KFS-Vortragsreihe

Ausnahmezustand Pubertät – Trotz stürmischer Zeiten in Beziehung bleiben

Mittwoch, 15. Mai 2019 | 19:30 Uhr

Laas/Unterinn/Kematen – Wenn Eltern merkwürdig werden und Jugendliche zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Bestreben nach Loslösung die Orientierung verlieren, dann stehen oft stürmische Zeiten ins Haus. Wie Eltern ihre Kinder durch die Zeit der Pubertät unterstützend begleiten können, erfuhren sie vor kurzem beim Vortrag „Ausnahmezustand Pubertät“ des Katholischen Familienverbandes Südtirol (KFS) in Laas, Unterinn und Kematen mit den Pädagoginnen Deborah Visintainer und Katharina Swoboda.

Das Zimmer sieht aus, wie nach einem Bombeneinschlag und unter dem Bett lugt ein angekautes Stück Pizza hervor. Bis spät in die Nacht läuft der Computer und am Morgen ist der Nachwuchs kaum aus dem Bett zu bringen. Ultracool mit Parfumfahne und Make-Up verlässt die Tochter das Haus, nur um sich später doch wieder zu den Eltern aufs Sofa zu kuscheln, bei Jungs läuft es ähnlich – nur mit Rasierwasserodeure. Die Pubertät ist die Zeit der Gegensätze, der hitzigen Diskussionen und der emotionalen Berg- und Talfahrten. „Was vielen Erwachsenen oft nicht bewusst ist: Jugendliche verändern sich nicht nur äußerlich, auch das Gehirn ist in der Pubertät mit einer Großbaustelle zu vergleichen“, berichten Deborah Visintainer und Katharina Swoboda.

Gehirn in Umbauphase

„Manches ist schon fest verankert, anderes wird vergessen und viele Verknüpfungen entstehen ganz neu. Das funktioniert nicht alles reibungslos, denn die verschiedenen Bereiche entwickeln sich verschieden schnell, was den Jugendlichen viel Energie abverlangt. Plötzlich sind sie vergesslicher, müssen Abläufe, die seit langem klar ausgemacht waren, neu lernen“, erklären die FamilienTeam®-Trainerinnen. Auch dass Jugendliche immer später schlafen gehen, habe damit zu tun, dass bestimmte Hormone verspätet ausgeschüttet werden und sich das Müdigkeitsgefühl verspätet einstellt. „In Schweden ist man schon so weit und lässt Kinder in der Pubertät später in die Schule kommen, weil man genau weiß, dass die Aufnahmefähigkeit dann besser ist“, lautet das Beispiel im Vortrag.

Unterstützung und Loslösung

Ein Punkt, der Kinder und Erwachsene gleichermaßen vor Herausforderungen stellt, ist die Loslösung von den Eltern. „Das ist ein Kontrollverlust, mit dem Eltern erst zurechtkommen müssen“, stellen die Referentinnen fest. Auch die Familienwerte werden mehr und mehr in Frage gestellt und die Kinder beginnen, sich ihr eigenes System von Wert- und Moralvorstellungen zu formen. „Unserer Erfahrung nach ist es die größte Angst der Eltern, dass die Kinder in schlechte Kreise kommen, dass sie nicht erzählen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten“, berichten die Pädagoginnen. Pubertät müsse aber nicht eine schwierige Zeit sein. Es sei vielmehr eine Zeit, in der man gemeinsam wachsen, sich als Eltern neu entdecken und den Jugendlichen die Unterstützung geben kann, sich selbst neu zu entdecken. „Man muss sich das Gehirn wie ein zweistöckiges Haus vorstellen“, vergleicht Visintainer. „Im Erdgeschoss befinden sich die primären Bedürfnisse, im ersten Stock die Emotionen, der zweite Stock bildet die kognitive Ebene. Jugendliche in der Pubertät halten sich vorwiegend im ersten Stock auf. Aufgabe der Eltern ist es, sie in den zweiten Stock hinaufzubegleiten.“

Echtes Interesse zeigen

Damit sich Jugendliche gut entwickeln können, brauchen sie das Gefühl der Geborgenheit und ein intaktes Beziehungsnetz. „Die Peer-Group wird wichtiger und es ist ganz natürlich, dass Teenager ihre Probleme lieber mit den Freunden besprechen, als mit ihren Eltern“, erklärt Swoboda. „Als Mütter und Väter müssen wir uns eingestehen, dass wir manchmal nicht die richtigen Ansprechpersonen sind. Dann ist es auch schön, zu wissen, dass unser Kind vielleicht mit dem Paten oder einer Lehrerin gut auskommt und in jedem Fall jemanden hat, an den es sich wenden kann.“ Wichtig sei außerdem, dass Eltern echtes Interesse an den Themen zeigen, die ihren jugendlichen Kindern wichtig sind. „Wenn mir meine Tochter etwas über Germanys Next Topmodel erzählen will, finde ich das vielleicht überhaupt nicht toll. Wenn ich dann frage, was sie da für einen Blödsinn schaut, wird sie mir so schnell nichts mehr erzählen wollen. Genauso ist es bei den Computerspielen. Bei Jugendlichen öffnet sich nur kurz eine Tür, wenn sie etwas erzählen und die Eltern an ihrem Leben teilhaben lassen wollen und die Tür geht dann auch schnell wieder zu.“

Perspektivenwechsel für mehr Gelassenheit

„Wir sind überzeugt, dass es Eltern leichter fällt gelassen zu sein, wenn sie versuchen, sich in Ihre Kinder hineinzuversetzen und die Sichtweise der Jugendlichen einzunehmen“, betont Visintainer. Gelassenheit bedeute außerdem den Blick auf die positiven Dinge zu lenken. Was hat mein Kind schon Tolles geleistet? Was haben wir in den letzten Jahren gemeinsam erlebt, was haben wir genossen, was haben wir durchgestanden? Der abschließende Rat der FamilienTeam®-Trainerinnen: „Haltet euch vor Augen, was euer Kind schon alles kann und was ihr als Elternteil schon alles geleistet habt.“

Weitere Termine im Herbst:

Vierschach | Vereinsraum der neuen Feuerwehrhalle: 03. Oktober 2019 von 20.00 bis 21.30 Uhr
Wiesen/Pfitsch | Haus der Dorfgemeinschaft: 14. Oktober 2019 von 20.00 bis 21.30 Uhr
Stegen | Pfarrsaal: 17. November 2019 von 20.00 bis 21.30 Uhr

Von: bba

Bezirk: Salten/Schlern, Vinschgau