Von: luk
Bozen – „Überall in der Pyrenäenkette barsten die Granite, vervielfachten sich die Spalten, Straßen waren mit einem Mal durchschnitten, Flüsse, Bäche und Kaskaden tauchten in den Untergrund“ – so beschreibt der portugiesische Romancier José Saramago in seinem „phantastischen“ Roman „Das steinerne Floß“ was geschieht, wenn die Pyrenäen plötzlich reißen und die iberische Halbinsel wie ein davonschwimmender Kleinkontinent in den Atlantik hinaustreibt. Soweit muss es – auch in der Musik – nicht kommen: Das Südtirol Jazzfestival 2019 verknotet Portugal und Spanien – die beiden Randländer im Westen – fest mit der zentraleuropäischen Alpenregion und stellt in seinem Länderschwerpunkt die weltoffene „iberische“ Szene vor. Vom 28. Juni bis zum 7. Juli finden im ganzen Land 58 Konzerte statt, etwa 50 Musikerinnen und Musiker reisen in diesem Sommer aus Portugal und Spanien an.
Beim Opening im Waltherhaus – einer „historischen Spielstätte des Festivals – steht die bunte „Iberian Connection“ zum ersten Mal auf der Bühne. Schon diese Ouvertüre lasst Leitmotive erkennen, die das gesamte Programm prägen. Neben dem „iberischen“ Schwerpunkt sind das die Einzigartigkeit vieler Konzerte, das Experimentelle, die Einbettung der Musik in eine alpine Genusslandschaft oder das „Comeback“ von Bands und Solisten, die in den vergangenen Jahren in Südtirol auftraten, wie die Holländer Reinier Baas und Joris Roelofs, die französische Stimmakrobatin Leïla Martial mit ihrem Trio „Baa Box“, der Gitarrist und Bandleader Francesco Diodati aus Italien oder die vier Mitglieder der jungen Wiener Avantgarde-Combo Kompost 3.
Am 28. Juni leitet der Pianist Marco Mezquida das exklusive Eröffnungs-Projekt, an dem sich 14 Musikerinnen und Musiker aus Spanien, Portugal, Holland und Mexiko beteiligen. Mezquida ist ein Star des jungen spanischen Jazz und wurde von der Asociación de Músicos de Jazz y Moderna in Katalonien in fünf Jahren vier Mal zum „Musiker des Jahres“ gewählt. In Südtirol stellt er sich neben dem Eröffnungskonzert mit vier Projekten vor: Sein Konzert am Wolfsgrubener See dreht sich um den Einfluss des Mondes auf die populäre Musik, in der Burg Hocheppan, die zum ersten Mal bespielt wird, tritt er mit dem Flamenco-Gitarristen Juan Gómez „Chicuelo” auf, im Museion sucht er mit seinem Trio „Ravel´s Dreams“ nach unbekannten Zugängen zu den „Klassikern“ des französischen Komponisten und im Eisacktaler Weingut Pacher Hof ist er solo zu hören.
Auch der aus der portugiesischen Hafenstadt Porto stammende Schlagwerker Pedro Melo Alves repräsentiert eine Musikergeneration, die kühn zu neuen musikalischen Ufern aufbricht. In Bozen gibt Pedro Alves fünf Konzerte in unterschiedlichen Besetzungen – mit dem Quartett „Catacombe“ macht er melodischen Prog-Rock, mit dem elektroakustischen Pianotrio „Symph“ verbindet er „freie“ und notierte Musik, mit „The Rite of Trio“ verknüpft er antikonformen Post-Rock, Punk und Jazz und mit dem Gitarristen Pedro Branco kreiert er eine improvisierte Kammermusik. Im NOI Techpark wird es die Weltpremiere seiner neuen Formation „In Igma“ zu hören geben, unter anderem mit Beatriz Nunes, die bei der Band „Madredeus“ die Stelle als Sängerin übernommen hat. Das Technologiezentrum wird zum „Spielplatz“ der Avantgarde: Bei Lisa Hofmaninger und Judith Schwarz wagen Saxophon, Bassklarinette und Schlagwerk einen ergebnisoffenen Dialog, Albert Cirera (sax) und Ramon Prats (dr) aus Katalonien überschreiten mit ihrem freien Spiel harmonische Hürden und die portugiesische Trompeterin Susana Santos Silva setzt mit ihrem Trio die Freejazz-Tradition der 1960er Jahre fort und sorgt für einzigartige Hörerfahrungen.
Viele Locations stehen zum ersten Mal auf dem Festivalprogramm wie das Innovations- und Gründerzentrum BASIS in Schlanders, die Eisacktaler Kellerei in Klausen, das Naturmuseum in Bozen, das Hotel La Perla in Corvara, das Alperia-Wasserkraftwerk in Brixen, der Ost West Country Club im Meraner Marconipark oder das neue Gebäude der Kellerei Bozen. Dazu kommen – ebenfalls zum ersten Mal – Hüttenkonzerte am Speikboden in Sand in Taufers und eine Jazzwanderung zum Ansitz Velseck in Tiers. Bewährtes hat man beibehalten: die Jazzparty im Parkhotel Laurin in Bozen, wo das belgische Duo „Juicy“ mit einer explosiven und humorvoll-feministische Spielart des Hip-Hop zum Tanzen einlädt, die Jazzwerkstätten, die „schrägen“ Late-Night-Konzerte im Sudwerk des Batzenhäusl oder die kreative Verknüpfung von Kunst und Jazz im Museion.
Auch im Sommer 2019 wird die – vom Südtirol Jazzfestival vor zwei Jahren gegründete – EUREGIO-Jazzwerkstatt in das Musikfest eingebunden. So steht das Werkstatt-Team in der ehemaligen Drusus-Kaserne in Schlanders mit dem Quintett „Mn’JAM experiment“ auf der Bühne, das vokale Loops, Gitarrensoli, komplexe Rhythmen, improvisierte Soundpatterns und abstrakte Bildkonstruktionen zu einem vielschichtigen Gesamtkunstwerk verschmelzen lässt.
„Wir präsentieren junge Musikerinnen und Musiker, die neue Wege gehen und das lockt auch andere Veranstalter an, die nach Südtirol reisen und sich unsere Konzerte anhören. Wir folgen eben keinen Moden, sondern setzen selbst Trends“, sagt der Intendant des Festivals, Klaus Widmann. Dabei verknüpft das Südtirol Jazzfestival – auf der Nahtstelle zwischen Nord- und Südeuropa – innovative Musikszenen aus vielen Ländern. Straßen und Wege werden hier nicht durchschnitten, auch die Pyrenäenkette hängt weiter am europäischen Festlandssockel. Kurz gesagt: Das Südtirol Jazzfestival hält – auch in diesem Jahr – den Kontinent zusammen.
Tickets – Jazzpass – Jazz-App – Citylines
Der Kartenvorverkauf für das Südtirol Jazzfestival 2019 hat begonnen. Informationen zu den kostenpflichtigen Konzerten, zu den Eintrittspreisen und zu allen Ermäßigungen sind auf der Festival-Homepage mit wenigen Klicks abrufbar. Einzelkarten und Abonnements können online oder an den Kassen im Stadttheater Bozen erworben werden. Auch in diesem Jahr bietet das Festival Besucherinnen und Besuchern einen Jazzpass an, der das Festival noch attraktiver werden lässt. Der Jazzpass berechtigt zu vergünstigten Eintrittskarten, reservierten Sitzplätzen, der kostenfreien Nutzung der Shuttlebusse sowie zu reduzierten Preisen für Speisen und Getränke bei den Genusswanderungen und Weinverkostungen. Darüber hinaus gehören zum Jazzpass-Angebot ein Gratis-Getränk bei den Late-Night-Konzerten im Sudwerk des Batzenhäusl in Bozen, Freikarten für die Ausstellungen im Museion und vieles andere mehr.
Alle Informationen zum Festival sind auch mit der neuen Jazz-App des Festivals abrufbar. Die Jazz-App kann in den App-Stores von Apple (iOS) und Google (Android) kostenfrei heruntergeladen werden. Übrigens: Auch in diesem Jahr sorgt das Südtirol Jazzfestival dafür, dass Jazzfans, die in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wohnen oder dort den Urlaub verbringen, auf ihr Auto verzichten können. Schließlich sind viele Konzerte in diesen Städten und in deren Umgebung mit dem Fahrrad, zu Fuß, mit Shuttle-Bussen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bequem erreichbar. Das Festival hat diese Konzerte in vier „Citylines“ aufgelistet, die den vier Südtiroler Städten zugeordnet sind. Das Musikangebot ist reichhaltig: In Bozen führt die „Cityline“ zu 32 „autofreien“ Konzerten, in Meran sind es 20, in Brixen 24 und in Bruneck 18. Wer die Homepage des Festivals besucht und auf ein „Cityline“-Konzert klickt, erhält dort Informationen über alle möglichen Verkehrsmittel. Mobilität kann nachhaltig sein – auch im Konzertbetrieb.