Fragestunde im Landtag

Zweisprachigkeit, WOBI und Kindergarten

Dienstag, 14. Januar 2020 | 18:29 Uhr

Bozen – Zweisprachigkeit, WOBI, Kindergarten, Wohnsitzmeldung, Familiengeld+, interethnische Konflikte, Zeitgeschichtemuseum, Leistungen für Nicht-EU-Bürger und weitere Themen standen am Nachmittag im Landtag zur Debatte.

Ein Bürger habe ihr mitgeteilt, dass es beim Sozialamt für Minderjährige (USSM) keinen Sozialassistenten geben soll, der Deutsch spricht, berichtete Myriam Atz Tammerle und stellte dazu folgende Fragen: Stimmt es, dass beim Sozialamt für Minderjährige (USSM) kein Sozialassistent Deutsch spricht? Falls ja, was gedenkt die Landesregierung dagegen zu unternehmen?

Das Sozialamt sei eine staatlich Stelle, antwortete LR Waltraud Deeg, daher habe sie auch keine Informationen über den dortigen Personalstand. Andererseits müsse auch bei einer staatlichen Behörde der zweisprachige Dienst garantiert sein. Man werde das beim nächsten Treffen ansprechen.

Das WOBI müsse sein Bauprogramm auch dem Wandel des Familienmodells anpassen, meinte Riccardo Dello Sbarba und fragte, welchen Kriterien das Programm folge, wie groß die Wohnungen seien – insbesondere jene, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden, ob es noch unterbesetzte Wohnungen gebe (zu groß für den Bedarf der Mieter) und wie man die Frage angehe, ob man schließlich auch neue Arten des Bedarfs andenke: modulare, an die Zahl der Mieteranpassbare Wohneinheiten, Mehr-Generationen-Wohnungen, Mini-Wohnungen usw.

Die Kriterien seien online, erklärte LR Waltraud Deeg und nannte den Bestand der einzelnen Wohnungsgrößen. Eine Wohnung werde aus verschiedensten Gründen zu groß, etwa weil die Kinder auszögen. Die Situation sei schwierig zu handhaben. Es sei schwer, Menschen, die seit Jahrzehnten in derselben Wohnung lebten, dazu zu bringen, in eine kleinere Wohnung in einer anderen Gegend oder in einer anderen Gemeinde umzuziehen. Die Wohnungstypologien seien in den letzten Jahren immer wieder den geänderten Bedürfnissen angepasst worden. Eine modulare Wohnung sei noch nicht angedacht worden, auch wegen der höheren Kosten. Man setze eher auf Mehr-Generationen-Wohnungen. Laut Deeg seien 6.019 Wohnungen unterbesetzt, bemerkte Dello Sbarba, das sei eine große Zahl und dazu müsse man sich etwas überlegen.

Durch das Landesgesetz 8/2019 wurde das Kindergartenalter auf drei Jahre erhöht, stellte Maria Elisabeth Rieder fest. Viele Eltern, vor allem Mütter, von Kindern, die nach der alten Regelung mit zweieinhalb Jahren in den Kindergarten eintreten hätten können, haben ihren Wiedereinstieg in den Beruf und die Organisation ihrer Familie nach diesen damals gültigen Parametern geplant. Sie stehen, je nach Planung, vor verschiedenen Herausforderungen. Es sind im kommenden Kindergartenjahr ca. 400 Kleinkinder betroffen. Rieder stellte dazu folgende Fragen an die Landesregierung: Wird es Ausnahmeregelungen, wie im Gesetzestext vorgesehen geben? Wenn ja, welche? Werden alle betroffenen Familien bei Bedarf Kleinkindbetreuungsplätze erhalten? Gibt es eine Hilfestellung für Familien, die keinen Kleinkindbetreuungsplatz haben, da sie bisher in Elternzeit waren und den Arbeitseintritt mit dem Eintritt des Kindes in den Kindergarten geplant hatten?

Derzeit laufe noch die Einschreibung, antwortete LR Waltraud Deeg, danach werde man die Situation bewerten. Bereits seit 2016 müssten die Gemeinden eine Bedarfserhebung machen. Derzeit hätten 25 Prozent der Kinder bis zu drei Jahren Platz in den Kinderbetreuungsstätten. Für eine Hilfestellung sei die Gemeinde die Anlaufstelle, das Land stehe aber mit ihnen in Kontakt. Sie sei zuversichtlich, dass jedes Kind, das einen Betreuungsplatz brauche, in der Umgebung einen finden werde. Bei allem Verständnis für die Familien sei der Kindergarten nicht der geeignete Platz für Kinder unter drei Jahren.

Myriam Atz Tammerle verwies auf das Landtagswahlprogramm der SVP, wo unter dem Punkt „Öffentliche Sicherheit“ folgendes steht: „Zudem soll eine eigene Landespolizei angedacht werden.“ Knoll hatte dazu folgende Fragen: Hat es seitens der Landesregierung bereits Maßnahmen zur Schaffung einer Landespolizei gegeben? Falls ja, welche? Falls nein, gedenkt die Landesregierung diesbezüglich Schritte zu setzen?

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Landespolizei gebe es bereits, erklärte LH Arno Kompatscher. Entsprechend organisiert könne die Ortspolizei auch Polizeifunktionen übernehmen. Zusammen mit dem Gemeindeverband arbeite man nun an einem Modell für eine landesweite Organisation.

Myriam Atz Tammerle bat im Namen eines gebürtigen Südtirolers um rechtliche Klärung zu folgendem Sachverhalt: Der Betroffene ist vor zehn Jahren vom Pustertal aus beruflichen Gründen nach Innsbruck gezogen. Er besitzt seither in Südtirol keine Wohnung mehr und ist auch nirgends mehr gemeldet. Als er nun in Innsbruck in eine andere Wohnung gezogen ist, hat er kurz darauf von der italienischen Botschaft in Wien ein Schreiben erhalten, in welchem er aufgefordert wurde, den italienischen Behörden seine neue Wohnsitzadresse mitzuteilen. Der Betroffene hat mit Südtirol und mit Italien nichts mehr zu tun und sieht nicht ein, was den italienischen Behörden seine Wohnsitzadresse in Österreich angeht. Knoll stellte dazu folgende Fragen: Besteht eine gesetzliche Verpflichtung für Südtiroler, die ins Ausland ziehen, den italienischen Behörden ihre Wohnsitzadresse mitzuteilen? Wenn ja, auf Grundlage welchen Gesetzes? Kann der Südtiroler die Bekanntgabe seines Wohnsitzes den italienischen Behörden auch verweigern? Sind der Landesregierung ähnliche Fälle bekannt und wie beurteilt sie die Aufforderung der italienischen Behörden?

Wer auswandere, müsse sich entweder beim Konsulat im neuen Land melden oder bei der letzten Wohnsitzgemeinde im Inland, antwortete LH Arno Kompatscher. Inzwischen könne man das per Mail machen. Die Auskunft dürfe nicht verweigert werden, es sei aber nur eine geringe Geldstrafe vorgesehen.

Vom Landesfamiliengeld+ sollen Väter von zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezember 2019 geborenen Kindern profitieren, bemerkte Brigitte Foppa. Arbeiten die Väter im Privatsektor und nehmen Elternzeit in Anspruch, so haben sie, je nachdem, ob sie während der Erziehungszeit Geld vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin beziehen oder nicht, ein Recht auf zwischen 400 Euro und 800 Euro monatlich. Das Landesfamiliengeld+ wird für maximal drei Monate ausbezahlt. Diese Förderung sollte einen Anreiz für Väter schaffen, nach der Geburt ihrer Kinder eine Auszeit von der Erwerbstätigkeit in Anspruch zu nehmen und sich eine Zeit lang hauptsächlich um die Erziehung ihres Neugeborenen zu kümmern. Foppa richtete folgende Fragen an die Landesregierung: Wie viele Antragsteller für das Landesfamiliengeld+ gab es in den Jahren 2016, 2017, 2018 und – falls die Zahlen schon vorhanden sind – 2019? Wie viele Anträge wurden gewährt? Haben sich durch das Landesfamiliengeld+ mehr Väter eine Auszeit vom Beruf zugunsten der Elternzeit genommen? Wurde der gewünschte Effekt also erreicht? Wie viele Väter im Privatsektor nahmen in den Jahren (2014 und 2015), also vor der Einführung des Landesfamiliengeld+ einen mehrwöchigen Vaterschaftsurlaub in Anspruch, wie viele in den Jahren 2016-2019?

LR Waltraud Deeg bezeichnete das Landesfamiliengeld+ als Unterstützung für Eltern, die Familienzeit in Anspruch nehmen. Nur wenige Väter hätten es in Anspruch genommen, zum einen wegen des traditionellen Rollenbildes, zum anderen aus ökonomischen Gründen. 2018 hätten 127 Personen die Förderung in Anspruch genommen. Die meisten Gesuche seien von Bediensteten von KMU, dann von Handwerks- und von Tourismusbetrieben. Es gebe Luft nach oben, aber man könne nur Anreize schaffen. Eine reine Erhöhung des Beitrags würde den Flash nicht auslösen.

Nach wie vor nehmen es einige staatliche Stellen mit der Zweisprachigkeitspflicht in Südtirol nicht genau, kritisierte Andreas Leiter Reber. So sind die Zollanträge, welche auch von Kleinbetrieben, ausgefüllt werden müssen, nur in italienischer Sprache abgefasst (https://www.adm.gov.it/ portale/modulistica1). Südtiroler, welche Italienisch nicht gut beherrschen, müssen Dritten vertrauen, dass sie die entsprechenden Formulare ausfüllen und dabei kein Fehler unterläuft, denn die Haftung liegt beim Antragssteller, obwohl dieser nicht der Sprache mächtig ist. Leiter Reber stellte dazu folgende Fragen: Aus welchen Gründen werden die Formulare für die Zollanträge in italienischer Sprache angeboten und in Deutsch nicht? Ab wann sollen die besagten Formulare auch in Deutsch abrufbar sein? Weshalb werden bestimmte Bereiche der Internetseiten vielen staatlicher Stellen zwar in die englische Sprache übersetzt, aber nicht auf Deutsch?

LH Arno Kompatscher betonte, dass man auch hier auf die Wahrung des Rechts auf die Muttersprache achten werde. Man habe die Zollagentur aufgefordert, zu den konkreten Vorwürfen Stellung zu nehmen und jedenfalls die entsprechenden Formulare zur Verfügung zu stellen. Man habe noch keine Antwort erhalten. Man habe oft interveniert, auch in Rom, und auch angeboten, für die entsprechende Übersetzung zu sorgen. Trotzdem habe es aber kaum Fortschritte gegeben, auch deswegen, weil viele Formulare oft neu formuliert würden. Man werde dranbleiben, auch mit einer schlagkräftigeren Sprachstelle, die bereits am 1. April starten könnte.

Andreas Leiter Reber verwies auf die Ankündigung von Landesrat Giuliano Vettorato, er wolle der Landesregierung im Rahmen ihrer letzten Sitzung des Jahres 2019 vorschlagen, einen Grundsatzbeschluss zur öffentlichen Beitragsvergabe zu fassen: Mit Jahresbeginn 2020 sollen nur solche Unternehmen, Verbände und Vereine Landesbeiträge erhalten, welche keine Aktivitäten und Aktionen vorwei­sen, die darauf abzielen, einen interethnischen Konflikt zwischen den drei offiziellen Sprachgruppen des Landes zu provozieren. Der Landesrat präzisiert in seiner Aussendung, dass dieser Grundsatz für die künftige Gewährung von Landesbeiträgen nicht nur für die Unternehmen, Vereine und Verbände selbst, sondern auch für deren einzelne Mitglieder und Angestellten gelte. Dazu stellte Leiter Reber folgende Fragen an die Landesregierung: Provozieren Südtiroler Unternehmen und Verbände oder deren Mitglieder und Angestellten einen intereth­nischen Konflikt, wenn sie Wegweiser und Wegmarkierungen mit den gewachsenen Orts- und Flurnamen beschriften? Wenn sie bei einem Referendum zur Benennung eines Platzes in der Südtiroler Landeshauptstadt nicht für Friedensplatz, sondern für Siegesplatz stimmen? Wenn sie ihr Recht auf Verwendung der amtlichen Landessprache in Krankenhäusern oder gegenüber den verschiedenen Polizeieinheiten in Anspruch nehmen wollen? Wenn sie sich ergebnisoffen mit der Zukunft unseres Landes auseinandersetzen? Wenn sie bei der Sportberichterstattung neben den Namen der lokalen, Südtiroler Sportler das Südtiroler Landeswappen grafisch darstellen? Wenn sie Bauten und Denkmäler totalitärer Regime sanieren? Wenn sie nach gewonnenen Spielen einer Fußballnationalmannschaft Mitglieder anderer Volksgruppen lautstark zum „Mitspringen“ animieren? Wenn Schüler einer Südtiroler Hotelfachschule eine Torte für den EU-Kommissionspräsidenten einsprachig beschriften? Provozieren Menschen eines Staates, welcher millionenfach Staatsbürgerschaften im Ausland vergibt, wenn sie für sich selbst, neben der italienischen, eine zusätzliche Staatsbürgerschaft annehmen würden, einen interethnischen Konflikt?

LR Giuliano Vettorato sah die Aufgabe der Politik nicht darin, einzelne Worte zu instrumentalisieren, um das Zusammenleben zu untergraben. Niemand könne über eine geheime Stimmabgabe oder über den Zuruf eines Fans richten. Aber bei bestimmten Fällen, von welcher Seite auch immer, müsse man auf Distanz gehen. Es gebe zu seinem Vorschlag keinen Beschluss der Landesregierung, aber die Durchführungsbestimmungen zur Beitragsvergabe sähen bereits vor, dass Vereine, die das Ansehen des Landes schädigten, keine Beiträge bekämen.

Bereits 2016 hat Landeshauptmann Kompatscher in der Franzensfeste den Plan eines Museums für Zeitgeschichte/Autonomie in der Festung vorgestellt, das an diesem günstig gelegenen Standort bestens platziert wäre, meinte Brigitte Foppa. Der mit der Ausarbeitung eines Konzepts beauftragte Hannes Obermair, der bereits zur Gedenkstätte im Siegesdenkmal Bozen grundlegend beigetragen, auch jüngst auf Schloss Tirol mit der Ausstellung „Mythen der Diktatoren“ seine Kompetenz bewiesen hat, legte hierzu im Juni 2019 bei einer öffentlichen Veranstaltung/Tagung in Franzensfeste/Bozen ein Konzept vor, das in vieler Hinsicht beeindruckt hat und als wertvolle Diskussionsgrundlage dienen kann. Nun aber hat Obermair seit einiger Zeit an der EURAC Forschungsaufgaben und eine Position übernommen, die ihn von der Konzeptarbeit in Franzensfeste, mit der er beauftragt war, sichtlich entfernt hat. So besteht das Risiko, dass das aussichtsreiche und wichtige Vorhaben eines Zeitgeschichte-Museums neuerdings ins Stocken, wenn nicht in Verstoß geraten könnte. Foppa richtete dazu folgende Fragen an die Landesregierung: Wird das Vorhaben eines Museums für Zeitgeschichte/Autonomie in der Franzensfeste weitergeführt? Ist Dr. Hannes Obermair weiterhin federführend an der Konzeption beteiligt? Wenn nein, wer setzt die Arbeiten fort? Welchen Zeitplan gibt es für dieses Vorhaben?
Das Konzept werde weitergeführt, erklärte LH Arno Kompatscher. Obermair habe sich zurückgezogen, sein Grundkonzept könne aber weiterverfolgt werden. Das detaillierte Konzept sollte 2021 stehen, mit einer Umsetzung sei 2023 zu rechnen. Es gehe aber nicht nur um das angesprochene Museum, sondern auch um die Nutzung anderer Räumlichkeiten.

Mit dem Beschluss der Landesregierung Nr. 1182 vom 30.12.2019 wurden die Richtlinien für den Anspruch von Nicht-EU-Bürgern auf zusätzliche Leistungen genehmigt, bemerkte Ulli Mair. Nicht-EU-Bür­ger müssen künftig bestimmte Integrationsanforderungen erfüllen, damit sie Zugang zu den Zusatzleistungen des Landes haben. Mairs Fragen dazu: Wie viele Nicht-EU-Bürger in Südtirol müssen die Integrationsanforderungen bis Inkrafttreten der Sanktio­nen gemäß Beschluss der Landesregierung Nr. 1182 vom 30.12.2019 erfüllen, damit sie weiterhin das Landesfamiliengeld, den Zusatzbeitrag zum Landesfamiliengeld und das Landeskindergeld beziehen können? Welche Beiträge im Rahmen des Landesfamiliengeldes, des Zusatzbeitrages zum Landesfamiliengeldes und des Landeskindergeldes erhielten die Nicht-EU-Bürger in Südtirol in den Jahren 2017, 2018 und 2019 und wie hoch waren diese Anteile an den gesamten ausbezahlten Leistungen? Aus welchen Gründen wurden die Hürden für die Integrationsanforderungen (der erfolgreiche Abschluss mindestens eines Schuljahres an einer deutsch- oder italienischsprachigen Schule) niedrig angesetzt?

LR Philipp Achammer übergab Mair eine Tabelle mit den gewünschten Zahlen. Insgesamt seien 2019 6.574 Gesuche berücksichtigt und rund 11,5 Mio. Euro dafür ausgegeben worden. Beide Eltern müssten die Voraussetzungen erfüllen. Die Hürden seien nicht niedrig angesetzt. Man gehe von der Absolvierung eines Schulzyklus aus und verlange das Sprachniveau A2 sowie den Integrationskurs. Mair freute sich, dass die Landesregierung damit eine Uraltforderung der Freiheitlichen umgesetzt habe.

Anschließend wurde der Landesgesetzentwurf Nr. 20/19: Präventive Menschenrechtskontrolle (vorgelegt von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler) für sechs Monate an den zuständigen Gesetzgebungsausschuss rückverwiesen.

Die Sitzung wird morgen wieder aufgenommen.

Von: luk

Bezirk: Bozen