Von: mk
Wien – Der Südtiroler Extrembergsteiger Hans Kammerlander hat gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ scharfe Kritik an der „Show“ rund um die jüngste Ski-Abfahrt vom Mount Everest durch Andrzej Bargiel geübt. Kammerlander bemängelt nicht nur die Vermarktung des Bergsports insgesamt, sondern auch die mediale Inszenierung von Sponsor Red Bull, die Bargiels Leistung als „Weltpremiere auf Skiern“ feierte.
Während Anfang Oktober Andrzej Bargiel mit seiner Abfahrt auf Skiern vom Mount Everest für Staunen gesorgt hat, rührte Red Bull mit dem 37-jährigen Polen die Werbetrommel und flutete die sozialen Medien mit Schlagzeilen, Bildern und Videos. Bargiel fuhr die gesamte Strecke ohne Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff vom Gipfel über die Südseite bis ins Basislager, also auch durch den tückischen Khumbu-Eisbruch. Auf der letzten Etappe hatte sein Bruder Bartek mit einer Drohne unterstützt, die quasi als drittes Auge diente.
Hans Kammerlander zeigte sich von der „Show“ allerdings enttäuscht. Der mittlerweile 68-jährige Extrembergsteiger war bereits 1996 mit Skiern erfolgreich vom Everest abgefahren – allerdings über die Nordostflanke bis ins vorgeschobene Basislager.
Damals war Kammerlander als Pionier mit weit weniger entwickeltem Material unterwegs gewesen und allein zum Gipfel auf aufgebrochen. „Ich hatte keinen Sherpa, habe alles selbst getragen, und die Sache war in nicht ganz 24 Stunden vorbei. Ich hatte nur einen Liter Tee dabei und wurde bis auf 7000 Meter von einem ORF-Kamerateam für Land der Berge begleitet. Dann wurde es dunkel, und sie haben ein Zelt aufgebaut. Ich war dann ganz allein, hatte keinen Sauerstoff dabei. Die Skier auf den Buckel, und los ging’s.“ Bargiel brauchte dagegen vier Tage, vier Stunden und 15 Minuten und erhielt umfangreiche Unterstützung – ganz anders als Kammerlander.
Weil der Südtiroler seinerzeit auf dem Weg nach unten auch das eine oder andere Mal abschnallen musste, wurde seine Abfahrt nicht als komplette Abfahrt gewertet. „Es war relativ schneearm, und ich musste manchmal dort, wo der Schnee abgeblasen war, in die nächste Rinne queren, aber das war minimal im Verhältnis zur Strecke. Daher ist die Abfahrt schon als Abfahrt zu bewerten“, erklärte er dem Standard gegenüber. Allerdings habe er die Schlüsselstellen mit den Skiern gemeistert. “Aber es ist nicht vernünftig, mit Skiern über Felsen und Steine zu steigen. Wenn ich gewusst hätte, was dadurch für ein Theater entsteht, dann hätte ich die Skier natürlich drangelassen, obwohl es deppert gewesen wäre.”
Wenn man so viele Jahre später mit einer an sich nicht vergleichbaren Geschichte so eine Show betreibe, dann sei das schade, erklärte Kammerlander. Das mache den Alpinismus kaputt.Lobend äußerte sich Kammerlander hingegen über Bargiels Abfahrt mit den Skiern vom K2 im 2018. Dies ist ihm bislang einziger gelungen. Kammerlander spricht in diesem Zusammenhang von einer „Glanzleistung“, während er die aktuelle Vermarktung kritisiert.
Insgesamt bezeichnet Kammerlander die Rekordjagden am Everest als „reinen Faschingsalpinismus“ und hält davon recht wenig. Irgendwann werde es noch so weit kommen, dass ein Sherpa ein Baby hochtrage. „Alles andere haben sie schon getan“, erklärte Kammerlander.
Auch zu den rasanten Besteigungen unter Einsatz von Xenon äußert sich Kammerlander kritisch. Der Massentourismus am Everest habe sich zu einem Mordsgeschäft entwickelt. Der Zug sei praktisch abgefahren.
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