Von: mk
Bozen – Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz fordert für die kommende Legislaturperiode eine Verlagerung der Schwerpunkte.
In fünf Jahren Landespolitik, die unter dem Slogan der Erneuerung gestartet sind, habe man vor allem ökonomische Agenden prioritär behandelt. Landeshauptmann Arno Kompatscher werbe denn nun auch vor allem mit dem Erreichten im Bereich der Wirtschaft.
„Für einen Ausgleich der Interessen und eine Ausgewogenheit des Nachhaltigkeitsdreiecks Ökonomie-Ökologie-Soziales muss der Schwerpunkt dieser Legislatur vor allem auf den letzten beiden liegen – umso mehr, als die derzeitigen Landesräte für Mobilität, Umwelt und Soziales aufgrund der Mandatsbeschränkung ausscheiden werden und deren Ressorts neu zu besetzen sind“, erklärt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Die Umweltschützer legen dem zukünftigen Landeshauptmann nahe, die Agenden für Umwelt, Landschaft, Energie und Mobilität zur Chefsache zu erklären und auch so einen Ausgleich der Interessen zur aktuellen, auslaufenden Legislatur zu schaffen.
In diesem Zusammenhang stellt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz auch Forderungen zu zehn aktuellen Thematiken, in denen der Schutz der Natur und Umwelt stärkere Berücksichtigung findet:
1. Raumordnung und Landschaftsschutz: Natur und Landschaft gehören zum kostbaren Kapital Südtirols. Das neue Gesetz schränkt den Landschaftsverbrauch aber nur ungenügend ein, bietet zu viele Ausnahmen für Bautätigkeit außerhalb der Siedlungsgrenze und überträgt den Gemeinden zu viele Freiheiten. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ist dieses daher in einigen Punkten unbedingt nachzuschärfen, um in allen Teilen dem Grundsatz zu genügen: „Innen flexibel, Außen penibel“.
2. Biodiversität: Während in anderen Ländern das teils dramatische Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten die Öffentlichkeit beschäftigt, wissen wir in Südtirol nicht einmal, ob und wie viele Pflanzen- und Tierarten wir verlieren. Das angekündigte Biodiversitätsmonitoring kann nur der erste Schritt zu einem konkreten Artenschutz sein. Aufbauend auf dieser Grundlage müssen Strategien und konkrete Maßnahmen gegen den Artenschwund ausgearbeitet und umgesetzt werden.
3. Ökologisierung der Landwirtschaft: Pestizide, Gülle in Naturparks, Wasserverbrauch, Monokultur, Intensivierungen im Obstbau wie im Grünland sind nach wie vor Realität und werden ausgesessen. Politik und Interessensvertreter diskutieren aber mittlerweile ausschließlich über Wolf und Bär. Kritische Konsumenten und eine rigorosere EU-Subventionspolitik werden die Landwirtschaft immer stärker unter Druck setzen. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die lokale Landwirtschaft zukunftsfit zu machen. Dies kann aufgrund der kleinen Betriebsgröße und der besonderen geografischen Verhältnisse nur über eine ökologische Qualitätsoffensive gelingen.
4. Gewässerschutz: Der Gewässerschutzplan fehlt nach wie vor und dies nach mittlerweile drei Legislaturen (15 Jahre). Umgesetzt und somit geregelt wurde nur der Wassernutzungsplan. Anhand dieser Diskrepanz erkannt man den Stellenwert des Schutzes natürlicher Ressourcen gegenüber der Nutzung. Wasserkraft, Beregnung, Beschneiung und viele andere Nutzungen sind legitim, müssen aber im Einklang mit dem vorrangigen Erhalt und Schutz unserer Gewässer stehen. Der Gewässerschutzplan mit allen noch fehlenden Bestimmungen ist daher unverzüglich umzusetzen.
5. Tourismus: Jährliche Rekorde bei Ankünften und Nächtigungen gehören in Südtirol mittlerweile zum Standard. Südtirol hat alpenweit mit die höchste Tourismusintensität. Innerhalb des Landes sind zu bestimmten Zeiten bestimmte Orte regelrecht überlaufen. Daher ist es höchst an der Zeit über eine Kapazitätsgrenze aufgrund qualitativer Überlegungen zu diskutieren, bevor ein überbordender Tourismus seine eigenen Ressourcen und Grundlagen oder sich selbst zerstört.
6. Verkehr: Der motorisierte Individualverkehr lähmt nicht nur Städte und ganze Täler. In den Ballungszentren werden zusätzlich auch die Gesundheitsgrenzwerte für Luftschadstoffe missachtet. Daher ist es höchst an der Zeit, Fußgänger, Radfahrer und den öffentlichen Verkehr zielgerichtet auszubauen und den motorisierten Individualverkehr gezielt unattraktiv zu gestalten. Fahrradfreundliche Städte, bedarfs- und nachfragegerechter Öffentlicher Verkehr vor allem in den Ballungszentren und zu Spitzenzeiten, verkehrsberuhigte und verkehrsfreie Zentren und Wohngebiete, Erleichterung der Intermodalität sind nur einige wenige Beispiele, wie Städte und Dörfer wieder den Mensch und nicht das Automobil in den Mittelpunkt ihrer Planung und Entwicklung stellen.
7. Autobahn: Die Brennerautobahn ist der weitaus am stärksten belastete Alpenübergang. Allein 800.000 Lkws pro Jahr fahren einen Umweg, um günstigen Treibstoff zu tanken und von der niederen Maut auf italienischer Seite zu profitieren. Die Politik ist aufgerufen, durch eine Harmonisierung der Maut und der Triebstoffpreise im Alpenraum diesen Umwegverkehr wirksam zu unterbinden. Die konstanten Überschreitungen der Gesundheitsgrenzwerte führen zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität der Anrainer.
8. Flugplatz: Die beiden zum Flugplatz Bozen abgehaltenen Volksabstimmungen sind ein ganz klarer Auftrag an die Politik, jede aktive und passive Unterstützung der Struktur und des Betriebes schnellstmöglich einzustellen. Die Untätigkeit der Landesregierung in dieser Angelegenheit ist eine Geringschätzung des Wählerwillens. Daher sind der sofortige Stopp der öffentlichen Finanzierung sowie die Ausschreibung und Veräußerung unverzüglich umzusetzen.
9. Pässe: Mit der Verleihung des UNESCO-Weltnaturerbe-Titels an die Dolomiten ging eine klare Aufforderung zur Reduzierung des Verkehr- und Freizeitdruckes einher. Passiert ist in den neun Jahren nur wenig. In den vergangenen zwei Jahren wurden unter dem Titel Dolomites Vives mit wenig wirksamen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung experimentiert. Dabei sind sog. Zeitfenster das Mittel der Wahl, um den Verkehrsdruck auf den Dolomiten-Pässen effektiv zu reduzieren. Diese Zeitfenster ermöglichen Ruhezeiten im alpinen Umfeld, da sie den motorisierten Durchgangsverkehr limitieren. Dadurch steigt gleichzeitig die Attraktivität für eine sanftere und verträglichere Nutzung des Gebietes. Diese Zeitfenster eignen sich natürlich auch für verkehrsbelastete Pässe außerhalb der Dolomiten.
10. Skigebiete: Der aktuelle Skipistenplan sollte Planungssicherheit geben. Die große Anzahl von Machbarkeitsstudien außerhalb der Skizonen zeigt, dass die Verbindlichkeit der Planung und somit der Sinn dieses Planungsinstrumentes relativ sind. Gerade der alpine Bereich ist landschaftlich und ökologisch überaus sensibel. In Zeiten des Klimawandels sind neue Projekte auch mittel- und langfristig zu hinterfragen, sowie vor allem auch die Praxis, dass private, gewinnorientierte Unternehmen mit dermaßen hohen öffentlichen Beiträgen gefördert werden.