Von: ka
Bozen/Meran/Rom – Reinhold Messner muss sich nicht vorstellen, der legendäre Bergsteiger und König der Achttausender gehört zusammen mit Jannik Sinner zu den bekanntesten Südtiroler Gesichtern, die im In- und Ausland fast jeder kennt.
Sein Standpunkt zum Fall der neugewählten Meraner Bürgermeisterin Katharina Zeller, die seit Tagen in der Kritik steht, weil sie die Schärpe mit der Trikolore abgenommen hat, könnte klarer kaum sein. „Bürgermeisterin Katharina Zeller? Das war keine intelligente Geste. Wir sind italienische Staatsbürger und wir müssen stolz darauf sein, was Italien uns gegeben hat. Es macht mich traurig, dass das Zusammenleben in Südtirol nicht so ist, wie ich es mir erhofft habe“, findet der Bergsteiger und ehemalige Europaabgeordnete für die Grünen im Telefoninterview mit dem Corriere della Sera deutliche Worte.
Die Debatte um die Amtsübergabe in Meran nach dem Bürgermeisterwechsel reißt nicht ab. Nachdem ihr Vorgänger Dario Dal Medico ihr die Trikolore-Schärpe überreicht hatte, legte die frisch gewählte Bürgermeisterin diese kurz darauf bekanntlich ab und hielt stattdessen demonstrativ den Stadtschlüssel in die Höhe. Während die SVP Zeller in Schutz nimmt, reagierten italienische Politiker und Medienvertreter zum Teil mit heftiger Kritik.
Der Journalist des Corriere della Sera erreicht Reinhold Messner, während dieser zwischen München und Südtirol unterwegs ist, um seine zahlreichen Projekte zur Förderung des Bergsteigens zu begleiten. Auf die Frage nach dem Trikolore-Eklat und dem Verhalten der neugewählten Bürgermeisterin Katharina Zeller findet der König der König der Achttausender, der letztes Jahr seinen 80. Geburtstag feiern konnte, deutliche Worte.
„Es war weder intelligent noch angemessen. Es hat mir nicht gefallen. Als Amtsträgerin und Vertreterin des Staates muss man gewisse Gewohnheiten und Sitten einhalten. Es macht mich traurig, wenn ich feststelle, dass das Zusammenleben in Südtirol nicht dem Niveau entspricht, das ich mir erhofft hatte. Die Ideen und das Wirken von Alexander Langer, einem Südtiroler Politiker, der ethnische Identifikation immer abgelehnt hat, entsprechen leider nicht der Realität. Auch der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder tut mir leid. Er hat sich große Verdienste um den ethnischen Frieden erworben, und Fälle wie dieser bergen die Gefahr, dass sich die Sprachgruppen wieder entzweien“, meint der legendäre Bergsteiger.
Seine Antwort auf die Frage, ob das Zusammenleben von italienischen und deutschen Muttersprachlern gefährdet sei, ist eher pessimistisch. „Im Moment gibt es keine friedliche Atmosphäre. Dass wir verstanden haben, dass wir zusammenarbeiten und andere respektieren müssen, war unsere Stärke. Südtirol muss zeigen, dass die Autonomie eine positive Errungenschaft für dieses Land, aber auch für ganz Italien ist. Die Italiener sollten stolz darauf sein, dass sie diesem kleinen Land eine aufrichtige und funktionierende Autonomie gegeben haben. Und wir Südtiroler deutscher Muttersprache sollten stolz darauf sein, was Italien uns gegeben hat. Aber vielleicht ist meine Vision eine Illusion“, so Reinhold Messner.
„Ob es ihn jemals belastet habe, sich als Italiener zu bezeichnen?“, fragte ihn der Journalist des Corriere. „Ich reise durch die Welt und wenn man mich nach meiner Nationalität fragt, antworte ich, dass ich Italiener bin. Ich bin weder Deutscher noch Österreicher, sondern Südtiroler und italienischer Staatsbürger – das ist eine Tatsache. In den internationalen Medien werde ich oft als Österreicher gesehen. Wenn das passiert, korrigiere ich mein Gegenüber. Wir Südtiroler sind vom österreichischen Kaiserreich zum Königreich Italien gewechselt. Wir sind Italiener geworden und haben für die Autonomie gekämpft. Letztendlich ist es unsere Pflicht, die Autonomie mit friedlichem Zusammenleben zu erfüllen. Es ist nicht zielführend, weiterzukämpfen. Erinnern wir uns daran, dass Südtirol vor der Autonomie ein sehr armes Land war. Der heutige Wohlstand ist keine Selbstverständlichkeit“, erklärt Reinhold Messner, der König der Achttausender.
Reinhold Messner betont außerdem, dass es nicht mehr Brauch ist, Nationalflaggen auf Berggipfeln zu setzen. „Das ist ein Brauch, der nicht mehr praktiziert wird. Welche Fahne hätten wir Südtiroler denn hinauftragen sollen? Diese Tradition geht auf die Jahre des Faschismus zurück und endete mit der italienischen Eroberung des K2 im Jahr 1954, zuvor wurden die Berge nicht bestiegen, dann wurden sie zum Ausdruck vieler Nationalismen. Die italienische Eroberung des K2 war in erster Linie eine nationalistische Bergexpedition, dann sicherlich ein Ausdruck von großem Können und eine der wichtigsten Erstbesteigungen überhaupt. Wenn heute jemand eine Fahne auf den Everest trägt, muss ich lachen. Es ist unmöglich, den Gipfel eines Berges im Namen einer Nation zu besteigen“, sagt der inzwischen 80-jährige Bergsteiger, der mit dem Satz „Meine Fahne ist mein Taschentuch“ berühmt geworden ist.
Diesen zutiefst politischen und sehr umstrittenen Antworten fügt Messner hinzu, dass in Italien mehr Unwissenheit über die Realität Südtirols herrsche als in Deutschland. „Wir haben viele deutsche Touristen, die sich mit der politischen Situation dieses Landes auskennen. Wir haben das Glück, eine solche Geschichte zu haben. Wir sollten ihre Hüter sein und sie bekannt machen“, meint Reinhold Messner.
Der Debatte um den Übertourismus kann der legendäre Bergsteiger hingegen wenig abgewinnen. „Ich habe nie verstanden, wie man gegen Touristen sein kann. Sind wir denn verrückt? Wir leben vom Tourismus. Unsere Verantwortung ist es, unsere Landschaft zu nutzen, ohne sie zu zerstören. Am wichtigsten ist es, die Touristen gut auf das gesamte Gebiet zu verteilen. Es gibt heute Täler, die stark besucht, und andere, die fast leer sind und nur von der Landwirtschaft leben. Südtirol hat eine einzigartige Landschaft. Wir müssen begreifen, dass sie unser Reichtum ist und nicht die Luxushotels“, betont Reinhold Messner.
Wenig überraschend kommen der Interviewer und der König der Achttausender auf sein Vermächtnis – die Umwelt, das friedliche Zusammenleben und die Liebe zu den Bergen – zu sprechen.
„Ich arbeite daran. Ich werde ein Haus hinterlassen, das ‚Reinhold-Messner-Haus‘ heißen und mit den Symbolen und Werten ausgestattet sein wird, die ich in 80 Jahren Bergsteigen in der ganzen Welt erworben habe. Meine Frau Diane Schumacher wird es weiterführen und an die nächsten Generationen weitergeben. Meine Kinder werden das Netzwerk Messner Mountain Museum, das einen Blick in die Geschichte ermöglicht, weiterführen. Mit Diane hingegen sind wir dabei, ein altes Gebäude auf dem Helm in Sexten zu sanieren – eine Art Upcycling: Es wird nicht touristisch genutzt, sondern dient als mein Vermächtnis für die nächsten Generationen. Ich möchte meine Visionen und Ideale weiterführen, auch das friedliche Zusammenleben in Südtirol. Es wird wahrscheinlich das letzte Projekt sein, das ich in meinem Alter noch verwirklichen kann“, beschreibt eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Landes seinen Willen, sein Vermächtnis in die Zukunft zu tragen.
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