Uraufführung

Dorian Gray: Eine Oper über die Zeit als Spiegel unserer Tage

Freitag, 08. März 2024 | 16:33 Uhr

Bozen – Am Samstag, den 16. März, und Sonntag, den 17. März, feiert die Oper Dorian Gray im Stadttheater Bozen Premiere. Basierend auf Oscar Wildes Meisterwerk, einem Manifest der Dekadenzliteratur und des Ästhetizismus, das zu den raffiniertesten und beeindruckendsten Romanen aller Zeiten zählt, ist die Oper nach Toteis von Manuela Kerer und Peter Pan – The Dark Side von Wolfgang Mitterer die letzte Auftragsoper der Stiftung Haydn unter der künstlerischen Leitung von Matthias Lošek.

Für den künstlerischen Leiter Matthias Lošek ist es sein letztes für die Stiftung Haydn verantwortetes  Opernprojekt: „Dorian Gray ist ein Schlusspunkt der besonderen Art. Es ist nicht nur meine letzte Produktion nach neun Jahren der künstlerischen Leitung, es ist auch nach A Christmas Carol, Alice und Peter Pan die vierte musiktheatralische Umsetzung eines (britischen) Klassiker der Weltliteratur; es ist mit Peter Pan und La Bohème der Abschluss einer Beschäftigung mit der Thematik Jugend/ Vergänglichkeit/ Tod und es ist natürlich nach Toteis und Peter Pan das Finale unserer Euregio Trilogie. Und DG steht auch – noch einmal – für mein künstlerisches Credo: Geschichten zu erzählen. Gestern, heute und immer wieder. Denn: Nothing is written!“.

In seinem Roman Das Bildnis des Dorian Gray zeichnet Oscar Wilde den Niedergang eines jungen Mannes nach, der besessen ist von der Angst, seine Schönheit zu verlieren, das Einzige, wofür es sich in seinen Augen zu leben lohnt. Dank eines Zaubers erreicht der Protagonist, dass die Zeit nur sein Porträt, nicht aber seinen jugendlichen Körper altern lässt: doch um welchen Preis?

Dorian Gray ist Frucht der kreativen Zusammenarbeit eines renommierten Teams: Die Musik stammt aus der Feder des Komponisten Matteo Franceschini, der mit einem Silbernen Löwen der Biennale Venedig 2019 ausgezeichnet wurde und auf einen lange Reihe von multidisziplinären Projekten zurückblicken kann. Stefano Simone Pintor wiederum, der schon im Rahmen der beiden erfolgreichen Operninszenierungen Ettore Majorana. Cronaca di infinite scomparse (2018) und Falcone. Il tempo sospeso del volo (2022) mit der Stiftung Haydn zusammenarbeitete, bekleidet die Doppelrolle des Regisseurs und Librettisten. Das Bühnenbild stammt von Gregorio Zurla, die Kostüme von Alberto Allegretti, das Lichtdesign von Fiammetta Baldiserri und das Video von Virginio Levrio.

Gemeinsam weiten Regisseur und Komponist Wildes Überlegungen zur Rolle der Kunst, zur Spießbürgerlichkeit seiner Zeit und zu jenem dunklen Doppelgängers, der in uns allen wohnt, zu einer Analyse unserer heutigen fragmentierten, fluiden, von einer massiven Wertekrise erschütterten Gesellschaft aus. Obschon Produkt und Spiegel seiner Zeit – des viktorianischen London im 19. Jahrhundert –, behandelt der Roman zeitlose Themen, die heute aktueller denn je sind: Gut und Böse, Liebe und Tod, Existenzangst und zwischenmenschliche Beziehungen, Jugend- und Schönheitswahn.

Über eine fast schon cineastisch anmutende Sprache lenkt Stefano Simone Pintor den Blick darauf, wie die Leben der Figuren verflochten sind und welchen Einfluss das Handeln des Einzelnen auf die anderen hat. Dank einer episodischen, in sechs Kapitel unterteilten Erzählstruktur wird Dorian, der junge Protagonist, für die Nebenfiguren zu einem Spiegel, der ihnen vorgehalten wird. Er wird zu einer Art Doppelgänger, der die geheimen Triebe und Wünsche aller anderen, das Publikum eingeschlossen, katalysiert. „Innerhalb einer Gesellschaft, die sich selbst als perfekt porträtiert und aus normalen Menschen besteht, wie sie auch im Publikum sitzen könnten“, erklärt Pintor, „macht jede unserer Figuren Bekanntschaft mit diesem jungen Mann, Dorian Gray, der in jedem Kapitel einzig und allein durch ihre Präsenz beschrieben – oder vielleicht sollten wir besser sagen ‚definiert‘ – wird.“

Die von Matteo Franceschini komponierte Musik lässt die Zuschauer in eine Welt eintauchen, in der sich alles verdoppelt, vervielfacht und mit jeder neuen Situation komplett verändert, um schließlich zu einer dramaturgischen Einheit zu verschmelzen. „Beim spielerischen Zusammenführen der unterschiedlichen Fäden von Stimme und Wort, von Geste und Klang“ – so Franceschini – „beschloss ich, eine Art Über-Partitur zu schreiben, in der akustische Notation und elektronische Bearbeitung ineinanderfließen. Aus der Partitur von Dorian Gray entsteht ein orchestrales Universum, in dem die Gesangsstimme die Exzentrik und Einzigartigkeit der Figuren, ihrer Gefühle und ihrer Handlungen verstärkt.“ Das Ergebnis ist eine vielstimmige Oper, in der jede Figur – und mit ihr das Publikum – ins Zentrum der Bühne rückt, indem sie die eigenen Dämonen auf Dorian Gray projiziert und ihn somit zum lebendigen Porträt ihrer selbst werden lässt.

Dem musikalischen Leiter Rossen Gergov, der bereits für die preisgekrönte Oper Written on Skin und Alice in Bozen zu Gast war, obliegt es, die sieben Interpretinnen und Interpreten Laura Muller (Dorian Gray), Manuel Nuñez Camelino (Basil), Giulia Bolcato (Sybil), Ugo Tarquini (James), Alexandre Baldo (Alan), Elena Caccamo (Gladys), Mathieu Dubroca (Harry) sowie das Haydn Orchester von Bozen und Trient in einen ätherischen, verträumten, schwebenden und überraschenden Klangraum zu führen, in dem eine sich ständig ändernde Zeit den Fortgang der Oper bestimmt:  „Dorian Gray“ – so nochmals Franceschini – „ist eine Oper über die Zeit und darüber, wie wir ihr Verstreichen wahrnehmen: über die gefühlte Zeit, die immer relativ ist, und die metrische Zeit, die Echtzeit und die imaginäre Zeit, die sich verdichtet und ausdehnt, Zeit im Sekundentakt und im Takt unserer individuellen Empfindung. Manchmal wünschten wir, sie würde schneller, manchmal langsamer vergehen, und manchmal hoffen wir, sie würde einfach stehen bleiben.”

Im Vorfeld zu Dorian Gray ist das Publikum zu zwei Themenabenden im Waag Café in Bozen eingeladen. Am 12. und 15. März öffnen sich am Kornplatz die Türen zu Crossing Dorian Gray, einem von der Stiftung Haydn initiierten Format, das sich den Themen rund um diese neue Opernproduktion widmen wird.

Unter dem Titel Eternal Beauty – Ewige Schönheit stehen am Dienstag, den 12. März eine Lesung, eine Talk-Runde, ein Poetry Slam und schließlich ein DJ-Set auf dem Programm. Um 19.00 Uhr wird Lene Morgenstern, Spoken-Word-Performerin, Autorin und Philosophin, einige ikonische Auszüge aus Oscar Wildes Roman Das Bildnis des Dorian Gray lesen. Um 19.30 Uhr unterhält sich der Philsoph und Moderator Marco Russo mit dem künstlerischen Leiter des Opernprogramms der Stiftung, Matthias Lošek, der Multimediakünstlerin und Architektin Alipaloma und dem Dramaturgen der Vereinigten Bühnen Bozen Daniel Theuring.

Gemeinsam werden die vier über Themen wie die Kunst als Raum, um von der Gesellschaft und ihren Obsessionen zu erzählen, oder den Begriff der Schönheit und seinen Wandel im Lauf der Zeit diskutieren. Ab 20.00 Uhr gehört die Bühne Nathan Laimer, Südtiroler Poetry-Slammer, den um 20.30 Uhr ein DJ-Set ablöst. Alle Programmpunkte finden in deutscher Sprache statt.

Zu Beginn der zweiten Veranstaltung von Crossing unter dem Titel Dorian Gray: vom Roman zur Oper am Mittwoch, den 15. März, sprechen Stefano Pintor und Matteo Franceschini mit Francesca Schir, Präsidentin der Psychologenkammer Bozen, und Greta Perletti, Professorin für englische Literatur an der Università degli Studi di Trento. Im Anschluss daran wird um 20.00 Uhr der Stand-up-Comedian Giuseppe Forte erwartet, auf den um 20.30 Uhr der Komponist Matteo Franceschini (alias Tovel) mit einem Live-Set folgt. Die Veranstaltungen finden in Italienischer Sprache statt.

Im Kalender markieren sollten sich alle Interessierten und Premierengäste schließlich den Termin der Werkeinführung im Rahmen von Oper.a Talk am Samstag, den 16. März, um 19.00 Uhr und am Sonntag, den 17. März, um 16.00 Uhr im Foyer des Stadttheaters Bozen.

 

Von: luk

Bezirk: Bozen