Von: luk
Bozen – Der Ausnahmedirigent Kent Nagano steht wieder am Pult des Haydn Orchesters und schließt die Saison 2022/2023 in der eindrucksvollen und prestigeträchtigen Atmosphäre des Doms in Bozen (Montag, 19. Juni, 20.00 Uhr) und des Doms in Trient (Dienstag, 20. Juni, 20.30 Uhr) ab. Auf dem Programm steht in beiden Städten das Orchesterwerk Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze von Joseph Haydn. An beiden Abenden werden die Bischöfe von Bozen und Trient Ivo Muser und Lauro Tisi anwesend sein und während der Konzerte mit Redebeiträgen zu Wort kommen. Eingeleitet werden die musikalischen Highlights mit Luigi Dallapiccolas Komposition „Piccola musica notturna“.
„Die beiden Konzerte in den Hauptkirchen von Bozen und Trient gehören zu den Dreh- und Angelpunkten des Projekts, das wir mit Kent Nagano verfolgen und in dessen Zentrum der Komponist Joseph Haydn steht. Dieses ambitionierte Projekt will nicht nur einen Blick in die Vergangenheit werfen – das macht es sicherlich auch – sondern auch Haydns Modernität betonen. Die von der Auseinandersetzung mit Haydns Werk ausgehende Stärkung der Identität des Orchesters ist ein starkes Zeichen, dass wir in Italien und international setzen. Und das interessiert auch Kent Nagano, der Haydns ‘Schöpfung‘ im vergangenen Oktober wieder im Rahmen unseres Konzertangebots dirigiert hat”, erklärt der künstlerische Leiter des sinfonischen Konzertprogramms der Stiftung Haydn Orchester Giorgio Battistelli.
Zur Anwesenheit der Bischöfe bei den Konzerten am 19. und 20. Juni präzisiert Battistelli: „Wir haben sie um Redebeiträge gebeten, um persönliche Gedanken in erzählerischer, theologischer oder philosophischer Form. Sie werden die Worte Christi kommentieren und ihre eigene Sichtweise darlegen. Ihre kurzen Interventionen, die nur wenige Minuten dauern, werden mit der Partitur verknüpft und damit in die Musik selbst eingebettet sein”. Kent Nagano betont die Bedeutung der Konzerte: „Wir wollten die Bischöfe gerade deshalb einladen, damit sie mit ihren eigenen Worten zur Aktualität dieses Werks von Haydn Stellung nehmen können. Das Trentino und Südtirol bilden im europäischen Kontext eine kulturell fruchtbare Region und auch diese Tatsache macht die Aufführungen der ‚Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze‘ in Bozen und Trient einzigartig: Die Konzerte werden eine Hommage an die beiden Städte sein, mit einem Orchester, das ihren Namen trägt”.
Joseph Haydns orchestrale Andachtsmusik „Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ gehört zweifelsfrei zu den Meisterwerken des Komponisten. Die Musik wurde vermutlich am Karfreitag 1788 uraufgeführt und bezieht sich auf die von den Evangelien überlieferten letzten sieben Worte, die Jesus Christus vor seinem Tod am Kreuz gesagt haben soll: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“; „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“; „Frau, siehe, das ist dein Sohn“; „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“; „Mich dürstet“; „Es ist vollbracht“; „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“. Die Komposition beginnt mit einer majestätischen Einleitung und endet mit der musikalischen Beschreibung des Erdbebens, das die „Schädelstätte“ Golgatha laut der Erzählung des Matthäus-Evangeliums am Tag der Hinrichtung
erschütterte. „Jedwede Sonate, oder Jedweder Text ist bloss durch die Instrumental Music dergestalten ausgedruckt, dass es den unerfahrensten den tiefesten Eindruck in Seiner Seel Erwecket“, schrieb Haydn im April 1787 an seinen Londoner Verleger William Forster.
„Es ist eine schöne Sommernacht, die hohen Häuser haben die Fenster geöffnet zur weiten Piazza des alten Dorfes“ – so lauten die ersten Verse des Gedichts „Sommernacht“ des spanischen Autors Antonio Machado, die Luigi Dallapiccola der Partitur seiner „kleinen Nachtmusik“ (Piccola musica notturna) beigefügt hat. Das Werk entstand zwischen 1953 und 1954 und wurde am 7. Juni 1954 im Beethovensaal in Hannover uraufgeführt. Dallapiccolas Musik spiegelt den magischen Realismus von Machados Poesie wider, indem sie deren traumhafte und metaphysische Dimension aufgreift, aber jede impressionistische oder beschreibende Absicht ausschließt. „Der Grund für die Kombination von Dallapiccolas Werk mit Haydns Komposition liegt für mich auf der Hand”, präzisiert Giorgio Battistelli, „Die moderne und zeitgenössische Vorstellung vom Schmerz und von der Einsamkeit des Menschen kommt bei Dallapiccola deutlich zum Ausdruck und damit besteht bei der philosophischen, biblischen, theologischen und spirituellen Deutung eine Übereinstimmung mit den „Sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuze“.
Der gebürtige Kalifornier Kent Nagano gilt als einer der herausragenden Dirigenten weltweit, sowohl für das Opern, wie auch für das Konzertrepertoire. Seit der Spielzeit 2015/16 ist er Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Hamburgischen Staatsoper und Hamburgischer Generalmusikdirektor des Philharmonischen Staatsorchesters. Zudem war er von 2006 bis 2020 Musikdirektor des Orchestre symphonique de Montréal und wurde im Februar 2021 zu dessen Ehrendirigent ernannt. Seit 2006 ist er Ehrendirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin sowie seit 2019 Ehrendirigent des auf die historische Aufführungspraxis spezialisierten Orchesters Concerto Köln. 2021 erschienen eine 3-CD-Box mit Werken von Olivier Messiaen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter seiner Leitung sowie im Berlin-Verlag das Buch „10 Lessons of my Life – Was wirklich zählt“, in dem er sich an zehn entscheidende Begegnungen in seinem Leben erinnert. Im Verlauf seiner Karriere hat Nagano für zahlreiche Labels CD-Aufnahmen eingespielt, darunter Decca, Sony Classical, Erato, Teldec, Pentatone, Deutsche Grammophon und Harmonia Mundi. Zu seinen Kooperationen im Bereich der zeitgenössischen Musik gehört die Zusammenarbeit mit Frank Zappa anlässlich der Einspielung einiger Kompositionen des US-amerikanischen Gitarristen mit dem London Symphony Orchestra. In den vergangenen Spielzeiten des Haydn-Orchesters dirigierte Kent Nagano Haydns Oratorium „Die Schöpfung” und die „Abschiedssinfonie“ Nr. 45 “, Sofija Gubajdulinas „Sieben Worte“ und das für das Haydn Orchester geschriebene Werk „O Nata Lux“ der argentinischen Komponisten Alex Nante.