Von: mk
Brixen – Die Vergabe des Bischof-Karl-Golser-Preises an Karin Rassler und der Festvortrag der ehemaligen deutschen Bundesministerin und Vatikan-Botschafterin Annette Schavan über den Erneuerungsbedarf in Kirche und Welt standen im Mittelpunkt des Dies Academicus, den die Philosophisch-Theologische Hochschule heute in Brixen begangen hat. „Gerade jetzt“, sagte Schavan, „kann die Weltkirche ein Beispiel für gelebte Solidarität und Vielfalt sein. Dazu braucht es keine andere Kirche, aber ein anderes ‚Kirche sein‘“.
282 Hörerinnen und Hörer besuchen derzeit die Vorlesungen und Seminare der Philosophisch-Theologischen Hochschule, der Brixner Theologischen Kurse sowie des „Istituto di Scienze Religiose“ und zwölf Studierende haben im Jahr 2021 das Studium mit dem Diplom „Bakkalaureat in Theologie“ abgeschlossen. Studierende und Lehrkörper haben heute u.a. mit Bischof Ivo Muser, der ehemaligen Bundesministerin Anette Schavan und Landeshauptmann Arno Kompatscher den akademischen Feiertag der Hochschule begangen.
Begonnen hat der Dies Academicus mit dem Festvortrag von Annette Schavan, der ehemaligen deutschen Bundesministerin für Bildung und Forschung. Schavan, die von 2014 bis 2018 Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Vatikan war, sprach über den Erneuerungsbedarf in der Kirche und der Welt in Zeiten, in denen die Kirche einen anderen Geist brauche sowie Transformation, Digitalisierung und nicht zuletzt die Pandemie die Menschen fordere. „Erneuerung ist anspruchsvoll. Sie verunsichert. Es muss deutlich werden, aus welchem Geist Erneuerung gefolgt“, betonte Schavan.
Schavan stellte fest, dass derzeit Unsicherheit um sich greife und forderte im Sinne von Papst Franziskus Solidarität in Zeiten der Ungewissheit: „In dieser Zeit, in der Menschen die Ungewissheit zu schaffen macht, werden keine Besserwisser gebraucht. Es ist die Stunde derer, die solidarisch die Ungewissheit mit der Welt aushalten und darin Festigkeit zeigen. Das schafft eine neue Ausgangssituation für die Christenheit, um ihre Zerrissenheit und oftmals auch Gedankenlosigkeit im Umgang mit den Erfahrungen von Menschen zu überwinden. Der Anspruch des Christentums ist nicht weniger als geistesgegenwärtig zu sein. Das muss auch die Logik der Institution Kirche prägen und ihren Umgang mit Vielfalt. Vielfalt ist keine Gefahr. Sie gehört zur DNA der Kirche. Sie hilft auch, bislang unentdecktes Potential der Weltkirche zu entdecken. Gerade jetzt, in dieser Zeit der Zeitenwende, in der Solidarität vielerorts zu zerbrechen droht und neue Nationalismen ausbrechen, kann die Weltkirche ein Beispiel für gelebte Solidarität und Vielfalt sein.“
Für Schavan erfordert die Lage, in der sich die Kirche befindet, „keine andere Kirche aber ein anderes ‚Kirche sein‘“. Dieses andere „Kirche sein“, sagte Schavan abschließend, könne von einem „Geist der Neugierde, der Barmherzigkeit und des Respektes vor Gott und dem Menschen ermöglicht werden, der zugleich in der globalen Welt Mut zur Erneuerung macht“.
Im Rahmen des Dies Academicus ist dann der Bischof-Golser-Preis verliehen worden und zwar an Karin Rassler (Ritten) für ihre Arbeit „Zwänge der Freiheit. Hannah Arendt – Ein philosophischer Versuch, der Schuld und Verantwortung des Einzelnen, am Beispiel von Adolf Eichmann, in der Zeit des Nationalsozialismus auf den Grund zu gehen“. Rassler stellt sich ausgehend von Hannah Arendts Werk „Die Banalität des Bösen“ die Frage, ob sich der Einzelne einem totalitären System widersetzen kann und wodurch er verantwortlich und mitschuldig am Verbrechnen gegen die Menschheit wird. Karin Rassler kommt zum Schluss, dass es vor allem am Beginn des aufstrebenden NS-Regimes die Aufgabe der Menschen gewesen wäre, im Sinne von Arendt zu denken und die Freiheit als Selbstbestimmung wahrzunehmen.
Schließlich hat Martin Lintner das Brixner Theologische Jahrbuch 2021 vorgestellt, das sich mit der Bedeutung von religiösen Festen in einer säkulären Gesellschaft auseinandersetzt. Abgeschlossen worden ist der akademische Festtag von der Mittagshore mit Bischof Ivo Muser.