Bozner Priester geht mit einem Knall

„Habe mich getäuscht, zu glauben, dass die Kirche sich öffnen würde”

Mittwoch, 03. September 2025 | 08:49 Uhr

Von: idr

Bozen – Mit 40 Jahren zieht Paolo Zambaldi einen radikalen Schlussstrich: Seit Montag ist der bisherige Priester offiziell nicht mehr Teil der Diözese Bozen-Brixen. Die Entscheidung war bereits von der Kirche bekanntgegeben worden. Nun äußerte sich Zambaldi erstmals selbst ausführlich zu seinen Beweggründen.

Von einer plötzlichen Eingebung will er nicht sprechen. Vielmehr sei es ein jahrelanger Prozess gewesen, geprägt von Kritik an der Institution Kirche und wachsender innerer Distanz. „Ich habe mich getäuscht, zu glauben, dass sich die Kirche öffnen würde. Es wird nie geschehen, wegen ihrer dogmatisch-hierarchischen Struktur“, erklärte er.

Distanz zur Kirche

Besonders schwer wiegt für Zambaldi die Haltung der katholischen Kirche in gesellschaftlichen Fragen. Er könne eine Institution nicht unterstützen, die seiner Ansicht nach diskriminierend auftrete – gegenüber Frauen, gegenüber der LGBTQIA+-Community oder bei Themen wie Abtreibung und Sterbehilfe. „Alles das ist Lichtjahre entfernt von meinem menschlichen und spirituellen Empfinden“, so Zambaldi.

Er bezeichnet Religionen im Allgemeinen als Quellen von Konflikten und Gewalt durch die Geschichte hinweg. Zwar erkenne er die Lehre Jesu als „Lehrer des Lebens und des Friedens“ an, lehne aber dessen Vergöttlichung ab.

Persönliche Konsequenzen

In Südtirol habe er kaum Unterstützung von Mitpriestern erfahren, vielmehr Gleichgültigkeit. Positive Rückmeldungen erhielt er dagegen aus anderen Teilen Italiens sowie aus Österreich und Deutschland, auch aus dem universitären Umfeld.

Seine Zukunft ist bewusst offen: „Ich habe keine konkreten Pläne. Für mich ist klar: keine Religionen und keine Kirchen mehr. Ich bin frei und offen, ohne eine Glaubensstütze zu brauchen.“ Sein Fazit fällt unmissverständlich aus: „Ich wähle die Freiheit.“

Zambaldi betont, dass für ihn nun andere Fragen im Vordergrund stehen: Wie ein gutes Zusammenleben möglich ist, wie Freiheit gelebt werden kann und wie sich jeder Mensch seinem eigenen Sinn annähert. Das Evangelium versteht er dabei nicht mehr als Dogma, sondern als eine mögliche menschliche Erfahrung neben vielen anderen.

Bezirk: Bozen

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