Von: bba
Bozen – Der Kunstparcours der Via Illuminativa leitet mit 13 lichtbringenden Installationen von 14 Künstlerinnen (Umberto Cavenago, Hannes Egger, Silvia Hell, Lazar Lyutakov, Christian Martinelli, Gabriela Oberkofler, Ali Paloma & Hartwig Thaler, Sandro Porcu, Josef Rainer, Thomas Sterna, Thomas Thiede, Slaven Tolj) durch die Brixner Altstadt. In der dunkelsten Jahreszeit scheint das Licht aus dem Nichts zu entstehen. Es leuchtet, scheint und erscheint, lässt fragmentarisch sehen, wirft Schatten, erleuchtet, blendet, bricht, zeigt Nahes und Fernes.
Die Kunstwerke fügen sich in den urbanen Raum ein, treten in den Dialog mit der Umgebung und evozieren durch ihre ungewohnte Positionierung eine leicht „entrückte“ Sicht auf das architektonische Ensemble der Stadt und die Themen der heutigen Zeit. Die Kunst mischt sich in ein bereits existierendes Bühnenbild, bestehend aus Architektur und sozialen Kontext ein. Leise und doch sehr präsent erzählen die 13 Kunstwerke vom Licht, als Element, das in der dunkelsten Nacht des Jahres neu geboren wird.
Laut dem griechischen Mythos vollzieht sich das Leben im Licht der Sonne, der Mensch ist ein Tagwesen (ep-hemeros), zu leben heißt das Licht der Sonne zu sehen. Zeus, als oberster Gott im olympischen Licht sagt von der Geburt des Herakles, dass er damit „zum Licht heraus zum Vorschein“ komme. In dieser Ordnung ist dem lichten Olymp der Tartaros gegenübergestellt. Ein Ort weit unter dem Hades, die dunkle, düstere, unsichtbare, des Lichtes beraubte Sphäre der Toten. Für das mittelalterliche europäische Denken ist das Licht eine Metapher für Gott und im 17. und 18. Jahrhundert versucht die Aufklärung „Licht in das Dunkel“ zu bringen. Es wird nicht mehr vom göttlichen Licht, sondern vom natürlichen Licht gesprochen, erkannt wird die Welt anhand des rationalen Denkens. Die Metapher des Lichts für das Suchen und Finden, Entdecken und Verdecken, Auf- und Zudecken, das Erkennen und Verkennen wird bis heute mannigfach verwendet. Das Faszinierende und Rätselhafte des Lichts bleibt, da es etwas ist das nicht durch sich selbst, sondern durch die Reflexion durch anderes erkannt wird.
Entstanden ist die Idee zur Via Illuminativa während dem durch die Covid-19 Pandemie bedingten Lockdown im Frühling. Dieses besondere, unsere Leben so stark durcheinander bringende Jahr 2020 sollte mit einem Fest des Lichtes beendet werden, der Kunstparcours soll Hoffnung geben und wie ein Leuchtturm durch den Winter und in ein neues Jahr leiten.
Die zum Teil eigens für die Ausstellung entstandenen Werke beleuchten das Licht auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
Der in Leipzig lebende Künstler Sandro Porcu etwa verbindet mit einer kinetischen Kronleuchter-Skulptur im Turm der Erhardskirche das Profane mit dem Sakralen, indem er das Licht aus der Kirche auf die Straße bringt und das Licht der Straße in das Gotteshaus führt. In den Kirchenraum mischt sich auch Umberto Cavenago ein: Auf die Pfeile des Heiligen Sebastian in der Schutzengelkirche in Stufels richtet er einen blinkenden Laser. Das aufscheinende und verschwindende Licht ist eine versteckte (Liebes)Botschaft, die mit dem Morsealphabet „Adorabile“ (bezaubernd/anbetungswürdig) in die Luft schreibt. Neben Cavanago lässt auch Thomas Thiede das Licht ein- und ausgehen. Für jeweils drei Sekunden beleuchtet er das seit langem leerstehende und dunkle Gebäude neben der Ex-Marmeladenfabrik der Familie Reiserer und nimmt damit Bezug auf neurowissenschaftliche Studien, die belegen, dass physisch die menschlichen Gedanken ca. drei Sekunden dauern. Dem Denken und dem menschlichen Gehirn widmet sich auch die Skulptur Scull Nr. 3 vom Brixner Künstler Josef Rainer. Es handelt sich um die Abformung eines menschlichen Gehirns, das er seinen Bienen zum Weiterbauen überlassen hat und die daraus eine neue Form geschaffen haben. Laut Rainer verfügen nicht nur Menschen über Intelligenz, sondern auch die Bienen. Zu sehen ist das Kunstwerk in der Peer-Apotheke. Gegenüber dem Priesterseminar ist eine Installation von Hannes Egger zu sehen. Der Künstler beleuchtet mit einer Serie von Plakaten die Denkgeschichte des Lichts und erweitert sie durch augmented reality und eine performative Aktion eines Geschichtenerzählers. Die zeitgenössische Kommunikationstechnologie steht im Vordergrund der Videoinstallation von Silvia Hell. Emblematische Begriffe wie Algorithmus, Bio, Grün, Internet, Smart hat sie in eine Internetsuchmaschine eingegeben und die Resultate in geometrische, sich bewegende Lichtformen übersetzt, die im Erdgeschoss des Haus Faller bei der Adlerbrücke zu sehen sind. Auf der anderen Seite der Brücke berichtet Slaven Tolj vom primitiven Nationalismus auf dem Balkan. Die Drei-Kanal-Videoinstallation zeigt kroatische und serbische Nationalisten, wie sie die Flaggen ihrer Nachbarstaaten verbrennen. Der Künstler selbst ist auf dem Video in der Mitte zu sehen: In einem dunklen Raum sitzend, versucht er mit einem Feuerzeug in der Hand Licht in die Situation zu bringen. Den Weg leuchten auch Ali Paloma & Hartwig Thaler. Beide betreiben in Stufels ihr Atelier und haben sich zusammengetan, um einen Leuchtturm auf den Brunnen in der Zigglgasse zu bauen. Damit wollen sie ein Signal der Hoffnung geben. Der Mensch steht auch im Werk von Michael Fliri im Mittelpunkt. Es ist das menschliche Antlitz was ihn interessiert. Im Innenhof der Bezirksgemeinschaft zeigt er Fotoarbeiten, die auf das menschliche Dasein zwischen Licht und Schatten verweisen. Am Domplatz spiegeln sich die Menschen hingegen in einer Installation von Christian Martinelli. Es handelt sich um eine großformatige analoge Fotokamera. Durch das Objektiv fällt das Licht in das Innere des Kubus und wird auf Fotopapier gebannt. Gleichzeitig reflektiert die glänzende Oberfläche die Umgebung. Die unmittelbare Umgebung ihres Ateliers in den Waagenhallen in Stuttgart beobachtete die Künstlerin Gabriele Oberkofler nicht nur bei Tag sondern auch in der Nacht. Ausgeleuchtet von einer scheinbar belanglosen Lichtquelle zeigt sich in der Videoarbeit Mr. Nobel, ein alter, blinder Hund, der langsam, aber vertraut und erhaben durch eine ehemalige Industriehalle streift. Ausgestellt ist das Video im Durchgang beim alten Schlachthof. Hell leuchtend präsentieren sich die Lampenserie von Lazar Lyutakov in einer Geschäftsauslage in der Weißenturmgasse. Aus billigstem Massenprodukten der modernen Wegwerfgesellschaft hat der Künstler ästhetisch ansprechende Lampen geschaffen und befragt damit unsere Konsumgewohnheiten. Mit einem großen leuchtenden Fragezeichen auf dem Dach des Brixen Tourismus endet der Kunstparcours. Installiert hat es Thomas Sterna der damit einerseits, ähnlich wie Lyutakov, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche in Frage stellt, allerdings mit seiner Skulptur auch einen klaren Kommentar, zu dem sich dem Ende neigenden Jahr gibt. 2020 hat viele von uns erschüttert, unvorstellbare Situation haben sich ergeben. Die Pandemie hat uns aus unserem Glauben an die Kontrollierbarkeit und Planbarkeit der Welt gerissen und vieles, das bisher unbedacht, und vielleicht auch unsichtbar war, in Frage gestellt. 2020 hat uns neue Aspekte des Lebens gezeigt, es hat Schatten geworfen und helle Lichtstrahlen deutlich werden lassen. Es hat uns vieles gezeigt und gelehrt. Die Via Illuminativa will mit Licht dieses besondere Jahr beschließen und mit einem Leuchtstrahl von Zuversicht in die Zukunft weisen.
Die Via Illuminativa beginnt mit dem Lichtfest der Heiligen Lucia am Sonntag 13. Dezember 2020 und endet mit der Epiphanias, das Fest der Erscheinung, am Mittwoch, 06. Jänner 2021.