung und politischen Arbeit in Demokratien weltweit sowie die fehlende Transparenz in verschiedenen Bereichen bzw. Fällen im Rahmen der Arbeiten des U-Ausschusses  „WirNeusNoi“ unterstrich der Minderheitenbericht des Team K. Abschließend heißt es im Bericht: „Dieser Ausschuss war gestartet mit einem klaren Auftrag. Es galt herauszufinden, ob die Spendenobergrenze von 30.000 Euro pro Kandidaten im Wahlkampf 2018 überschritten worden ist und ob es für die Unterstützung im Wahlkampf Vorteile für Firmen oder Personen nach den Wahlen gegeben hat, die mit der Regierungstätigkeit der SVP zusammenhängen.“ Viele Fragen seien unbeantwortet geblieben, in der Sache wichtige Personen nicht angehört worden und es bleibe weit mehr als ein „Geschmäckle” zurück. Es werde nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, den eventuell rechtlichen Verfehlungen auf den Grund zu gehen und diese zu ahnden. „Politisch gesehen war dieser U-Ausschuss ein Sinnbild für die Intransparenz, Frotzelei und politische Spielchen, kurzum ein Trauerspiel“, so der Bericht. Es bleibe die Frage, was die SVP zu verbergen habe.

Demokratische Partei – Bürgerlisten verweisen in ihrem Minderheitenbericht u.a. darauf, dass „die Arbeiten des Untersuchungsausschusses das wichtige Thema der öffentlichen Parteienfinanzierung in den Vordergrund gerückt und gezeigt haben, dass es für die Mehrheit durch das gewichtete Stimmrecht ein Leichtes ist, einen Untersuchungsausschuss zu schwächen“. Auf lokaler Ebene sei die SVP die einzige wirklich mächtige Partei, „die dank ihrer Fähigkeit, Einfluss zu nehmen, großzügige Spenden von weiten Teilen der Wirtschaft erhält. Gleich danach kommen die Parteien, die auf nationaler Ebene vertreten sind und somit aufgrund der 2-Promille-Regelung mit einer gewissen finanziellen Unterstützung rechnen können.“ Untersuchungsausschüsse seien ein Instrument, mit dem die Minderheit ihre Kontrollfunktion gegenüber der Mehrheit ausüben könne. Aus den Vorgängen in diesem U-Ausschuss könne man lernen, „dass das Modell, das wir für funktionsfähig hielten, überdacht werden muss“. Das Gleichgewicht zwischen denjenigen, die regieren, und denen, die eine Kontrollfunktion ausüben, stehe und falle auch mit den Untersuchungsausschüssen. Es „sollte festgelegt werden, wie die frühzeitige Beendigung eines Untersuchungsausschusses künftig ablaufen sollte. Ansonsten wird es zu einer eingeschränkten Ausübung der demokratischen Rechte kommen.“

Wie in allen anderen Minderheitenberichten wurden auch in jenem der Grünen die Schwierigkeiten bei den Arbeiten im U-Ausschuss und die durch die Mehrheit hervorgerufene vorzeitige Auflösung des Ausschusses bemängelt. In den „demokratiepolitische Schlussfolgerungen“ des Berichts heißt es, dass durch diese Auflösung die Aufmerksamkeit auf drei wesentliche Punkte gelenkt worden sei: Zunächst dass „das Untersuchungsrecht, welches als schärfstes Schwert des parlamentarischen Kontrollrechtes gilt, durch antidemokratisches Verhalten der parlamentarischen Mehrheit ad absurdum geführt“ werde. Theoretisch könne es zu „einem ständigen Katz- und Mausspiel kommen, die parlamentarische Minderheit lässt einen U-Ausschuss einsetzen, die parlamentarische Mehrheit hebt ihn nach Gutdünken wieder auf“. Zweitens: Es stelle sich die Frage, ob die parlamentarische Minderheit ihr Recht vor Gericht geltend machen könne. Und drittens spiegle sich im Umgang der parlamentarischen Mehrheit mit den Kontrollrechten der parlamentarischen Minderheit das Demokratieverständnis der Landesregierung wider: „Südtirol vergrößert mit diesem Präzedenzfall den Abstand zum erstrebenswerten Modell der liberalen Demokratie und zeigt immer öfters die Fratze autokratischer Tendenzen“, so der Bericht. Südtirols demokratische Kultur sei in Gefahr. Es folgt die Debatte zum Thema.

Debatte

In der an die Präsentationen der Minderheitenberichte anschließenden Debatte ergriffen Abgeordnete folgender Fraktionen das Wort: Die Grünen hoben u.a. hervor, dass große Teile der Mehrheit während der Verlesung der Minderheitenberichte und nun auch während der Diskussion nicht anwesend seien, der Ablauf der Arbeiten im Ausschuss betroffen gemacht habe und das Ende des Ausschusses eine Katastrophe für den Landtag sei.

Die Freiheitlichen erinnerten u.a. an die Arbeitsweise der Mehrheit im Landtag, die nicht der am Beginn der Legislatur versprochenen Transparenz entsprächen. Es sei in diesem U-Ausschuss mit dem Verhalten der Mehrheit ein demokratiepolitischer Tiefpunkt erreicht. Die Süd-Tiroler Freiheit erkundigte sich nach dem Verbleib des LH, der nicht im Saal sei – es gehe hier schließlich um ihn, es gebe Fragen an ihn persönlich und es gehe um die Frage, wie das Land regiert werde. Die Bürger hätten ein Recht auf Antworten. Es wurden u.a. Parteiinteressen und Klientelismus angeprangert.

Die Landtagspräsidentin gab bekannt, dass der LH aufgrund seiner Teilnahme an der Staat-Regionen-Konferenz nicht in der Aula sein könne. Das Team K betonte die mangelnde Transparenz und das “Abwürgen” des U-Ausschusses – dies sei ein Affront und ein Mangel an Transparenz gegenüber dem Landtag, und damit gegenüber den Wählern, die den Landtag besetzt hätten. Es stehe im Raum, dass für den LH im Wahlkampf mehr Geld ausgegeben wurde als man dürfte – falls dies zutreffe, sei gravierend an der Sache, dass der LH damit eine Falscherklärung abgegeben habe.

Enzian verwies darauf, dass die Mehrheit stets von Transparenz spreche, aber das Gegenteil tue. Es sei im Ausschuss die Anhörungen bestimmter Personen verhindert worden, die hätten Klarheit in die Sache bringen können. Dinge würden mit Vorsatz gemacht, man wolle verhindern, dass Sachen ans Licht kämen. Das Abwürgen des U-Ausschusses habe mit Demokratie, Transparenz und Ehrlichkeit nichts zu tun.

Kritik an den abwesenden Vertretern der Mehrheit übte auch Demokratische Partei – Bürgerlisten. Verwiesen wurde auch auf den viermaligen Versuch, den SVP-Wahlkampfleiter zu einer Anhörung im U-Ausschuss zu laden, der nicht gefruchtet habe. Man habe eine Gelegenheit verpasst, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Informationen sammeln, auswerten und interpretieren bzw. veröffentlichen – dies sind laut Grünen die drei Phasen, in denen U-Ausschüsse arbeiten. In diesem Fall sei man über die erste Phase nicht hinausgekommen. Der LH wolle sich mit der heutigen Abwesenheit seiner Verantwortung nicht stellen, ebenso wenig wie der damalige Wahlkampfleiter. Es sei zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft mehr Klarheit in die Sache bringen werde. Gegebenenfalls werde es in der nächsten Legislaturperiode einen weiteren U-Ausschuss zum Thema geben. Die Mehrheit habe mit ihrem Verhalten in und um den Ausschuss die Demokratie und den Landtag verhöhnt.

Die Freiheitlichen kritisierten nicht nur die Arbeitsweise der Mehrheit im Ausschuss, sondern sahen auch eine negative demokratiepolitische Entwicklung im Landtag während dieser Legislaturperiode. Das Fehlen der beiden Protagonisten bei der heutigen Debatte sei pervers. Diese Methoden, um das Kontrollrecht des Landtags auszuhebeln, habe es früher nicht gegeben.

Die Arbeitsweise des U-Ausschusses sei unkorrekt und unfair gewesen, vor allem aufgrund des Verhaltens einiger Mitglieder, erklärte der SVP-Vertreter im Ausschuss. Es seien zweifelhafte Dokumente vorgelegt worden, Inhalte und Debatten seien einseitig an die Presse weitergeleitet worden. Das Angebot, die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abzuwarten, sei abgelehnt worden.

Die Grünen unterstrichen, dass sie in 20 Jahren so etwas, wie in diesem Fall, noch nie erlebt hätten – die Mehrheit habe sich durch ihr Verhalten verwässert. Die Mehrheit hätte einen “Abschlussbericht der Mehrheit” einbringen können, sich aber dagegen entschieden. Dies sei eine Verhöhnung des Landtags. Im U-Ausschuss zum ÖPNV sei ebenso wenig ein Abschlussbericht der Mehrheit vorgelegt worden. Es sei nicht legitim, einfach nichts zu sagen. Man frage sich, weshalb sich die SVP entschieden habe, keine Berichte zu verfassen und den Platz der Opposition zu überlassen.

Die SVP verwies auf die Aufgabe von U-Ausschüssen, aber auch auf die Gefahr, dass dieses Instrument mitunter missbraucht werde, um den politischen Gegenpart zu diskreditieren – letzteres sei in diesem Fall der SVP zufolge geschehen. Insbesondere sei dabei auf den LH abgezielt worden. Ein U-Ausschuss sei kein Gerichtsprozess, der Landtag solle nicht die Arbeit der Gerichtsbarkeit übernehmen. Bereits in der Vergangenheit wurde und auch heute werde der U-Ausschuss „WirNeusNoi“ für Wahlkampfzwecke missbraucht. Parteien seien ein wesentlicher Bestandteil der repräsentativen Demokratie und Parteien müssten finanziert werden. Die Parteien hätten das Recht, Spenden zu sammeln; die SVP veröffentliche die Spenderlisten online.

Abschließend widersprach die Landtagspräsidentin den gegen sie erhobenen Vorwürfen, sie habe die Geschäftsordnung bezüglich der Abstimmungen in den U-Ausschüssen nicht ändern wollen. Es sei kein entsprechender Vorschlag zur Änderung der Geschäftsordnung eingegangen. Damit war die Behandlung des Tagesordnungspunktes 2 abgeschlossen.

Bezirk: Bozen