Von: ka
Mals – Alle fünf Jahre darf der Bürger in Südtirol seine Stimme im wahrsten Sinne des Wortes an der Urne „abgeben“. Nach dieser Handlung kann er bestenfalls als Zaungast das politische Geschehen beobachten, eingreifen darf er bislang nicht. Obwohl „Demokratie“ Herrschaft des Volkes bedeutet, wurde das Verhältnis völlig auf den Kopf gestellt. Das Volk, der Steuerzahler, wird in diesem System nicht als mündig erachtet. Die politischen Prozesse mitzugestalten ist ihm verwehrt. Nachdem das sich eigentlich fortschrittlich präsentierende Landesgesetz zur Direkten Demokratie und Partizipation 2018 in Kraft getreten ist, ist es den regierenden Politikern gelungen, mit spitzfindigen Einschränkungen und Auslegungen die Mitbestimmung durch das Wahlvolk zu verhindern und seine politische Einflussnahme auszuschalten.
Als Beispiel darf die von der Umweltschutzgruppe Vinschgau in Zusammenarbeit mit anderen Umweltorganisationen 2022 vorgelegte Artenschutzinitiative erwähnt werden. In monatelanger Kleinarbeit wurde von engagierten Bürgern unter fachkundiger Beratung ein Gesetzestext zum Schutz der Artenvielfalt in Südtirol ausgearbeitet. Dieser sollte den Wählern zur Abstimmung vorgelegt werden. Damit Volksabstimmungen in Südtirol stattfinden können, ist vorgesehen, dass diese von einer Kommission zugelassen werden. Im angesprochenen Fall hat die von der Landesregierung ernannte Kommission kurzerhand die Volksinitiative abgelehnt. Den Bürgern wäre nur ein teurer, aus Eigenmitteln zu finanzierender Rekurs übriggeblieben. Ein Blick in die Schweiz zeigt uns, dass dort dem Bemühen der Bürger zur Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens eine völlig andere Wertschätzung zuteilwird. Am 22. September 2024 wird dort über die Biodiversitäts-Initiative abgestimmt. Bund und Kantone sollen verpflichtet werden, mehr geschützte Gebiete zu schaffen und mehr Geld für die Biodiversitätsförderung in die Hand zu nehmen. Der Südtiroler Bevölkerung blieb die Abstimmung über dieselbe Thematik verwehrt.
Vor den letzten Landtagswahlen haben sich mehrere Parteien dazu verpflichtet die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um Volksabstimmungen in Zukunft zu ermöglichen. Jene unnötigen Hürden und Erschwernisse, welche die Bürgerbeteiligung und Bürgerinitiative blockieren, sollen damit endlich beseitigt werden. Dazu stehen nun zwei Landesgesetzesvorlagen zur Behandlung an. Die Parteien, welche sich vor den Landtagswahlen verpflichtet haben, müssen nun gemeinsam handeln. Alle im Südtiroler Landtag vertretenen Parteien haben die Chance Bürgernähe zu beweisen und im Sinne einer Konkordanzpolitik gemeinsam für das Ende der Blockade zu stimmen. Mit großer Aufmerksamkeit werden deshalb die diesbezüglichen Diskussionen in der Gesetzgebungskommission und das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten verfolgt. Das grundsätzliche Gegeneinander zugunsten des Gemeinwohls beiseitezulegen, würde der Südtiroler Politik Ansehen und Sympathie verleihen.
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