Von: APA/dpa/Reuters
Im andauernden Streit mit Harvard will die Regierung von Präsident Donald Trump die Elite-Universität an der Aufnahme internationaler Studierender hindern. Heimatschutzministerin Kristi Noem habe entsprechende Schritte eingeleitet, teilte ihr Ministerium mit. Künftig dürfe Harvard im Rahmen eines eigens dafür vorgesehenen Bundesprogramms keine neuen Studierenden aus dem Ausland mehr aufnehmen. Harvard bezeichnete den Schritt in einer ersten Reaktion als rechtswidrig.
Bereits eingeschriebene internationale Studierende müssten sich nach anderen Hochschulen umschauen – sonst verlören sie ihren Aufenthaltsstatus in den USA. Ein Sprecher der Universität im Bundesstaat Massachusetts bezeichnete das Vorgehen der Regierung in einer E-Mail als “Vergeltungsmaßnahme”, die Harvard und den Vereinigten Staaten “ernsthaften Schaden” zufüge und den akademischen Auftrag der Hochschule sowie ihre Forschung untergrabe. “Wir setzen alles daran, Harvards Fähigkeit zu bewahren, internationale Studierende und Wissenschafter aus mehr als 140 Ländern aufzunehmen”, hieß es darin weiter.
Wichtige Zertifizierung als Druckmittel
Für viele US-Universitäten sind die Einnahmen internationaler Studierender ein bedeutender Teil des Budgets – nicht zuletzt, weil sie oft deutlich höhere Studiengebühren zahlen als inländische Studierende. Laut Harvard sind derzeit mehr als ein Viertel (6.700) der insgesamt 24.500 Studierenden Ausländer. Aus Österreich stammen gerade einmal knapp 30 Harvard-Studierende, die überwiegende Mehrzahl der Ausländer an der US-Eliteuni kommt aus China (fast 1.400), Kanada (rund 750), Indien (580), Südkorea und Großbritannien (je 260).
Damit Hochschulen in den USA internationale Studierende aufnehmen dürfen, benötigen sie eine Zertifizierung im Rahmen des sogenannten Student and Exchange Visitor Program (SEVP), das vom Heimatschutzministerium verwaltet wird. Diese Zertifizierung will das Ministerium Harvard nun entziehen. Ob und in welchem Umfang die Maßnahme rechtlich Bestand haben wird, ist offen.
Dem Schritt war Mitte April ein Schreiben von Heimatschutzministerin Noem vorausgegangen. Darin forderte sie Harvard auf, bis Ende April detaillierte Informationen zu ausländischen Studierenden vorzulegen – unter anderem zu möglichen illegalen Aktivitäten, Protestbeteiligungen oder Verstößen gegen Visa-Vorgaben. In einem weiteren Schreiben erklärte Noem nun, Harvard sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen – deshalb werde die Zertifizierung entzogen. Sie gab der Hochschule 72 Stunden Zeit, um ihren Forderungen doch noch zu erfüllen.
Proteste als Begründung
Die Trump-Regierung begründet ihr Vorgehen mit propalästinensischen Protesten an US-Universitäten, die zwar nicht mehr so groß wie zu Beginn des Gaza-Kriegs ausfallen, aber weiterhin andauern. Hochschulen wie Harvard wird vorgeworfen, nicht entschieden genug dagegen vorzugehen und antisemitische Vorfälle auf dem Campus zu dulden.
Kritiker werfen der Regierung vor, die Proteste lediglich als Vorwand zu nutzen, um politisch unliebsame Institutionen unter Druck zu setzen. Insbesondere als links geltende Universitäten würden demnach zunehmend ins Visier geraten – etwa wegen Programmen zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit, die auf den Abbau historischer Benachteiligung von Schwarzen, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen abzielen.
Besonders im Fokus der Trump-Regierung stehen ausländische Studierende, denen eine Beteiligung an den propalästinensischen Protesten vorgeworfen wird. In mehreren Fällen wurden Abschiebeverfahren eingeleitet – etwa gegen einen Absolventen der Columbia University in New York, der seit Anfang März im Bundesstaat Louisiana in Abschiebehaft sitzt, während sich Gerichte mit seinem Fall beschäftigen.
Die rechtliche Grundlage für solche Festnahmen ist stark umstritten. Harvard dürfte mit der Weigerung, sensible Informationen über internationale Studierende offenzulegen, somit wohl auch den Schutz dieser Studierendengruppe im Blick gehabt haben.
Noem: Warnung für andere Universitäten
Beim Sender Fox News verteidigte Noem das Vorgehen der Regierung gegen Harvard. Die Hochschule habe “mehrfach die Gelegenheit” gehabt, Informationen über kriminelle Aktivitäten ausländischer Studierender zu übermitteln, sich jedoch geweigert.
“Studierende aus dem Ausland, die (…) nicht an diesen kriminellen Aktivitäten beteiligt sind, werden sich eine andere Universität suchen müssen”, sagte Noem und warf Harvard vor, nicht nur Proteste, sondern auch “gewalttätige Proteste” auf dem Campus zugelassen zu haben. Bei X hatte sie die Universitätsverwaltung davor beschuldigt, Gewalt und Antisemitismus zu dulden und zudem auch eine “Kooperation mit der Kommunistischen Partei Chinas” auf dem Campus begünstigt zu haben. Die neue Maßnahme sei “eine Warnung an alle anderen Universitäten, endlich für Ordnung zu sorgen”, so Noem.
Harvard wehrt sich
Anders als viele andere Hochschulen widersetzt sich Harvard offen politischen Vorgaben aus Washington, die auch Zulassungsverfahren, Diversitätsprogrammen und Personalentscheidungen betreffen. Die Universität geht juristisch gegen die Maßnahmen vor. Im Zuge des Streits hat die Regierung der Elite-Universität bereits Fördermittel in Milliardenhöhe gestrichen oder eingefroren. Angesichts der finanziellen Einschnitte hatte Harvard-Präsident Alan Garber zuletzt angekündigt, auf ein Viertel seines Gehalts zu verzichten.
EU-Minister wollen Angebot machen, Kritik aus China
Die jüngste Entscheidung der Trump-Regierung war auch Thema beim Treffen der EU-Forschungsminister am Freitag in Brüssel. “Das sind Entwicklungen, die uns sehr besorgt machen”, sagte die Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ). Österreich reagiere mit einem Perspektivenpaket für Professorinnen, Professoren, Forschende, aber auch für Studierende, “die at risk sind, in ihrem Heimatland ihr Studium nicht mehr abschließen zu können”, so Holzleiter, “wir schnüren hier ein Stipendienprogramm für 50 Studierende”.
“Mich besorgt sehr, was in den Vereinigten Staaten vor sich geht”, sagte auch die deutsche Forschungsministerin Dorothee Bär. Europa sei “sehr offen, Talente aus der ganzen Welt anzuziehen”, bekräftigte auch ihr polnischer Amtskollege und derzeitiger Vertreter des Ratsvorsitzes Marcin Kulasek, dies sei “sehr wichtig”. Von einem “durcheinandergebrachten, globalen Umfeld” sprach der französische zuständige Minister Philippe Baptiste. Dass von der EU-Kommission kürzlich gestartete Programm “Choose Europe for Science”, das internationale Forschende nach Europa bringen soll, ist für Holzleitner ein “wichtiger Aufschlag, um zu zeigen; wir sind ein sicherer Hafen und möchten auch aktiv die Hand reichen”.
Auch China äußerte sich kritisch. Die Maßnahmen der USA beeinträchtigten zweifellos ihr Ansehen und ihre Glaubwürdigkeit, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Die Volksrepublik werde die legitimen Rechte und Interessen ihrer Studenten und Wissenschafter im Ausland schützen. Die Bildungskooperation zwischen China und den USA nütze beiden Seiten, betonte die Außenamtssprecherin.
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