Kopftücher, Verbrennungsofen, Nato-Stützpunkt Natz, Großraubwild

Viele Themen im Landtag

Mittwoch, 18. Januar 2017 | 16:46 Uhr

Bozen – Der Südtiroler Landtag hat sich am Mittwoch mit dem Begehrensantrag Nr. 27/14: Verschleierungsverbot (eingebracht von den Abg. S. Stocker, Leitner, Mair, Blaas, Tinkhauser und Oberhofer am 16.9.2014) befasst. Der Südtiroler Landtag möge das römische Parlament und die italienische Regierung in Rom zum Erlass eines gesetzlichen Verschleierungsverbotes in der Öffentlichkeit und zu einem Kopftuchverbot für öffentlich Bedienstete auffordern.

Die volle Verschleierung sei kulturfremd, frauenfeindlich und auch ein Sicherheitsproblem, erklärte Sigmar Stocker (Freiheitliche). Ein Verschleierungsverbot in der Öffentlichkeit gebe es in Italien bereits, erklärte Brigitte Foppa (Grüne), dies auch aus Gründen der Terrorismusbekämpfung. Bei Stockers Begründung wäre es schwierig, zwischen verschiedenen Gründen für einen Schleier, eine Gesichtsverhüllung zu unterscheiden, etwa wegen eines Besuchs beim Papst oder nach einer Chemotherapie.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah vor allem das Sicherheitsrisiko. Die Polizei könne verhüllte Personen nicht identifizieren. Die Bedenken, auch das traditionelle Kopftuch könne unter das Verbot fallen, seien nicht ganz von der Hand zu weisen. In Österreich werde ein Kopftuchverbot in sensiblen Bereichen angedacht, etwa in Schulen. An solche Präzisierungen sollte der Autor des Antrags denken.

Dieter Steger (SVP) berichtete von einer Gesetzesinitiative im Senat, die auch von Sen. Zeller unterzeichnet wurde. Man halte sich dabei an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) meinte, die Initiative im Senat müsse den Landtag nicht von seinen Absichten abhalten. Er unterstütze das Anliegen des Antrags. Die Verhüllung sei ein Sicherheitsproblem. Zweifel äußerte er zu Punkt 2, denn das Kopftuch habe auch in Italien Tradition.

Andreas Pöder (BürgerUnion) sprach sich auch für eine Präzisierung aus. Kopftuch sei ein sehr weiter Begriff.

LH Arno Kompatscher verwies wie Steger auf die Gesetzesinitiative im Senat und auf das bestehende Verhüllungsverbot. Im Senat werde gerade über die verschiedenen Formen der Verschleierung diskutiert. Es scheine einen Konsens zu geben, dass man den Bereich genauer regeln sollte.

Sigmar Stocker sah keinen Widerspruch zwischen den beiden Initiativen. Mit Kopftuch meine er klar das islamische Kopftuch, das politisch-religiöse Begründung habe.
Der Antrag wurde in drei Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 652/16: Umwelt und Gesundheit: die Gesundheit der Bürger an erster Stelle (eingebracht von der Abg. Artioli am 17.8.2016). Die Landesregierung solle verpflichtet werden, eine ausführliche Studie zur Gesundheit der Bürger (Pendler inbegriffen), die im Bozner Talkessel leben oder arbeiten, durchzuführen.

Die Luft des Bozner Talkessels sei durch verschiedene Faktoren belastet, nun solle auch noch Müll aus dem Trentino in der Müllverbrennungsanlage verbrannt werden, kritisierte Elena Artioli (Team Autonomie). “Eine ausführliche Studie zur Gesundheit der Bozner Bevölkerung wäre nun mehr als wünschenswert. Die Einwohner selbst möchten wissen, ob sie eine geringere Lebenserwartung als die Bewohner anderer Gemeinden haben, welche die möglichen Gründe dafür sind und welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Falls notwendig, muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Müllverbrennungsofen, der mit öffentlichen Geldern finanziert wurde, definitiv stillgelegt werden muss. Dadurch würde zwar einerseits ein finanzieller Verlust für die Landeskassen entstehen; andererseits müssen die Verantwortlichen für die Bereiche Umwelt und Gesundheit verstehen, dass die Gesundheit von über 100.000 Einwohnern wichtiger ist als ein Nachtragshaushalt, in dem ohnehin höhere Ausgaben für ernsthafte Krankheiten vorzusehen wären.”

Gefühle und Fakten seien nicht dasselbe, meinte Dieter Steger (SVP). Die Ausstöße des Verbrennungsofens würden penibel überprüft, die Hauptprobleme der Bozner Luft seien Mobilität und Hausbrand. Die Umstellung auf Fernheizung sei ein Ziel, um eine Verbesserung zu erreichen. Man könne nicht von einem Notstand reden, die Luftqualität sei heute viel besser als früher, als man in der Industriezone noch Dutzende rauchende Schlote gesehen habe.

Die Messungen am Ofen und die Untersuchung des Gesundheitszustands der Bozner seien zwei verschiedene Dinge, die nicht unbedingt in Zusammenhang stehen müssten, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Eine solche Studie könne er aber befürworten.

Solche Studien müssten Langzeitstudien sein, wandte Sven Knoll (STF) ein. Eine Untersuchung des Gesundheitszustands wäre interessant, aber sie lasse keine Rückschlüsse auf den Verbrennungsofen zu. Die Mortalitätsrate könne auch mit Bewegung und Lebensstil oder anderen Faktoren zusammenhängen. Eine Kontrolle der Luftqualität wäre auch nützlich, schon um das Gerücht zu überprüfen, während des Christkindlmarkts würden die Grenzwerte überschritten, aber nicht gemessen.

Laut Walter Blaas (Freiheitliche) hat Artioli ein echtes Problem angesprochen. Die Bozner Bevölkerung sei von oben herab mit dem Import von 20.000 Mülltonnen beglückt worden, dieselbe Menge, wie Meran und Bozen zusammen pro Jahr produzierten. Die Fernwärme sei ursprünglich gar nicht das Ziel des Verbrennungsofens gewesen, sie sei nur nachträglich dazugekommen. Blaas kündigte seine Unterstützung an.

Bernhard Zimmerhofer (STF) meinte, dass die Daten großteils schon vorhanden seien. Um das Problem an der Wurzel anzugehen, müsste man die Bahnprojekte umsetzen und sich dem Umweltplan Tirols anschließen. Wenn in Bozen dauernd Grünflächen verbaut würden, werde sich die Situation nicht bessern. Mit dem Nein zum Flughafen hätten die Bozner bereits ein positives Zeichen gesetzt. Es wundere ihn, dass es solche Studien nicht schon gebe, meinte Andreas Pöder (BU). Eine Studie sollte auch nach Zonen differenzieren.

LR Richard Theiner betonte, dass die Gesundheit parteiübergreifend ein Anliegen sei. Der Dachverband spreche von einer Müllzunahme, die offiziellen Daten würden belegen, dass die Gesamtmenge zurückgegangen sei. 2015 seien in Bozen 109.000 Tonnen verbrannt worden, davon 84.000 Tonnen Hausmüll und der Rest aus Betrieben. Im Trentino werde noch viel mehr Müll deponiert, eine Zeitbombe für die Zukunft. Es gebe in Europa wenige Anlagen mit so hochentwickelten Filtern wie in Bozen. Deutsche Bundesländer hätten gerne solche Standards. In mehreren Stadtvierteln seien Messungen durchgeführt worden, und in Kaiserau, neben der Anlage, sei die Luft wesentlich besser als neben der Autobahn. Es gebe Gerüchte zum Krebsaufkommen in verschiedenen Vierteln, aber es gebe auch den Südtiroler Krebsatlas mit den genauen Daten. Die Müllverwertungsanlage mache in diesem Zusammenhang die wenigsten Sorgen, und die Fernwärme würde die Luftqualität in Bozen wesentlich verbessern. Theiner sprach sich schließlich gegen den Antrag aus, es gebe bereits eine Fülle von Daten, und das größte Problem bleibe der motorisierte Verkehr.

Wenn das alles stimme, was man heute gehört habe, so sollte man dennoch eindeutige Daten vorlegen, schon um den Leuten die Angst zu nehmen, antwortete Elena Artioli. Wenn die Daten vorhanden seien, so sollte man sie zusammenlegen, damit sich eine aussagekräftige Studie für Bozen ergibt. Der Antrag wurde mit elf Ja, 16 Nein bei drei Enthaltungen abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 234/14: Ehemaliger NATO-Stützpunkt Site Rigl in Natz-Schabs (eingebracht vom Abg. Urzì am 8.10.2014). Die Landesregierung solle verpflichtet werden, einen Teil des ehemaligen NATO-Stützpunkts Site Rigel in ein Dokumentationszentrum über den historisch heiklen Zeitraum des Kalten Krieges umzubauen.

“Die beispielhafte Umwandlung eines Zeugnisses des Kalten Krieges wie des Tuono-Stützpunktes in Folgaria im Trentino in einen Erinnerungsort sollte auch als Vorbild für ähnliche Bestrebungen dienen, wie zum Beispiel die geplante Umwandlung des NATO-Stützpunktes Natz-Schabs in eine Gedenkstätte”, erklärte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore), “im Jahr 2013 wurde der Stützpunkt anlässlich des Europäischen Tages des offenen Denkmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei stießen die geführten Besichtigungen auf so großen Anklang, dass es für richtig und wünschenswert erachtet wird, das Gebäude zu erhalten und zu restaurieren, damit es als Museum Zeugnis von dieser Zeit abgibt, zumal es in der ganzen Region Trentino-Südtirol bzw. in Südtirol einzig in seiner Art ist.”

In Natz sei bereits etwas zum Areal geplant, berichtete Bernhard Zimmerhofer (STF), zum einen eine Erholungszone, dann ein Gelände für Veranstaltungen und drittens ein Freilichtmuseum. Insofern erübrige sich Urzìs Antrag. Ein Dokumentationszentrum an dem Ort könnte interessant sein, meinte Andreas Pöder (BU), zum Beispiel für Schüler, denen man dort auch den kalten Krieg erklären könnte.

Natz-Schabs habe durch die neue Nutzung des Areals Zulauf bekommen, meinte Hans Heiss (Grüne), der die Initiative Urzìs begrüßte. Er regte an, dass man das Areal von der Franzensfeste aus verwaltet, die ja als zehntes Museum gedacht sei. LR Christian Tommasini informierte Urzì, dass die Gemeinde bereits darum angesucht und das Land das Projekt bereits genehmigt habe, zu dem auch eine Dokumentationszentrum gehöre. Die Zeit des Kalten Krieges wäre den Schülern ohne solche Einrichtungen schwer zu erklären. Alessandro Urzì bat um Vertagung seines Antrags.

Beschlussantrag Nr. 244/14: Ein Managementplan für Großraubtiere (eingebracht von den Abg. Dello Sbarba, Foppa, Heiss am 27.10.2014). Die Landesregierung soll verpflichtet werden, binnen sechs Monaten ab Genehmigung dieses Beschlussantrags in Zusammenarbeit mit den Verwaltungen der Südtiroler Naturparks, des Naturparks Stilfser Joch und den Bezugspersonen der anderen alpinen Regionen einen Managementplan für Groß- raubtiere auszuarbeiten. Dabei sind auch die Stellungnahmen der Südtiroler Umweltverbände und von mindestens einer wissenschaftlichen Fachperson, wie zum Beispiel einer Teriologin/einem Teriologen, die/der auf Großraubtier spezialisiert ist, einzuholen. Dieser Managementplan ist sodann in einer für alle interessierten Abgeordneten offenen Anhörung im zuständigen Gesetzgebungsausschuss des Landtags vorzustellen. Dieser Managementplan soll die Rückkehr der Großraubtiere unter Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung im Rahmen eines abgestimmten Projekts und von gemeinsamen Aktionen angemessen vorbereiten.

“Bislang hat sich in Südtirol nur gelegentlich eine Arbeitsgruppe Großraubwild versammelt”, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). “Diese Arbeitsgruppe wurde jedoch nie formell eingesetzt und ist von der freiwilligen Teilnahme von Landesbeamten und Vertretern von potenziell durch das Großraubwild “geschädigten” Kategorien abhängig. Eine so zusammengesetzte Arbeitsgruppe sieht das Tier bei der Problembetrachtung nur als Schadensverursacher und nicht als Chance, denn mit dieser Ausrichtung wurde sie auch eingesetzt. Sie kann also nur nach angerichtetem Schaden intervenieren und keine Präventions-, Informations- und Bildungsarbeit betreiben. In Anbetracht der zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Rückkehr von großen Raubtieren nach Südtirol bedarf es einer Strategie der Prävention, der Information und des Umgangs mit diesen Tieren auch in Bezug auf die Chancen, die sie unweigerlich in naturwissenschaftlicher, ökologischer, touristischer und demnach auch wirtschaftlicher Hinsicht für unser Land bieten.” Vor hundert Jahren seien diese Tiere ausgerottet worden, um das Territorium zu sichern, aber heute habe man eine andere Einstellung auch zu Raubtieren.

Eine zielführende Strategie für Wölfe und Bären wäre “weg damit!”, meinte Andreas Pöder (BU). Diese Arten seien nicht an sich am Aussterben. Wer nicht in den betroffenen Gebieten lebe, sehe die Sache romantisch. Die Wiederansiedlung sei von Leuten in Rom beschlossen worden, die mit dieser Situation nicht leben müssten. In Bayern etwa habe man Megagehege für Problembären geschaffen, das wäre auch ein Weg.

Mit den Großraubtieren gebe es unterschiedliche Erfahrungen in verschiedenen Ländern, erklärte LR Arnold Schuler, es gebe auch grundsätzlich unterschiedliche Situationen. In den Abruzzen, wo die Wölfe heimisch seien, gebe es riesige siedlungsfreie Gebiete, in Südtirol seien auch die Berggebiete besiedelt. Einen interregionalen Bärenplan gebe es seit Jahren, für den Wolf gebe es einen nationalen Plan. Es gebe auch eine Arbeitsgruppe zum Herdenschutz, sowie eine weitere mit Wissenschaftlern und eine, die mit der Information der Bevölkerung befasst sei. Auch der neue Amtsdirektor Spagnolli sei sehr um Information  und Management bemüht. Weitere Pläne und Arbeitsgruppen seien nicht sinnvoll.

Er schlage nicht eine weitere Arbeitsgruppe neben den bestehenden vor, antwortete Riccardo Dello Sbarba, deren Arbeit sollte aber in einen Plan, in eine Strategie zusammengefasst werden. LR Schuler schlug vor, die Arbeiten von Amt und Arbeitsgruppen dem Landtag vorzustellen. Riccardo Dello Sbarba zeigte sich damit einverstanden und bat um Vertagung seines Antrags.

 

Von: mk

Bezirk: Bozen