Inspirierende Entwicklungen

Fashion For Future: Aktionstage für fairen und klimaschonenden Kleiderkonsum

Freitag, 28. April 2023 | 17:43 Uhr

Bozen – Ende April jährt sich zum zehnten Mal der Gebäudeeinsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei dem mehr als 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben kamen und weitere 2.500 verletzt wurden. Die Katastrophe ging als schwerster Textilunfall in die Geschichte ein und löste eine internationale Solidaritätswelle für die betroffenen Näherinnen aus. Daraus entstand die Fashion-Revolution-Bewegung, die sich seither für faire Arbeitsbedingungen weltweit einsetzt. Dennoch änderte der Fall kaum etwas am ausbeuterischen Geschäftsmodell der Fast-Fashion-Industrie, in das auch wir in Südtirol verwickelt sind.

Mit den Aktionstagen „Fashion For Future“ vom 27. April bis zum 6. Mai möchten vier Akteure die Relevanz einer fairen und umweltbewussten Textilproduktion in Südtirol verankern: das Netzwerk der Südtiroler Weltläden, die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt, die Fakultät für Design und Künste der unibz und die Slow-Fashion-Bloggerin Susanne Barta.

Mit einem vielfältigen, inspirierenden Programm, einsehbar unter www.fashionforfuture.bz.it, zeigen sie lokale Handlungsmöglichkeiten auf, machen Lust auf faire und klimaschonende Mode, laden zum Überdenken des persönlichen Kleiderkonsums ein und zum Aktivwerden auf politischer Ebene. Sie schließen sich damit dem Motto der Fashion Revolution-Bewegung an: „Wir lieben Fashion. Aber wir möchten nicht, dass für unsere Bekleidung Menschen ausgebeutet und unser Planet zerstört wird.“ Im Rahmen der Aktionstage weisen die Initiatorinnen und Initiatoren auch auf die EU-weite Petition www.goodclothesfairpay.eu/de für faire Arbeitsbedingungen im Textilsektor hin.

Gestern kam es zum Auftakt der Aktionstage: Die Initiatoren Aart van Bezooijen, Professor an der Fakultät für Design und Künste der unibz, Brigitte Gritsch, Koordinatorin des Netzwerks der Südtiroler Weltläden, Verena Dariz, OEW-Bereichsleiterin für den Bewussten Konsum und Susanne Barta, Slow-Fashion-Bloggerin eröffneten die Ausstellung „Fashion For Future“ in der unibz. Dafür bespielen bis zum 6. Mai mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler aus Italien und Europa multimedial und innovativ den „Rohstoff Textilie“.

Im Anschluss sprach Marina Spadafora, Fair Fashion Botschafterin und Koordinatorin von Fashion Revolution Italia in einer bewegenden Keynote zum Thema. Bei der darauf folgenden Podiumsdiskussion mit Deborah Lucchetti von der Clean Clothes Campaign Italy, Maya Hashemi, Team Member Fashion Revolution Iran und Alexandra Letts von Oberalp Group kam es zur Diskussion rund um die Frage, was sich hier in Südtirol und weltweit verändern muss, damit sich die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie verbessern und der umweltschädlichen Billigproduktion minderwertiger Kleidungsstücke ein Ende gesetzt wird. Die Sprecherinnen kamen zum gemeinsamen Schluss: Konsumenten, Unternehmer, Aktivisten und Politiker müssen zusammenarbeiten, damit sich langfristig etwas verändert.

Verena Dariz von der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt erklärt: „Die Konferenz mit den hochkarätigen Powerfrauen war für uns ein wichtiger Beitrag, um zu den unsäglichen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche aufzuklären. Fashion For Future soll Menschen zusammenbringen und ihnen zeigen, dass faire Mode möglich ist.“ Seit rund 20 Jahren ist die gemeinnützige OEW-Organisation für Eine solidarische Welt zu einem bewussten Kleiderkonsum im Südtiroler Bildungssektor aktiv. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern sieht sie eine Chance auf echte Veränderung.

Slow Fashion Bloggerin Susanne Barta schließt sich dem an: „In den letzten Jahren hat sich einiges getan in Südtirol in Bezug auf nachhaltige und faire Mode. Und es freut mich sehr, dass es gelungen ist, eine gemeinsame neue Plattform auf die Beine zu stellen und so dem Thema hier mehr Sichtbarkeit zu geben.“

Gestern Vormittag führten die Initiatorinnen und Initiatoren deshalb durch die Ateliers drei lokaler Designerinnen bzw. Schneiderinnen in Bozen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben und entgegen dem gängigen Fast-Fashion-System vor allem mit Reststoffen und Secondhandtextilien arbeiten: Johanna Finger, Violeta Nevenova und Dagmar Gruber.

Neben Ausstellung, Konferenz und Ateliertouren warten die Aktionstage vom 27. April bis zum 6. Mai im Raum Bozen aber auch mit diversen Upcycling-, Design- und Nähworkshops, Kleidertauschpartys, Open-Door-Events und Filmscreenings für alle Altersgruppen auf. Sie können unter www.fashionforfuture.bz.it eingesehen werden und zeigen, dass faire Mode nicht nur gut für Mensch und Umwelt ist, sondern auch in Südtirol zu finden ist.

Am 6. Mai enden die Aktionswochen schließlich um 15.00 Uhr mit einer Red-Carpet-Performance nach © Nick Tobier, UTOPIA TOOLBOX Detroit auf dem Universitätsplatz. Aart van Bezooijen, Professor an der Fakultät für Design und Künste der unibz, der mit seinen Studierenden in den vergangenen Wochen intensiv am Gelingen der Aktionstage, an ihrem Webauftritt und der Ausstellung gearbeitet hat, erklärt: „Mit rund dreißig Projekten aus Italien und ganz Europa wollen wir inspirierende Entwicklungen im Bereich Textilien und Bekleidung vorstellen: Beispiele für kreislauforientiertes Design, die sowohl zeigen, was heute getan wird, als auch biobasierte Materialentwicklungen, die Perspektiven für die Bekleidungsindustrie von morgen aufzeigen.“ In seinen Vorlesungen und Studios setzt er sich mit Studierenden mit der Frage auseinander, wie öko-soziales Design die Gesellschaft verändern könnte und wie wichtig jede persönliche Entscheidung ist.

Dass es dafür aber auch politische Rahmenbedingungen geben muss und die Verantwortung nicht nur auf die Endkonsumenten abgeschoben werden kann, betont Brigitte Gritsch, Koordinatorin des Netzwerks der Weltläden. Die Weltläden sensibilisieren seit rund 40 Jahren an diversen Standpunkten in Südtirol für faire Konsumalternativen und waren ausschlaggebend an der Gründung der ersten italienweiten Fairhandelsorganisation CTM altromercato beteiligt. Im Rahmen von Fashion For Future ist es Gritsch ein dringendes Anliegen, auf die EU-weite Bürgerinitiative „Good Clothes Fair Pay“ hinzuweisen, die derzeit von allen EU-Bürgern unter www.goodclothesfairpay.eu/de unterschrieben werden kann. Sie betont: „Es ist wichtig, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen, um global eine Veränderung zu bewirken. Genauso wichtig ist es aber auch, die Politik und die Unternehmen in ihre Verantwortung zu ziehen. Und diese Chance haben wir jetzt!“

Denn: Mit einem neuen Lieferkettengesetz, für das sich die Bürgerinitiative „Good Clothes Fair Pay“ derzeit auf EU-Ebene einsetzt, soll der Ausbeutung der Textilarbeiterinnen ein Ende gesetzt werden und in Zukunft auch europäische Unternehmen dazu verpflichten, entlang ihrer internationalen Lieferketten auf Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Um vor der Europäischen Kommission Gehör zu finden, braucht es allerdings eine Million Unterschriften. Derzeit sind es knapp 130.000. Da jede Stimme zählt, laden die Initiatorinnen und Initiatoren von Fashion For Future auch bei allen Events der Aktionswoche dazu ein, die Petition zu unterschreiben und ein gemeinsames Zeichen zu setzen.

Von: mk

Bezirk: Bozen