Von: APA/dpa/Reuters
In Myanmar hat fast fünf Jahre nach dem Militärputsch eine höchst umstrittene Parlamentswahl in mehreren Phasen begonnen. Internationale Beobachter und Menschenrechtsorganisationen hatten das Votum bereits im Vorfeld als “Farce” kritisiert. Die von China und Russland unterstützte Wahl wird an drei Terminen durchgeführt, zwei weitere sind am 11. und 25. Jänner geplant. Ergebnisse werden nicht vor Ende Jänner erwartet.
Die Armee hatte am 1. Februar 2021 geputscht und die demokratisch gewählte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet – wegen angeblichen Wahlbetrugs bei einer vorangegangenen Parlamentswahl. Die Friedensnobelpreisträgerin wurde in einem von Menschenrechtsgruppen als Schauprozess verurteilten Verfahren zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt, ihre äußerst populäre Partei Nationale Liga für Demokratie (NDL) wurde aufgelöst. Wo sie festgehalten wird und wie es ihr geht, ist unklar.
Votum zwischen Boykott und Gewalt
Gewählt wird größtenteils in Wahlbezirken, in denen die Junta die Macht hat. Schätzungen zufolge kontrollieren Widerstandsgruppen und Rebellen mittlerweile mehr als 50 Prozent des Landes. Regelmäßig kommt es zu schweren Angriffen und Massakern, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Am Wahltag blieb größere Gewalt zunächst aus, jedoch berichtete das örtliche Nachrichtenportal Mizzima von Explosionen in der Nähe von Wahllokalen in mindestens drei Städten.
Insgesamt stehen 57 Parteien und mehr als 4.800 Kandidaten zur Wahl – allerdings boykottieren mehrere wichtige Oppositionsparteien das Votum, andere wurden ausgeschlossen. Schon im Vorfeld gilt als sicher, dass die vom Militär unterstützte “Union Solidarity and Development Party” (USDP) das Rennen machen wird, die von pensionierten Generälen geführt wird und gegen eine stark geschwächte Konkurrenz antritt. “Die Wahl der Junta ist darauf ausgelegt, die Macht des Militärs über die Menschen zu verlängern”, sagte die Myanmar-Expertin Lalita Hanwong von der thailändischen Kasetsart-Universität.
Junta will ihre Macht legitimieren
Politischen Beobachtern zufolge soll die Abstimmung vor allem dazu dienen, die Macht der Generäle unter ihrem Chef Min Aung Hlaing zu legitimieren – obwohl dieser die Vorwürfe zurückwies: “Erst nach der Wahl können wir feststellen, ob sie frei und fair war. Wir haben garantiert, dass sie es sein wird”, sagte er bei der Stimmabgabe. Beobachter glauben, dass Min Aung Hlaing anstrebt, selbst Präsident des Landes zu werden.
Juntachef Min Aung Hlaing gab seine Stimme in der stark bewachten Hauptstadt Naypyidaw ab. Auf die Frage von Reportern, ob er Präsident werden wolle, erklärte der General, er sei nicht Vorsitzender einer politischen Partei. “Wenn das Parlament zusammentritt, gibt es einen Prozess zur Wahl des Präsidenten”, sagte er lediglich.
Viele Menschen lehnen es unterdessen ab, ihre Stimme abzugeben. Und das, obwohl es großen Druck auf die Zivilbevölkerung gegeben haben soll, die Abstimmung auf keinen Fall zu boykottieren. “Das Wahllokal in unserem Bezirk hat heute Morgen um 6.00 Uhr geöffnet. Aber ich gehe nicht wählen”, sagte Khaing Min (45), ein Einwohner der größten Stadt Yangon (früher: Rangun), der Deutschen Presse-Agentur. “Die Leute hier interessieren sich nicht für die Wahl. Die Junta wird sowieso in den von ihr kontrollierten Gebieten gewinnen.”
Sohn von Aung San Suu Kyi kritisiert Wahl
Der Sohn von Aung San Suu Kyi kritisierte die Wahl heftig. “Diese sogenannte Wahl, inszeniert von der Junta und unterstützt von anderen Diktatoren, ist nichts weiter als ein Betrug”, sagte der 48-jährige Kim Aris in einem in sozialen Medien verbreiteten Video. “Solange die demokratisch gewählte Präsidentin, meine Mutter Aung San Suu Kyi, und alle anderen demokratisch gewählten politischen Führer in Haft sind, kann es weder Legitimität noch Frieden noch eine Zukunft geben”, betonte Aris. “Bitte legitimieren Sie dieses barbarische Regime nicht”, forderte er die internationale Gemeinschaft auf.
Bereits im September hatte sich Kim Aris in einem Video an die Öffentlichkeit gewandt und von “sich verschlimmernden Herzkomplikationen” seiner Mutter berichtet. Niemand wisse, ob sich jemand um sie kümmere, erklärte er. Das Vorgehen des Militärs sei “grausam, lebensbedrohlich und inakzeptabel”. Suu Kyi setzte sich in den 1980er-Jahren für einen gewaltlosen Demokratisierungsprozess ein und wurde deshalb damals bereits 15 Jahre unter Hausarrest gestellt. 1991 erhielt sie für ihren Einsatz gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit den Friedensnobelpreis. International war die Politikerin aber schon länger umstritten – vor allem wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres Schweigens zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit. Beim eigenen Volk ist Suu Kyi hingegen nach wie vor beliebt.




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