Landtag befasst sich mit aktueller Corona-Lage

Widmann: “Auch bei jungen Patienten Verschlechterung in kürzester Zeit”

Dienstag, 09. März 2021 | 17:02 Uhr

Bozen – Zu Beginn der Landtagssitzung hat Präsident Josef Noggler mitgeteilt, dass es laut Auskunft des Sanitätsbetriebs noch nicht möglich sei, die Sitzung in Präsenz abzuhalten. Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) gab zu bedenken, dass es in dieser Sitzung immerhin um ein Hilfspaket von 500 Mio. Euro gehe, das man nicht so einfach per Videokonferenz mit all ihren Mängeln beschließen könne. Man könnte stattdessen alle Abgeordneten testen – auf eigene Kosten -, die Abstände ließen sich einhalten.

Er habe sich bemüht, die Zahl der zugelassenen Abgeordneten zu erhöhen, antwortete Noggler. Auch nach Tests würde aber die 1:10-Regel gelten, und demnach dürften höchstens 25 Platz nehmen. Man werde über das Thema jedenfalls noch in der nächsten Fraktionssprechersitzung beraten.

Landeshauptmann Arno Kompatscher berichtete anschließend im Landtag über den aktuellen Stand der Corona-Lage. Südtirol sei vom Staat als orange Zone eingestuft, habe sich selbst aber strengere Regeln gesetzt. Besondere Aufmerksamkeit gelte den Virusvarianten, in Absprache mit dem Gesundheitsministerium lege man die entsprechenden Maßnahmen fest. Seit drei Wochen gingen die Zahlen deutlich zurück. Die Inzidenz sei hoch, aber das sei der hohen Testzahl geschuldet, anderswo würden nur die PCR-Tests gezählt. Die Positivitätsrate sei gesunken, auch dank der vielen Tests, aber nicht nur – sie liege jetzt bei ein bis zwei Prozent. Die Zahl der Positiven sei von 18.000 auf rund 6.000 gesunken. Die Zahlen in den Normalstationen seien leicht rückläufig, in den Intensivstationen stabil bzw. leicht im Steigen. Letztere Zahlen würden der Zahl der Infizierten hinterherhinken, allerdings gebe es durch die Varianten einen schnelleren Verlauf der Krankheit. Die südafrikanische Variante sei vor allem auf die westliche Landeshälfte beschränkt, für die in Absprache mit dem Ministerium Sonderregelungen erlassen wurden, mit Tests und Tracing. Für diese Gemeinden gelte eine Einstufung wie die neue rote Zone, wie sie im letzten Dekret des Ministerpräsidenten festgelegt sei. Zusammen mit Gemeinden, Bezirken und Verbänden seien Teststationen eingerichtet worden. Inzwischen hätten weitere Sequenzierungen weitere Fälle mit der südafrikanischen Varianten gezeigt. Der Fall in Bozen betreffe eine Person, die bereits im Krankenhaus gewesen sei. Es handle sich bisher um Einzelfälle, nicht um Herde. Das Land behalte sich vor, auch in Absprache mit Rom, dort, wo größere Herde oder ein spezifisches Infektionsgeschehen bemerkt würden, strengere Maßnahmen zu setzen. Dies alles entspreche auch der Strategie, die in Rom festgelegt worden sei und die strengere Maßnahmen auf lokaler Ebene ermögliche. In den Gemeinden mit südafrikanischer Variante, aber ohne Verdacht auf Infektionsherde, würden nächste Woche die Grundschulen öffnen können, mit Sicherheitsauflagen und Tests. Die freiwilligen Tests in den Schulen seien auf große Bereitschaft gestoßen. Die Alternative wäre der Distanzunterricht.

Die Verordnung des Landeshauptmanns laufe mit 14. März aus. Die Landesregierung habe über weitere Schritte beraten und sei weiter für eine Linie der Vorsicht. Man wolle nicht zu früh wieder Infektionsherde riskieren. Die Verlängerung der Maßnahmen und die Impfung würden dann mehr Öffnung ermöglichen. Vor einer weiteren Verordnung warte man noch die Einstufung durch Rom und eventuelle weitere staatliche Vorgaben ab, wahrscheinlich übermorgen.

Auf staatlicher Ebene werde derzeit ein Hilfspaket vorbereitet, das auch die Skigebiete besonders berücksichtige. Dazu gebe es 500 Mio. vom Land zur Unterstützung von Betrieben und Familien, unter Verwendung von Mitteln, die der Staat dem Land noch schulde. Das Paket für Arbeitnehmer und Familien werde damit deutlich ausgedehnt, die Zahl der Anspruchsberechtigten sichtlich erweitert. Für kleine Betriebe sei eine vereinfachte Hilfe vorgesehen, für größere einen Beitrag für die Kosten. Es seien Mittel auch für Infrastrukturen und Investitionen vorgesehen.

LR Thomas Widmann berichtete, dass die Inzidenzzahlen stark gesunken seien. Am 2. März habe man mit fast 22.000 Tests einen Maximalwert erreicht. In der Intensivstation gebe es derzeit eine hohe Belastung mit 64 Patienten (mit und ohne Covid). Es gebe jetzt auch junge Patienten, deren Zustand sich in kürzester Zeit verschlechtere und die intubiert werden müssten. Man habe neun neue Fälle mit südafrikanischer Mutation, die nun insgesamt 18 Gemeinden betreffe. Mittlerweile seien knapp tausend Sequenzierungen durchgeführt worden. Zum Großteil handle es sich um harmlose Varianten. Die englische Variante sei stark verbreitet und sie sei ansteckender. Mit diesem Druck könne es noch keine Entwarnung geben. Auch in anderen Ländern gebe es große Unsicherheit angesichts dieser Varianten. In Deutschland wolle man nun mehr Tests durchführen und hinterfrage daher auch das bisherige Inzidenzkriterium. Man müsse immer das Gesamtbild sehen und nicht nur einen Parameter. Südtirol setze als erstes auf Kontaktvermeidung, zweitens auf viele Tests – wie nun auch andere Länder, drittens auf die Impfung. Hierzu gebe es zwei positive Neuigkeiten: 75.000 Dosen seine verimpft worden. Der Impfstoff von AstraZeneca habe den Vorteil, dass die zweite Impfung erst nach zwölf Wochen fällig sei, was mehr Spielraum gebe. AstraZeneca sei nun auch über 65 zugelassen, damit könne man schneller mehr Risikopersonen impfen, vor allem jene mit bestimmten Erkrankungen. Bald kämen 40-45.000 neue Impfdosen. Auch wenn es durch die Varianten vermehrt zu schwereren Fällen unter Jüngeren komme, könne man davon ausgehen, dass sich durch die Impfung der bisherigen Risikogruppen bis Ende März die Lage erleichtern werde. Man sei dabei 7 zentrale Impfstationen aufzubauen und sei zur Verabreichung der gelieferten Dosen imstande. Dennoch sei weiterhin große Vorsicht geboten, da man die Auswirkung der Varianten noch nicht genau kenne.

Brigitte Foppa (Grüne) mahnte, auch die Information als Teil der Strategie zu sehen. Viele Hausärzte seien nicht ausreichend über die Tests informiert worden, ob gratis oder nicht usw. Hinsichtlich Planbarkeit sollte man sagen, was bei welchen Fallzahlen passiere. So schaffe man mehr Motivation zur Einhaltung der Regeln.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) bestätigte die Ungewissheit bei Handhabe und Berechnung der Tests. Die Mittel für das Hilfspaket seien Gelder, die Rom uns seit langem schulde; man hätte das Hilfspaket also auch früher haben können. Er fragte, wie viele Personen unter 70 in Intensivbehandlung seien.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) fragte, wie man in den Schulen vorgehen wolle, in denen es Testverweigerer gebe. Er kritisierte, dass die Unterlagen zum Hilfspaket erst am Donnerstag zur Verfügung gestellt würden.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fragte, warum nicht, wie anderswo, den Bürgern flächendeckend Gratistests angeboten würden. 50 Euro für jeden Test seien abschreckend. Laut Widmanns Zahlen werde in Südtirol hauptsächlich mit AstraZeneca geimpft. Zu diesem gebe es Vorbehalte: Todesfälle, geringere Wirkung bei südafrikanischer Variante. Isreal zeige, dass die Massenimpfungen nicht reichten, es stehe vor einem neuen Lockdown.

Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) hielt die Testzahl in den “südafrikanischen” Gemeinden für unzureichend. Die Hilfszahlungen kämen spät, man rede von Ende Mai. Neben Test brauche es auch mehr Kontrollen.

Laut Vorgaben müssten die positiven Antigentests durch PCR verifiziert werden, erklärte Franz Ploner (Team K) und fragte, wie das gehandhabt werde. Ebenso müssten 15 Prozent sequenziert werden wegen der Varianten. Die WHO halte die Schnelltests für Kinder nicht angemessen. Er fragte, warum man die Hausärzte nicht in die Impfstrategie einbinde.

Josef Unterholzner (Enzian) sah eine Unstimmigkeit zwischen den Zahlen des Landeshauptmanns und des Landesrats zu den Varianten. Wenn in einer Schule alle negativ seien, dann wäre die Maskenpflicht nicht gerechtfertigt. Widmann habe gemahnt, die Gesamtsituation zu betrachten, aber einzelne Gemeinden würden wegen eines Falls geschlossen.

Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) fragte, wie viele Impfdosen im März geliefert würden und wie es mit den Tests in den italienischen Schulen aussehe.

Ulli Mair (Freiheitliche) fragte, warum in Partschins wegen eines Falls alle Schulen geschlossen wurden. Die Eltern sollten den Schnelltest auch daheim durchführen können. Das Auto sollte man im eigenen Gemeindegebiet verwenden können, das wäre auch für Menschen mit Gehschwierigkeiten nützlich. Für die Bauarbeiter brauche es eine Lösung, dass sie irgendwo eine warme Mahlzeit einnehmen können.

Peter Faistnauer (Team K) fragte, wo die positiv getesteten LKW-Fahrer angerechnet würden, und plädierte für eine mindestens 50-prozentige Öffnung der Oberschulen.

Hanspeter Staffler (Grüne) fragte nach der zahlenmäßigen Verteilung der Varianten und ab wann auch Bozen wegen des südafrikanischen Falls als Sperrgebiet betrachtet werde.

LR Thomas Widmann las die Testzahlen der letzten Tage vor, bis zu 21.000. Es seien sehr hohe Zahlen, ähnlich wie in Österreich. Es gebe aber nicht die magische Zahl, die man als Entscheidungsbasis für die zukünftige Maßnahmen hernehmen könne. Wichtig sei das Gesamtbild der Situation. Auch Deutschland wolle nun von der reinen Inzidenz weg. Viele Betriebe hätten Anrecht auf Vergütung für die Tests. 80 Prozent der Intensivpatienten seien über 70. Südtirol wolle viel testen, aber bei PCR und Antigen seien die personellen Kapazitäten begrenzt. Die neuen Schnelltest würden Entlastung geben. AstraZeneca sei weit besser als sein Ruf, die Todesfälle nach der Impfung seien Fake News gewesen. Mittlerweile wisse man, dass die Schule sehr wohl ein Ansteckungsort sei, die Ansteckung werde von dort dann in die Familie übertragen. Eine Öffnung sei nur mit entsprechender Teststrategie möglich. Die Nasenbohrertests seien eine Möglichkeit, breit, schnell und günstig zu testen. Das Ziel sei es, möglichst viele Asymptomatische herauszufischen. Bis jetzt seien 923 Sequenzierungen durchgeführt worden; 300 hätten die englische Variante ergeben, 58 die südafrikanische, und dann gebe es noch andere Varianten und Untervarianten, die weniger gefährlich seien.

Brigitte Foppa kritisierte die ungleiche Verteilung der Redezeit zwischen Abgeordneten und Landesregierung. So sei es in der Fraktionssprechersitzung vereinbart worden, antwortete Präsident Noggler.

LH Arno Kompatscher teilte mit, dass laut staatlicher Regelung auch in roten Zonen Sport von nationalem Interesse möglich sei. Dies sei nicht nachvollziehbar, und dazu habe er sich auch ans CONI gewandt. Das Geld für das Hilfspaket hätte man nicht schon vor Monaten eintreiben können, da man sich damals eine Anfechtung eingehandelt hätte. Die Verhandlungen über die Stundung der Zahlungen an den Staat seien noch am Laufen. Die Kriterien für die Verteilung des Hilfspakets würden nicht mit Landesgesetz festgelegt, daher gebe es auch nicht die entsprechenden Unterlagen; die Landesräte würden aber den Einsatz der Mittel in ihren Ressorts erläutern. Kompatscher betonte, dass die Rechte des Landtags immer respektiert würden, zusätzlich gebe es informelle Sitzungen zur Information. Zu den Gratistests gebe es Gespräche mit dem Ministerium. Die Aussichten seien gut, denn bereits öfters während dieser Krise habe der Staat Südtirol als erster Region eine Ausnahme konzediert. Entgegen manchen Behauptungen werde nicht irgendwie gewurstelt, jeder Schritt sei mit dem Gesundheitsministerium abgesprochen. In Bozen sei eine Absperrung nicht nötig, der einzige Fall befinde sich im Krankenhaus. Anders wäre es bei einem Infektionsherd. Die Menschenansammlungen seien kein reines Südtiroler Phänomen, das sehe man im Fernsehen, und das Land könne sich nur an die verfügbaren Polizeikräfte wenden. Zu den Testzahlen: Deutschland zähle nur die PCR-, Italien auch die Antigentests. Die Menschen hofften auf ein Ende des Lockdowns und auf eine Öffnung der Schulen. Gleichzeitig würden manche Eltern Tests an ihren Kindern verbieten. Es brauche Zusammenarbeit, auch die Bevölkerung müsse ihren Teil beitragen statt wie die Presse immer nur das Haar in der Suppe zu suchen. Derzeit seien weitere Öffnungen schwierig, denn sie machten die Situation auch weniger kontrollierbar. Man dürfe auch weiterhin nicht mit dem Auto bis zum Wald fahren, um dort den Spaziergang zu beginnen – das werde, wie die Erfahrung zeige, auch für Besuche benutzt. Sobald es das Gesamtbild wieder zulasse, werde man auch die Mensen öffnen. Man könne und wolle die Lehrer nicht zum Test verpflichten, aber man wolle die Öffnung erreichen.

Anschließend wurde zur Aktuellen Fragestunde übergegangen.

Von: mk

Bezirk: Bozen