Anträge von Freiheitlichen und STF

Wasserstoff und Strompreise

Mittwoch, 10. November 2021 | 17:18 Uhr

Bozen – Mit Anträgen von Freiheitlichen und der Süd-Tiroler Freiheit zu Wasserstoff und Strompreisen in Südtirol ging die Arbeit im Südtiroler Landtag am Mittwochnachmittag weiter.

Beschlussantrag Nr. 492/21: Strompreise in Südtirol (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 30.09.2021). 1. Der Südtiroler Landtag spricht sich gegen eine Strompreiserhöhung in Südtirol aus und beauftragt die Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass diese in Südtirol nicht umgesetzt wird. 2. Der Südtiroler Landtag fordert die Landesregierung auf, für eine ungesäumte Anwendung des Artikel 13 des Autonomiestatutes zu sorgen und den Bürgern den darin vorgesehenen Strom kostengünstig weiterzugeben bzw. den versprochenen Bonus sofort zur Verfügung zu stellen.

“Südtirol produziert in Summe fast doppelt so viel Strom, wie es selbst benötigt, und ist in Fragen der Energieeffizienz eine der europäischen Vorzeigeregionen”, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) vor dem Hintergrund der von der römischen Regierung angekündigten Strompreiserhöhung. Laut Erhebungen seien die Stromkosten in Südtirol bereits bis zu 30 Prozent höher als in Nachbarregionen. “Es ist daher nicht nachvollziehbar und auch nicht gerecht, dass die Süd-Tiroler für den selbst produzierten Strom nun auch noch bis zu 40 Prozent mehr bezahlen sollen.” Italien habe die Südtiroler Wasserkraft jahrzehntelang ausgebeutet. “Im 2. Autonomiestatut von 1972 wurde daher ganz bewusst der Artikel 13 eingefügt, mit dem die Konzessionsinhaber der Wasserkraftwerke verpflichtet werden, dem Land unentgeltlich Strom zur Verfügung zu stellen. Dieser kostenlose Strom kann dann für öffentliche Dienste verwendet werden und mittels Landesgesetz an die Bürger weitergegeben werden.” 2017 seien die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen worden, und vor den Wahlen 2018 sei ihnen ein Bonus von bis zu 80 Euro pro Jahr und Haushalt versprochen worden. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik, aber auch der sozialen Gerechtigkeit. Es sei richtig, den Strom für öffentliche Einrichtungen zu verwenden, aber es gehe auch um den privaten Stromverbrauch.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) beantragte eine getrennte Abstimmung zu den Prämissen, die von Revanchismus geprägt seien. Aber mit der Forderung sei er einverstanden. Die 40 Prozent Erhöhung beträfen nur den Energieanteil der Stromrechnung, deren Teuerung auf rund 14 Prozent geschätzt werde. Südtirol sei im Stromnetz nicht autonom, es hänge von den Marktpreisen ab.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies darauf hin, dass der Strommarkt heute komplex sei. Es gebe keinen direkten Zusammenhang zwischen heimischen Kraftwerken und Strompreis. Auch die Alperia verkaufe Strom an der Strombörse und kaufe ihn wieder zurück. Man habe sich damals entschieden, die Alperia als Aktiengesellschaft statt als Genossenschaft zu gründen, da man auf Dividenden für die öffentlichen Haushalte gesetzt habe. Das Land habe die Absicht, den Art. 13 zu nutzen, aber über die Form sollte man noch reden.

Paul Köllensperger (Team K) wies darauf hin, dass Art. 13 es dem Land erlaube, den Gratisstrom zu nehmen oder weiterzugeben. Der Verbraucherpreis bestehe auch aus Systemkosten, Transportkosten und nur zu einem Drittel aus Energiekosten. Man habe den Wählern den Strombonus versprochen, daher sollte man ihn heuer auch ausbezahlen. Die intelligentere Lösung wäre aber, den Gratisstrom an die Bürger weiterzugeben. Köllensperger kündigte Zustimmung zu Punkt 2 an, nicht zu Punkt 1, da der Strompreis vom Markt abhänge.

Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) bezeichnete die Prämissen als inakzeptabel. Punkt 1 sei nicht umsetzbar, wohl aber sei es Pflicht, den Art. 13 umzusetzen. Er habe auch die Volksaktie für Alperia vorgeschlagen, aber darauf sei man nicht eingegangen. Man sollte aber etwas unternehmen, damit Bürger Alperia als ihr Eigentum betrachteten. Dafür bräuchte es Maßnahmen, die über den Strombonus hinausgingen.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) dankte für den Antrag, mit dem die Landesregierung nochmals an ihr Versprechen erinnert werde. Beim Land sei der Bonus bereits in den vergangenen Jahren angekommen. Wenn man den Bürgern nun den versprochenen Bonus auszahlen würde, würden dem Land immer noch 6 Mio. bleiben.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) wies auf den Brief der Verbraucherzentrale von Anfang Oktober hin, die das Einfrieren der Tarife nicht als akzeptable Alternative bezeichnet habe. Die Rückvergütung solle den Bürgern direkt zugutekommen, nicht indirekt über den Landeshaushalt.

LH Arno Kompatscher verwies auf den Klimagipfel in Glasgow, wo man sich auf 2,7 Grad Erwärmung einigen wolle. Das werde viele Katastrophen bedeuten, wie die Wissenschaftler prophezeiten, die in dieser Frage immer recht behalten hätten. Auch Ökonomen fänden günstige Energiepreise nicht mehr als die richtige Entscheidung und forderten Kostenwahrheit. Zur Frage, was die Südtiroler von der Rückvergütung hätten, antwortete Kompatscher, dass es auch die Umweltgelder gebe, die zum Vorteil der Bürger ausgegeben würden. Alperia sei der größte Steuerzahler in Südtirol, und dieses Geld fließe in den Landeshaushalt, der für Straßen, Schulen usw. zugunsten aller ausgegeben werde. Der Strombonus für die Bürger sei ein Versprechen gewesen, das stimme, und das sei auch ernsthaft angegangen worden. 40-45 Euro pro Jahr und Haushalt wären dabei herausgekommen. In dieser Form wäre eine soziale Abstufung nicht umsetzbar, weil über den Zähler abgerechnet werde. Das wäre dann keine soziale Maßnahme mehr, denn auch für eine Luxuswohnung hätte man den Bonus bekommen. Der Bonus sei ein Anliegen gewesen, aber man habe feststellen müssen, dass er nicht so umgesetzt werden könnte, wie man es sich vorgestellt hätte. Das Ausgleichsgeld, das man früher bezogen habe, sei weniger als der Wert des zustehenden Gratisstroms, daher wolle man diesen beziehen und ihn an wichtige öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen usw. weiterreichen. Eine Entlastung der niedrigen Einkommen könne man besser über Steuern erreichen, und Südtirol habe den italienweit niedrigsten Satz für den Irpef-Zuschlag.
Das klinge schön, aber man frage sich, welchem Südtiroler damit direkt geholfen werde, erwiderte Sven Knoll. Die Südtiroler zahlten mehr für ihren Strom als die Nachbarregionen. Die Tiwag z.B. habe die Preise eingefroren. Hohe Strompreise seien keine Garantie gegen den Klimawandel, wenn der Strom anderswo billiger sei. Es könne sein, dass die Landesregierung nicht mehr vom Bonus überzeugt sei, aber sie habe ihn versprochen.

Gerhard Lanz (SVP) korrigierte Knoll: Die Tiwag habe eine Preiserhöhung angekündigt, es sei die Opposition, die ein Einfrieren verlange.

Der Antrag wurde in Abstimmungen über die einzelnen Punkte mehrheitlich abgelehnt.

Beschlussantrag Nr. 494/21: Eine Medizinische Fakultät in Meran (eingebracht vom Abg. Urzì am 05.10.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1) den Sitz bzw. wenigstens einen der Sitze des künftigen Medizin- und Chirurgie-Studiengangs in Meran vorzusehen und die hierfür notwendigen Gebäude ausfindig zu machen; 2) die Möglichkeit einer systematischen Zusammenarbeit mit öffentlichen Universitäten, insbesondere mit der Universität Trient, zu prüfen, um in Zukunft den gesamten Ärztebedarf Südtirols decken zu können.

“Mit Beschluss vom 30. September hat die Landesregierung der Schaffung eines sechsjährigen Medizin- und Chirurgie-Studiengangs in englischer Sprache zugestimmt, der im akademischen Jahr 2022/2023 starten und über 50 Studienplätze verfügen soll, von denen 35 Plätze Studenten aus der EU vorbehalten sind”, schickte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) voraus. “Zu diesem Zweck wurde ein Abkommen mit der Privatuniversität Università Cattolica del Sacro Cuore geschlossen, deren Medizinische Fakultät in Rom angesiedelt ist. Die Vorlesungen sollen in Bozen, in der Landesfachschule für Gesundheitsberufe Claudiana, stattfinden.” Urzì selbst beantragte eine getrennte Abstimmung über die zwei Punkte. Mit einer Außenstelle Meran könne man die Zahl der Studienplätze erhöhen.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) warnte: Der Vorschlag klinge gut, aber Südtirol habe nicht die rechtlichen Voraussetzungen für eine eigene medizinische Fakultät. Und wie wollte man die Vorzugsschiene für Südtiroler an österreichischen Medizinfakultäten rechtfertigen, wenn man schon eine in Südtirol habe? Das könne eine bildungspolitische, aber auch medizinische Katastrophe für Südtirol bedeuten.

Eine medizinische Fakultät in Meran einzurichten, sei nicht so einfach, meinte Franz Ploner (Team K), es brauche nicht nur die Fakultät, sondern auch die Ausbildungsplätze für die Praktika. Eher sollte man überlegen, eine regionale Fakultät aufzubauen. Ein gutes Einzugsgebiet für solche Fakultäten habe 1,5 Mio. Einwohner. Trient habe nun eine Medizinfakultät mit Padua, da könnte man anknüpfen. Studentenausbildung heiße noch nicht Facharztausbildung. Die Absolventen der Fakultät müssten dann nach Norden oder Süden für die Fachausbildung ziehen.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) äußerte erheblich Zweifel am Vorhaben der Landesregierung. Werde die Ausbildung gut, würden die Absolventen abgeworben, wie es bei der Claudiana passiere. Es sei auch wenig sinnvoll, in Zeiten der Covid-Krise wertvolle Ressourcen abzuziehen.

LR Thomas Widmann betonte, dass noch keine Entscheidungen gebe. Das Land habe mehrere Abkommen geschlossen, um 140 Südtirolern die Ausbildung an auswärtigen Fakultäten zu bieten. Diese Ärzte würden dann in Südtirol arbeiten, wo derzeit 40 fehlten. Der Antrag Urzìs sei nicht annehmbar, da eine Medizinfakultät in Meran aufgrund der Anerkennungskriterien kaum möglich wäre.

Alessandro Urzì teilte die Bedenken zur Entscheidung der Landesregierung. Sein Antrag wolle nur ein Anstoß zum eventuellen Standort sein.
Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, Punkt 1 mit 1 Ja und 33 Nein, Punkt 2 mit 7 Ja, 20 Nein und sechs Enthaltungen.

Beschlussantrag Nr. 495/21: Wasserstoff – Energieträger der Zukunft (eingebracht von den Abg. Mair und Leiter Reber am 06.10.2021). Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, 1. zusammen mit der Landesenergiegesellschaft Alperia und den anderen Konzessionären Möglichkeiten, Strategien und Projekte zur Produktion von Wasserstoff mittels Wasserkraft zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen, damit Wasserstoff als Energieträger für unterschiedliche Anwendungsbereiche in Südtirol eingesetzt werden kann; 2. Die Einführung eines Förderprogrammes für Initiativen, Unternehmen und insbesondere Fernheizwerkbetreiber zu prüfen, die ihre Anlagen zu Optimierungszwecken um die Wasserstoffproduktion – basierend auf Biomasseenergie – erweitern wollen. (neue Fassung laut Änderungsantrag der beiden Einbringer und von Gerhard Lanz).

“Die schrittweise Abkehr von fossilen Energieträgern erfordert Alternativen, die möglichst vor Ort produziert oder gewonnen werden können”, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Dabei spielen Nachhaltigkeit, Effizienz und Verfügbarkeit eine wichtige Rolle. In der jüngsten Vergangenheit ist vor allem Wasserstoff in den Fokus des Interesses gerückt. Er gilt als Energieträger der Zukunft, kann aus Wasser gewonnen werden und ist somit rein theoretisch überall auf der Welt verfügbar. Da die Energieproduktion in Südtirol vor allem auf die Wasserkraft gestützt ist, böte sich unser Land als Wasserstoffproduzent an, zumal auch der Rohstoff (Wasser) zur Produktion des Wasserstoffes zur Genüge vorhanden wäre.” Südtirol habe bereits einige Vorzeigeprojekte in diesem Bereich, weitere seien in Planung. “Ein interessanter Ansatz zur Gewinnung des Wasserstoffs liegt bei der Optimierung der Fernheizwerke. Die Idee steht im Raum, die Nachverstromung der Biomasse anzudenken und aus dem gewonnen Strom Wasserstoff zu erzeugen. Die Wärme, welche aus dem Prozess der Elektrolyse entsteht, würde wiederum ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Der vor Ort erzeugte Wasserstoff könnte künftig für den Betrieb von Wasserstoffbussen im öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung gestellt werden.  Mit der Umwandlung in Wasserstoff könnte Südtirol hier ganz neue Wege gehen und gezielt regionale Kreisläufe stärken. Die gewonnen Energie, welche mittels Wasserstoffes gespeichert wird, könnte dann verschiedensten Zwecken – beispielsweise in der Mobilität, zur Versorgung öffentlicher Verwaltungen oder für öffentliche Beleuchtungen etc. – zur Verfügung gestellt werden.”

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) hatte den Eindruck, dass man in den letzten Jahren von der Wasserstoffmobilität etwas abgekommen sei. Für Südtirol sei Wasserstoff ein interessanter Rohstoff, für andere Regionen weniger. Die Automobilindustrie setze mehr auf Batterietechnik. Er bat den Landesrat um eine Einschätzung.
Die Industrie habe sich anscheinend für den batteriebetriebenen Personenverkehr entschieden, beim Schwerverkehr bleibe der Wasserstoff interessant, meinte Hanspeter Staffler (Grüne), aber das letzte Wort sei noch lange nicht gesprochen. Wasserstoff mache Sinn, wenn man ihn gezielt einsetzen könne und wenn man Überschussstrom habe, denn der Energieverlust bei der Wasserstoffproduktion sei hoch. Seine Fraktion werde den Antrag unterstützen.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) teilte diese Einschränkung. Der Energieverlust sei hoch, das könne sich in Zukunft aber ändern. Für Private werde die Technik wenig attraktiv sein.

Paul Köllensperger (Team K) teilte ebenfalls die Bedenken. Wenn man den Strom in eine Batterie geben würde, hätte man eine Ausbeute von über 90 Prozent. Man müsse auch die Kosten bedenken, den der Ausbau der Anlage in Bozen Süd bedeuten würde. Man müsse sich gut überlegen, wo man den Wasserstoff einsetze. Für einen Bus auf Bergstrecken könne er sinnvoll sein, für den Betrieb der Vinschgerbahn würde er eine Vervielfachung der Kosten bedeuten.
Helmut Tauber (SVP) sprach sich für Innovation in der Mobilität aus, und dazu gehöre auch der Wasserstoff. Er kündigte Zustimmung an.
Südtirol habe reichlich Wasserkraft und Biomasse, meinte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), diese sollte man auch nutzen, um vielleicht in Zukunft neue Energieträger gewinnen zu können. Der Antrag könne ein erster Schritt sein, um neue Wege zu eröffnen.

LR Daniel Alfreider erklärte, dass es noch nicht die definitive Wahrheit in Sachen Energieträger gebe. Südtirol müsse davon ausgehen, welche Ressourcen es im Lande habe. Heute werde von Übersee Diesel nach Südtirol gebracht, und Südtirol fahre hauptsächlich mit Diesel. Deswegen müsse man sich nach anderen Quellen umsehen. Der Wirkungsgrad beim Wasserstoff sei noch niedrig, aber wenn man den Überschuss an Wasserkraft und Biomasse bedenke, könne dies eine Möglichkeit sein. In Südtirol verkehrten bereits Wasserstoffbusse, ein von der EU finanziertes Projekt. Südtirol habe in dieser Sache Synergien zur Verfügung, es könne nachts, wenn wenig Strom gebraucht werde, Wasserstoff produzieren. Man werde einige solcher Projekte zu Wasserstofftechnologie und Elektromobilität in Rom im Rahmen des PNRR vorstellen. Die Landesregierung stimme dem Antrag in der neuen Fassung zu.

Ulli Mair dankte für die breite Zustimmung. Es gehe nicht um die Rettung der Welt, sondern um Alternativen für Südtirol, auch vor dem Hintergrund, dass das Holz durch Käferbefalls knapper werde.

Der Antrag wurde 26 Ja und fünf Enthaltungen angenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen