Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute unter anderem mit der Anerkennung von Erziehungs- und Pflegezeiten für die Rente befasst. Die Süd-Tiroler Freiheit hat einen entsprechenden Beschlussantrag eingereicht.
Beschlussantrag Nr. 705/23 Erziehungs- und Pflegezeit für die Rente anerkennen und echte Wahlfreiheit ermöglichen! (eingebracht von den Abgeordneten Atz Tammerle und Knoll am 18.04.2023): Der Landtag möge beschließen: 1. Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, sich gemeinsam mit den Südtirol Parlamentariern in Rom für die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen einzusetzen, damit die Erziehungs- und Pflegezeit für die Rente anerkannt werden kann. 2. Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, familiäre Betreuung und Fremdbetreuung von Kindern gleichwertig zu fördern und finanziell zu unterstützen, um so eine echte Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung zu ermöglichen. 3. Der Südtiroler Landtag spricht sich für die gesellschaftlich-politische Anerkennung des Berufsbildes der Hausfrau und des Hausmannes aus und erkennt den erzieherischen Mehrwert an.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) unterstrich, dass das Thema “echte Wahlfreiheit” im Bereich Erziehung und Pflege im Landtag bereits öfter behandelt worden sei. Es gehe in der Praxis noch immer in die Richtung, dass jenen Familien und Eltern, die es sich wünschten oder vielleicht auch müssten, die Möglichkeit gewährt werde, dass die Kinder Fremdbetreut würden. Es spreche zwar nichts dagegen, doch was sei mit jenen Eltern, die länger zu Hause bleiben wollten, oder die wollten, dass die Oma auf die Kinder schauten? Für diese gebe es keine Unterstützung. Sie müssen zum Teil ihren Arbeitsplatz kündigen, seien dadurch nicht mehr rentenversichert und erhielten auch keine finanzielle Unterstützung für die familiäre Kinderbetreuung. Zugleich kämen sehr viele Kosten auf eine neu gegründete Familie zu. Wenn man länger beim Kind bleiben wolle, dann führe das mitunter zu Einschränkungen – das dürfe aber nicht sein. Es gebe tolle Strukturen im Land, die sich um die Kinder kümmerten; in diese sollten nun auch Pnrr-Gelder investiert werden – doch der Ansatz müsse sein, dass auch Geld in jene investiert werde, die ihre Kinder anders betreuen möchten, selbst oder durch die eigene Familie. Es sei höchste Zeit, dass es echte Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung gebe und dass die Erziehungs- und Pflegezeiten für die Rente anerkannt würden.
Sie habe eine andere Perspektive auf das Thema, betonte Brigitte Foppa (Grüne), doch auch sie sei für Wahlfreiheit. Bevor es die Möglichkeit der Betreuung der Kinder außerhalb der Familie gegeben habe – was noch nicht so lange her sei -, habe es diese auch nicht gegeben. Eine Wahlfreiheit gebe es deshalb nur, wenn es genügend Einrichtungen gebe – und ebenso genügend Betreuerinnen und Betreuer, die ausreichend bezahlt würden. Beide Modelle sollten nebeneinander bestehen. Sie plädiere zudem für die Nutzung eines alternativen Begriffes zur “Fremdbetreuung”, den sie für negativ behaftet halte, etwa Außer-Haus-Betreuung. Dem ersten Punkt werde man zustimmen. Sie beantrage eine getrennte Abstimmung.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) bemerkte, sie könne sich zum Teil der Abg. Foppa anschließen. Wenn man von Wahlfreiheit rede, dann müsse man beides auf dieselbe Stufe stellen. Wenn eine Familie dann eine Entscheidung treffe, dann wisse man auch, dass diese nicht immer freie Wahl sei, sondern dass die Umstände dies erforderten. Die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, gebe es etwa im Sanitätsbetrieb noch nicht so lange. Alle Punkte des beschließenden Teils seien sehr allgemein gehalten; man müsse mit solchen Beschlussanträgen sehr vorsichtig sein, weil man damit Hoffnungen wecke, die nicht umgesetzt werden könnten.
Sie glaube nicht, so Ulli Mair (Freiheitliche), dass es in dieser Diskussion darum gehe, wer die besseren Mütter seien. Wahlfreiheit impliziere in ihren Augen auch nicht Strukturen und dass mit mehr Strukturen mehr Wahlfreiheit erreicht werde. Sie höre oft, dass Frauen gerne zu Hause bleiben würden, wenn sie es sich leisten könnten. Jede Frau sollte selbst entscheiden können, was für sie, ihre Familie und ihren Partner das Richtige sei. Hier müsste es dem Staat wert sein, zu investieren, indem die Jahre des Daheimbleibens für die Rente angerechnet würden und mehr. Das Bild, das in der Gesellschaft immer wieder konstruiert werde “Die Frau muss Karriere machen und das Kind so schnell wie möglich weggeben” – davon müsse man weg. Sie verstehe unter Wahlfreiheit, dass beide Modelle gleich viel wert sein müssten. Sie würde dem Antrag zustimmen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) unterstrich, dass es nicht um frauenpolitische Maßnahmen gehe, so wie es die geführte Diskussion impliziere. Es gehe darum, wie auch aus dem beschließenden Teil des Antrages ersichtlich, gleichwertige Strukturen und eine gleichwertige Einstufung im Hinblick auf die Rente zu schaffen – für Frauen und Männer. Die gesellschaftspolitische Anerkennung des Berufsbilds der Hausfrau oder des Hausmanns sei notwendig. Dies sei nämlich nicht Nichtstun, sondern ein vollwertiger Beruf, eine vollwertige Berufung, in der ein ökonomischer Mehrwert stecke. Gerade auch, wenn man bedenke, dass das Personal in den Kinderbetreuungseinrichtungen immer knapper werde bzw. fehle. Er würde sich wünschen, dass sich auch mehr Männer entscheiden würden, zu Hause zu bleiben und sich dort um die Familie zu kümmern.
Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) erklärte, die Wahlfreiheit sei in den vergangenen Jahren durch die Einrichtung von Strukturen in Südtirol besser geworden. Die Anerkennung der Erziehungs- und Pflegezeit sei unterstützenswert, denn dass es diese nicht gebe, sei ein Grund dafür, dass viele Mütter nicht zu Hause blieben. Er verwies aber auch auf die Diskrepanz in bestimmten Berufszweigen, dass wenn Mitarbeiter wegen Erziehung oder Pflege länger nicht am Arbeitsplatz seien, es mitunter schwierig sei, dass sie an ihre vorherige Position zurückkehrten.
Magdalena Amhof (SVP) erinnerte daran, dass es Aufgabe des Staates sei, dass es Wahlfreiheit gebe. Man sei für die Anerkennung der Erziehungs- und Pflegezeiten. Deshalb werde man dem Punkt 1 zustimmen. In den vergangenen Jahren sei im Land ein gutes Netz von Betreuungseinrichtungen entstanden. Doch damit allein sei keine Wahlfreiheit gegeben. Durch die freiwillige Weiterversicherung, die auf regionaler Ebene möglich sei, sei auch mehr Wahlfreiheit möglich. Diese sei für manche Familien aber eine finanzielle Herausforderung, zuletzt habe es hier Änderungen gegeben, die sie die Landesrätin bat zu erläutern. Punkt 2 und 3 werde die SVP nicht zustimmen.
Landesrätin Waltraud Deeg sagte, es freue sie, dass es bei diesem Thema um Wichtiges gehe, dass man offener geworden sei. Sie schließe sich der Abg. Foppa an, dass die Sprache mit Sorgfalt gewählt werden müsse, weil Sprache auch werte. Das Land habe keine Zuständigkeiten bei der Anerkennung der Rentenjahre – wohl aber beim Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten. Punkt 1 werde man annehmen, 2 und 3 nicht. Deeg verwies zudem auf verschiedene Möglichkeiten, mit denen auf regionaler Ebene zur Gleichstellung von Erziehungs- und Pflegezeit beigetragen werde, beispielsweise werde pro Kind 8.000 Euro in den Zusatzrentenfonds eingezahlt. Südtirol sei nicht perfekt und man wolle besser werden, aber ganz so schlecht sei man nicht.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) bedankte sich für die Diskussion und den Zuspruch. Es seien in den vergangenen Jahren Millionen in die Strukturen – die Hardware – geflossen, doch das andere – jene Eltern, die zu Hause bleiben möchten – hätte keine gleichwertige Unterstützung. Sie wolle den Begriff “Fremdbetreuung” im Antrag in “außerfamiliäre Betreuung” ändern. Es gehe nicht um besser oder schlechter, sondern um den Wunsch der wahren Wahlfreiheit, der umgesetzt werden solle. Es sei notwendig, dass der Beruf Hausfrau/Hausmann gesellschafts-politisch anerkannt und wertgeschätzt werde. Sie bat um getrennte Abstimmung.
Der Antrag wurde getrennt nach Prämissen und Punkten abgestimmt: Die Prämissen und die Punkte zwei und drei wurden jeweils mehrheitlich abgelehnt; Punkt eins wurde mit 33 Ja einstimmig angenommen.