Von: mk
Bozen – Ungleiche Ausgangsbedingungen bestimmen den schulischen Erfolg. Südtirols Kinder- und Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter betont anlässlich des Welttages der Bildung am 24. Jänner, dass junge Menschen Faktoren wie Motivation und Emotion aus der Familie in die Schule bringen und diese sich auf Bildungserfolg und Bildungsversagen auswirken. Wenn Kinder in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, wirke sich das negativ auf ihre schulischen Leistungen aus.
Armut in Südtirol hat viele Gesichter: Arm ist jener Junge, der nur kaltes Wasser hat, um sich zu waschen und um dessen warme Mahlzeiten sich niemand kümmert. Arm ist jenes Mädchen, das keine Geburtstagseinladungen annehmen kann, weil das Geld für ein Geschenk fehlt. Arm sind jene Kinder, die keinen Platz zum Hausaufgabenmachen haben, die weder ins Kino, noch in ein Museum oder in den Sportverein gehen können, die nie ein Kleidungsstück bekommen, das sie sich wünschen. Arm sind jene Jugendlichen, die mangelhaft ernährt, übergewichtig und motorisch unterentwickelt sind und deren Zähne nicht kontrolliert werden.
Armut ist komplex. Oft sei Einkommensarmut mit einer unzureichenden schulischen und beruflichen Qualifikation verbunden. Auch gesundheitliche Probleme kämen oft dazu. Die daheim erlernten Verhaltensweisen würden den Anforderungen des Arbeitsmarktes häufig nicht entsprechen, sagt Paula Maria Ladstätter.
Arme Familien leben häufig isoliert. Die Folgen sind vernichtend: Wer in Armut aufwächst, ist meist schlechter in die Gesellschaft integriert. Paula Maria Ladstätter erfährt es bei der Arbeit täglich: “Diesen jungen Menschen fehlt das Selbstwertgefühl”, sagt sie. Jugendliche Unbeschwertheit sei nicht gegeben, wenn sich im Leben ständig alles ums Überleben drehe. „Aussicht auf Erfolg ist da nicht gegeben”, sagt sie. Das münde oft in Depression, Suchtverhalten oder Gewalt.
Bildungs- und Einkommensarmut werden häufig vererbt. Die Schule spielt im Leben junger Menschen eine bedeutende Rolle: Von Anfang an werden Leistungserfolg und Leistungsversagen definiert. „Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche haben bereits beim Eintritt in das Bildungssystem ungleiche Bedingungen“, erklärt Südtirols Kinder- und Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter. Auch die Schulabbrecherquote steige mit der finanziellen Armut. Dafür sei nicht in erster Linie das geringe Familieneinkommen verantwortlich, sondern vor allem die mangelnde Bildung und Bildungsferne vieler einkommensschwacher Eltern, sagt sie. Eltern könnten ihre Kinder beim Lernen und bei den Hausaufgaben kaum unterstützen. SchülerInnen aus wohlhabenden Familien bekämen private Nachhilfe, um das schulische Niveau zu halten. Kindern aus armen Familien sei das versagt. Die Zahl der Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, bleibt über Generationen hinweg bestehen.
Die Politik sei gefordert, für Kinder aus armutsgefährdeten Haushalten ein Lernumfeld zu schaffen, das es ihnen leichter macht, in der Schule Erfolg zu haben, fordert Paula Maria Ladstätter. Die Schule könne einen sozialen Ausgleich schaffen. Die Ganztagsschule sei eine positive Lösungsvariante. Ein ausgewogenes Mittagessen, sinnvolle Freizeitgestaltung und die frühzeitige Bewältigung auftretender Probleme durch geschultes Personal könnten präventiv wirken.
Vor einem Jahr hat eine Studie des Arbeitsförderungsinstituts AFI, der Michael-Gaismair-Gesellschaft und des Sozialforschungsinstitutes Apollis aufgeschreckt: 16 Prozent der Familien in Südtirol leben an der Armutsgrenze (Erhebungsjahr 2015). Jedes sechste Mädchen und jeder sechste Junge in Südtirol ist also von Armut betroffen. Diesen Familien steht weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens gleich großer Südtiroler Haushalte zur Verfügung.
Arbeitslose Jugendliche, die nicht bereit sind, eine Schule zu besuchen, bräuchten nicht nur eine Lehrstelle, sondern müssten auch gleichzeitig in ihrer sozialen Kompetenz gefördert und begleitet werden, sagt Paula Maria Ladstätter. Nur frühzeitig angesetzte und langjährige Förderungen würden den Menschen zuverlässige und langfristige Perspektiven bieten: Die Unterstützung sollte in der Schwangerschaft beginnen und die jungen Menschen bis zum Ende ihrer ersten Ausbildung begleiten, sagt Paula Maria Ladstätter. „Junge Menschen müssen an dem teilhaben können, was ihr Leben lebenswert macht und ihnen Bildungs- und Aufstiegschancen ermöglicht“, betont Paula Maria Ladstätter abschließend.
Unterstützung und Informationen erhalten Interessierte bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft unter Tel. 0471 946 050 und per Mail an info@kinder- jugendanwaltschaft-bz.org.