Vortrag

Dem Ende entgegen – das Jahr 1918 in Tirol

Montag, 28. Mai 2018 | 11:44 Uhr

Bozen – Die wesentlichen Entwicklungen des letzten Kriegsjahres 1918 in Tirol stehen im Mittelpunkt eines Vortrages, den der Historiker Oswald Überegger am 31. Mai 2018 an der Freien Universität Bozen hält. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Vortragsreihe „Zeitenwende 1918. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Folgen“ statt, die vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen organisiert wird.

Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg begann, glaubte man auch in Tirol daran, in einen ‚gerechten‘ und – vor allem – kurzen Krieg zu ziehen. Aus dem geplanten Spaziergang nach Belgrad wurde bekanntlich ein viereinhalb Jahre dauernder Konflikt. Erst der November 1918, und nicht Weihnachten 1914, sollte einen Schlussstrich unter den Krieg ziehen – zumindest für jene, die ihn überlebt hatten und nicht in Kriegsgefangenschaft geraten waren.

Je länger der Krieg dauerte, desto manifester wurde auch unter den Tiroler Soldaten das Aufbegehren gegen Militär und Staat. Die katastrophalen Lebensbedingungen an der Front und der schikanöse militärische Drill verdichteten sich zu einem omnipräsenten Gefühlsensemble, das auch die Tiroler Soldaten zunehmend gegen den Kriegsstaat aufbrachte – 1918 mehr denn je zuvor. Die Folge dieser steigenden Unzufriedenheit und Frustration waren vermehrte militärische Verweigerungen. Aber nicht nur an der Front hatte der lange Krieg eine desillusionierende Dynamik entwickelt. Auch um das Hinterland, das es angesichts eines globalen Krieges mit totalen Ansätzen im konventionellen Sinne gar nicht mehr gab, stand es nicht besser. Bei der seit Kriegsbeginn zu beobachtenden, kontinuierlichen Stimmungsverschlechterung handelte es sich um eine wechselseitige Entwicklung, die Front und Heimat gleichermaßen betraf. Der Zivilbevölkerung an der Heimatfront hatten der lange Krieg und die bereichsübergreifende Konzentration auf Armee und militärischem Erfolg arg zugesetzt. Es waren vor allem Mangelwirtschaft und Ernährungsmisere, die den Kriegsalltag der Menschen fortschreitend verdüsterten.

Und nicht zuletzt hatten sich in Tirol 1918 auch die Positionen in der nationalen Auseinandersetzung deutlich akzentuiert. Während aus Deutschtiroler Perspektive alles Italienische mit dem vermeintlichen ‚Verrat‘ des ehemaligen Dreibundpartners gleichgesetzt wurde, hatten im Trentino Internierungen, Verhaftungen, Verurteilungen und andere Schikanen die Bevölkerung gegen Militär und Staat aufgebracht.

Der Vortrag von Oswald Überegger beschäftigt sich mit den zentralen Problemlagen, die das gesellschaftliche Leben in Tirol 1918 in prägender Weise konditionierten: Soziale Radikalisierung, nationale Polarisierung und militärische Desintegration nahmen sich als jene vom Krieg verstärkten sozialen Entwicklungen aus, die im letzten Kriegsjahr ein ‚Weiter-so‘ großteils verunmöglichten.

Der Referent

Oswald Überegger ist Zeithistoriker und seit 2013 Direktor des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Innsbruck, Wien und Hildesheim tätig. Er beschäftigt sich vorwiegend mit Tiroler Regionalgeschichte, der Geschichte des Ersten Weltkriegs sowie Gewalt- und Genozidgeschichte. Er ist Verfasser mehrerer Bücher und zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge zu den genannten Themenbereichen. Zuletzt erschienen sind: Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018; Krieg in den Alpen. Österreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg, Wien-Köln-Weimar 2015.

Termin:
Vortrag von Oswald Überegger: Dem Ende entgegen. Das Jahr 1918 in Tirol
Ort: Freie Universität Bozen, Universitätsplatz 1, Campus Bozen, Hörsaal D1.02
Zeit: 31. Mai 2018, 17.30 Uhr
Anbei: zwei Bilder von Oswald Überegger und das Programm der Vortragsreihe.

Von: mk

Bezirk: Bozen