Von: mk
Bozen – Der Internationale Frauentag wird seit 1911 jedes Jahr gefeiert. Eine der zentralen Forderungen des Weltfrauentages war damals die Einführung des Frauenwahlrechts. In Italien wurde diese Forderung am 10. März 1946 eingeführt, Frauen konnten sich erstmals aktiv und passiv an politischen Wahlen beteiligen. 2019 sind die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter in den Ländern der EU immer noch nicht erreicht, obwohl als Recht in zahlreichen Gesetzen verbrieft. Darauf weist Südtirols Gleichstellungsrätin Michela Morandini hin.
Dasselbe gelte auch für den Bereich Arbeit. So verdienen Frauen in Südtirol 17.2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, sie sind häufiger von prekären Arbeitsverhältnissen im privaten Sektor betroffen, übernehmen zum überwiegenden Teil die unbezahlte Haushalts- und Betreuungstätigkeit, haben schlechtere Karriereentwicklungen, bedeutend niedrigere Pensionen und sind somit im höheren Ausmaß von Altersarmut betroffen.
Wie kann das sein, trotz steigender weiblicher Präsenz am Arbeitsmarkt, zahlreichen Sensibilisierungs- und Informationskampagnen sowie Interventionen auf europäischer und nationaler Ebene? „Weibliche Erwerbsbiografien unterscheiden sich wesentlich von jenen von Männern. Sie sind oftmals ein Spiegelbild von vorherrschenden Gesellschaftsmodellen. Darin liegt viel Erklärungspotenzial“, so Gleichstellungsrätin Morandini. Bereits in der Erziehung wird der Grundstein gelegt, z. B. durch die Vermittlung von „typischen“ Verhaltensmustern für Mädchen oder Jungen. Diese Übernahme von gewissen Normen spiegelt sich oftmals auch in der Schul- und Berufswahl wieder. So gibt es immer noch typische „Männer- und Frauenberufe“, wobei in Berufen, in denen der Männeranteil überwiegt, in der Regel die Löhne höher sind.
Zudem unterbrechen Frauen häufiger ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Erziehungs- und Pflegetätigkeit, diese Lücken können die Karriereentwicklung negativ beeinflussen und die Sozial- und Rentenbeiträge schrumpfen dramatisch. Ein Kreislauf, bei dem Frauen den Kürzeren ziehen.
„Oberflächlich betrachtet hat Frau im Berufsleben aufgeholt, geht man jedoch tiefer, entsteht der Eindruck, dass es in Punkto Gleichstellung schon mal erfolgreichere Zeiten gegeben hat“, so Gleichstellungsrätin Morandini. Zahlen bestätigen diesen „Negativtrend“, die Anzahl von Müttern, die im ersten Lebensjahr ihres Kindes kündigen, steigt etwa drastisch an. Laut dem Nationalen Inspektorat für Arbeit (Ispettorato nazionale del lavoro) sind es ca. 25.000 junge Mütter, die im ersten Lebensjahr ihres Kindes aus Gründen der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf kündigen. „Hinter dieser Zahl steckt ein klares Frauen-, Familien- und Gesellschaftsmodell. Letzteres beeinflusst natürlich auch Arbeitsmodelle und die Unternehmenskultur. Führungskräfte prägen diese wesentlich mit“, so Gleichstellungsrätin Morandini. Gleichstellung am Arbeitsplatz könne nur erreicht werden, wenn mit diesen Denkmodellen gebrochen wird und „gleichberechtigt“ gedacht wird. „Bis zu diesem Tag wird es wohl noch einige ‘Frauentage’ brauchen“, so Morandini.